Als Seenotretter Thomas Nuding vor dem Meßkircher Rathaus auftaucht, blickt Afd-Bundestagskandidat Nicolas Gregg überrascht. Auf Einladung des SÜDKURIER ist Nuding als Überraschungsgast zum Interview gekommen, um mit Gregg über die aktuellen Fragen der Flüchtlingspolitik zu diskutieren. In diesem SÜDKURIER-Gespräch vor der Bundestagswahl haben wir Kandidaten aus ihrer Komfortzone gezwungen. Für Gregg haben wir uns das Thema Migration und Integration ausgesucht. Er ist richtig überrascht, stellt sich aber der Diskussion, bei der es um die Frage geht, wie Europa mit den gestrandeten Flüchtlingen an den Außengrenzen der EU umgehen soll. Das Gespräch findet mitten in Meßkirch am Marktbrückle statt. Fortlaufend passieren an dem schönen Spätsommerabend Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen das Marktbrückle, die alle in der Heidegger-Stadt wohnen.
Unterschiedliche Ansichten treffen aufeinander
Thomas Nuding ist engagierter Seenotretter, war mehrfach auf dem Mittelmeer und Atlantik im Einsatz, um mit Mitstreitern Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Der Meßkircher Gemeinderat und Unternehmer macht sich für humanitäre Hilfe stark und sagt klar: „Wir dürfen Menschen nicht ertrinken lassen. Es ist unsere Pflicht das Leben zu schützen“. Die politischen Ziele der AfD im Wahlprogramm passen nicht zum Engagement von Thomas Nuding, der AfD-Politiker scharf für ihre rechtspopulistische Meinungsmache kritisiert. Parteigrößen wie Gauland, Höcke, Weidel und Meuthen sind für den Meßkircher ein No-Go.
Flüchtlinge im Meer: Wie soll die EU mit ihnen umgehen?
An diesem Abend geht es sachlich zu und es wird schnell klar, dass die Meinungen zwar teils weit auseinanderliegen, aber es zumindest Grundsätze gibt, auf die sich beide einigen können. „Sollen wir Menschen retten und aufnehmen oder sollen wir Menschen ertrinken lassen?“, fragt Nuding den Kandidaten Nicolas Gregg direkt, der sich zum ersten Mal für ein Mandat im Bundestag bewirbt.
Begriff „Wirtschaftsflüchtlinge“ wird heiß diskutiert
Der 38-Jährige ist Politikneuling und trat im Landkreis Sigmaringen im März für die AfD bei der Landtagswahl an. „Ich bin dafür, keinen Menschen ertrinken zu lassen“, antwortet Gregg ruhig. Allerdings müsse man bei „Wirtschaftsflüchtlingen“ sehr genau hinschauen, warum sie nach Europa kommen. In der Diskussion spricht er sich dafür aus, die Menschen in „ihrem kulturellen Raum“ zu lassen, weil sie dort mit Gleichgesinnten leben, die ihre Sprache sprechen und ihre Kultur verstehen. Dafür gebe es „sichere Staaten“, so Gregg. Auf die Frage von Thomas Nuding, welche Länder in Westafrika sicher sind, weiß Nicolas Gregg auf die Schnelle keine Antwort. Nuding kritisiert den Begriff „Wirtschaftsflüchtling“. Dieser sei negativ behaftet und werde konsequent von der AfD und auch von Gregg verwendet. „Das sind einfach Armutsflüchtlinge, die auf eine bessere Zukunft hoffen“, ergänzt der Meßkircher. Viele Flüchtende seien Folter und Verfolgung ausgesetzt, beispielsweise wegen ihrer Religion, ihrer sexuellen Herkunft oder ihren politischen Überzeugungen.
Schleuser sind die größten Profiteure
Einigen können sich die beiden Kontrahenten auf die Forderung, dass gegen die Schleuser vorgegangen werden muss, die bewusst Menschen in Gefahr bringen und mit minderwertigen Booten auf das offene Meer fahren lassen. Sie seien selbst die größte Profiteure von diesem Geschäft und würden die Menschen wissentlich in Gefahr senden. Viele sogar in den Tod. Beim Grund für die Flucht unterscheiden sich die beiden Diskussionsteilnehmer wieder in ihren politischen Ansichten.

Kontrahenten begegnen sich mit Respekt, kommen aber nicht immer zusammen
„Afrika wird von uns als Industrieländer ausgebeutet“, kritisierte Nuding. Jeder Mensch, der in Armut lebe, suche eine bessere Zukunft. Das sei menschlich und nachvollziehbar: „Wir würden es genauso machen“, betont der Unternehmer. Er könne mit der teils polemischen Politik der AfD und mit den Forderungen der Parteiführung nichts anfangen, weil deren Inhalte „inakzeptabel“ seien. Darauf antwortete Gregg: „Ich akzeptiere ihre Meinung, aber ich bin anderer Meinung. Ich respektiere ihre Meinung und werde sie nicht versuchen von meiner Meinung zu überzeugen“.
Nicolas Gregg will Flüchtlingen in der Heimat helfen
Bundestagskandidat Gregg spricht sich für „Hilfe vor Ort“ aus. Man müsse das Problem an der Wurzel packen, den Menschen in ihrer Heimat helfen. Wer berechtigt nach Deutschland komme, müsse sich integrieren und anpassen. „Wer nach Deutschland kommt, muss unsere Kultur akzeptieren, annehmen und die Rechtsstaatlichkeit akzeptieren“, sagt Gregg. Dazu gehöre es für ihn auch, richtig Deutsch zu sprechen.
AfD-Kandidat steht hinter Evakuierung in Kabul
Hinsichtlich der aktuellen Entwicklung in Afghanistan ist der AfD-Kandidat der Meinung, dass es wichtig und richtig ist, jene Ortskräfte zu retten, die mit dem Westen zusammengearbeitet haben. Und weiter: „Diesen Menschen gegenüber haben wir eine Verpflichtung“. Auch er sei von dem Vormarsch der Taliban überrascht gewesen und die Bilder vom Flughafen in Kabul hätten ihn schockiert und berührt. Dass die deutsche Bundeswehr keinen Plan für dieses Worst-Case-Szenario hatte, kritisiert er. „Unserer Bundesregierung fehlte der Zugang zu sehr wichtigen Informationen“, kritisiert Gregg. Man müsse die Fehlinformationen aufarbeiten und schauen, dass man sich keine religiösen und radikalen Fundamentalisten ins Land geholt hat. Der Schutz von Menschenleben, ist für beide Gesprächspartner an diesem Abend wichtig.
Gregg will Atomkraftwerke
Weil die Diskussion sachlich verläuft, gleitet das Gespräch weiter in Richtung Energiepolitik, denn Nicolas Gregg trifft in Thomas Nuding auch auf einen Heizungs- und Energie-, und Sanitärexperten, der ein eigenes Unternehmen führt. Sollte der AfD-Kandidat am 26. September ein Mandat erhalten, will er seinen Schwerpunkt bei der Energiepolitik setzen. Hier folgt Gregg ganz dem Wahlprogramm seiner Partei und hält die Abschaltung der Atomkraftwerke als „hochleistungsfähige Kraftwerke“ für einen Fehler, weil der Strombedarf durch neue Technologien noch nicht gedeckt werden könne.
Endlager-Frage über neue Technologien lösen
Als ausgebildeter Industrieelektroniker habe er großes Interesse an Technologien und will mit seiner Partei erreichen, dass wieder Geld in die Kernforschung investiert wird. Damit will seine Partei unter anderem herausfinden, wie Atomabfall weiterverwendet werden kann. Dann gebe es auch das Lagerungsproblem nicht mehr. Auch hier ist Thomas Nuding, der für die Freien Wähler im Gemeinderat ein Mandat hat, ein streitbarer Gegner. „Was wollen wir den nächsten Generationen für eine Welt hinterlassen?“, fragt er den Afd-Politiker und macht sich für den Klimaschutz stark. Gregg entgegnet, dass er kein Leugner des Klimawandels ist, nur nütze es in seinen Augen nichts, wenn in Deutschland Klimaschutzziele vorangetrieben werden, während Länder wie China weitermachen würden, wie bisher. „Für den Bürger darf eine Klimawende keine Mehrbelastung sein“, sagte Gregg. Deshalb müsse man eine internationale Klimapolitik anstreben.
Am Ende des Gesprächs lädt Thomas Nuding den Kandidaten nach dessen Wahlkampf zu einem Vortrag ein, der am 6. Oktober im Feuerwehrgerätehaus in Meßkirch stattfindet. Darin wird er über seine Erfahrungen berichten und seine Arbeit dem Kandidaten der AfD näher bringen.