Wie geht es Ihnen und Ihrem Team?
Alle sind konzentriert, angespannt und das Team trägt alle Maßnahmen mit. Wir müssen verstärkt auf die Bewohner eingehen, die mehr Betreuung und Zuspruch benötigen. Dazu mussten wir einiges umorganisieren, so haben wir den Mitarbeitereingang verlegt.
Wie geht es den Bewohnern?
Den Bewohnern geht es so weit gut. Wir haben keine Corona-Erkrankungen, ja wir haben nicht mal einen Schnupfen oder Grippe. Wir haben die Einrichtung ja seit 1,5 Wochen für Besuche geschlossen, zwei Tage vor der offiziellen Anordnung der Landesregierung.
Wie sehen Sie diese Schließungsanordnung?
Das war absolut notwendig und musste sein. Es gibt nur ein Ziel – den Virus unter allen Umständen aus dem Heim fernzuhalten. Was geschieht, wenn dies nicht gelingt, sehen wir in dem Altenheim in Würzburg, wo schon neun Bewohner verstorben sind.
Wie sieht es mit dem Pflegepersonal aus. Haben Sie genügend Mitarbeiter?
Ja. Obwohl wir drei Beschäftigte nach Hause geschickt haben, weil sie Kontakt zu Menschen hatten, die Urlaub in einem Krisengebiet gemacht haben. Unsere Mitarbeiter waren in häuslicher Quarantäne, wobei die Ersten wieder zurückkehren. Sie hatten entweder einen negativen Test oder die 14-tägige Quarantänefrist ist abgelaufen. Da wir unsere Tagespflege schließen mussten, sind dort Mitarbeiter frei, die wir nun im stationären Bereich und der ambulanten Pflege einsetzen können. Wir haben zwei Mitarbeiterinnen, die die Kinderbetreuung organisieren mussten. Aber hier reichte ein Anruf bei der Stadt und die Kinder werden nun in die Notbetreuung besuchen.
Wie gehen die Bewohner mit der Situation um, besonders mit dem Besuchsverbot für Angehörige?
Wir haben die gesamte Bandbreite – von Verständnis bis zu Ablehnung. Wir werden eingesperrt ist eine solche krasse Aussage. Menschen mit Demenzerkrankungen realisieren nicht wirklich, was vor sich geht. Aber ihnen fehlen natürlich die Kontakte mit den Angehörigen. Insgesamt kann man sagen, dass die Bewohner die Maßnahmen über sich ergehen lassen, wobei ihnen die Besuche von Kindern und Enkelkindern natürlich enorm fehlen.
Wie haben die Angehörigen auf das Besuchsverbot reagiert?
Sehr positiv. Ich habe bislang noch nichts Negatives gehört. Im Gegenteil. Es gab schon am Freitag vor der Schließung erste Anfragen, ob und wann es Beschränkungen geben wird. Manche haben dann freiwillig auf einen Besuch verzichtet. Wir haben alle nächsten Angehörigen in einem Brief über die Situation informiert und jeder hat die Telefonnummern erhalten, unter denen wir oder die Bewohner zu erreichen sind.
Wäre es nicht einfacher, wenn in Pflegeheimen Corona-Tests durchgeführt werden, da die Bewohner ja zur Risikogruppe gehören?
Das wäre sicher der beste Weg, aber aktuell gibt es noch keinen Schnelltest. Das wird sicher ein Thema werden, da bin ich überzeugt.
Wie sieht es mit dem Material wie Desinfektionsmitteln aus. Haben Sie ausreichende Vorräte?
Einige Firmen stellen mit einer Sondergenehmigung jetzt Desinfektionsmittel her und Heime können dort Material abrufen. Aber klar ist, dass es an Handschuhen, Schutzmasken oder Überkitteln fehlt. Das Land muss hier nachsteuern und wir müssen uns Gedanken machen, ob tatsächlich alles nur in China und Indien hergestellt wird.
Brauchen Sie wirklich soviel Material?
Stellen Sie sich vor, dass unsere Mitarbeiter einen Bewohner acht Mal in seinem Zimmer aufsucht. Dann muss er jedes Mal neue Einmalhandschuhe anziehen. Dazu kommen noch Überkittel, Schürze, Brille und Mundschutz.
Was sind Ihre größten Sorgen, wenn Sie auf die nächsten Wochen blicken?
Die psychische Belastung der Bewohner nimmt zu. Der Kontakt mit den Angehörigen geht verloren, was für viele enorm wichtig ist. Deshalb müssen wir neue Möglichkeiten nutzen.
Welche?
Unsere Mitarbeiter waren schon erfinderisch und haben Bewohnern eine Skype-Verbindung mit ihren Angehörigen ermöglicht. Wir überlegen uns eine solche Video-Telefonie einrichten, damit die Menschen sich sehen. Eine weitere Überlegung ist auch, einen wöchentlichen Newsletter an die Angehörigen zu verschicken, mit allen Neuigkeiten vom Heim und den Bewohnern. Eine tolle Idee gibt es in der Seelsorgeeinheit Markdorf, die Briefe gegen Einsamkeit“ heißt.
Wie funktioniert das?
Ziel ist, dass Bewohner von Heimen sich trotz Besuchverbots nicht allein fühlen. Also schreiben Ihnen Menschen einfach Briefe, Karten oder schicken Fotos. Man könnte das auch mit der SÜDKURIER-Aktion „SKverbindet“ verbinden. Hier können sich Menschen kostenlos registrieren lassen, wenn sie für Ältere Einkäufe erledigen oder PC-Dienste anbieten wollen. Falls es hier zuwenig Interesse gibt, könnten diese Hilfsbereiten ja solche Briefe gegen die Einsamkeit verfassen, einen kleinen Gruß schicken, vielleicht ein schönes Bild vom Seepark. Vor ein paar Tagen hat eine ehrenamtliche Helferin einer Bewohnerin einen solchen Brief geschrieben und als die alte Dame den Brief geöffnet hat, war das Strahlen auf ihrem Gesicht wunderschön.
Der Spitalfonds betreut Menschen nicht nur im Pflegeheim?
Nein. Im Heim haben wir 60 Bewohner, dazu betreuen wir ambulant 150 Menschen und 60 Menschen nutzen unsere Tagespflege, die wir ja schließen mussten. Bei der Tagespflege haben wir alle Betroffenen informiert und glücklicherweise können alle zuHause versorgt werden. Wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätten wir eine Notbetreuung einrichten können. Die ambulante Pflege führen wir fort, wobei wir aber keine hauswirtschaftlichen Leistungen wie Wohnungsreinigung mehr erbringen. Das ist einfach nicht lebenswichtig. Was selbstverständlich unbedingt aufrecht erhalten bleibt, ist Essen auf Rädern.
Wie funktioniert das denn in Corona-Zeiten?
Unsere Mitarbeiter haben ja häufig einen Wohnungsschlüssel. Sie stellen das Essen auf den Tisch und gehen wieder. Aber es fehlt natürlich das Gespräch, das Schwätzchen, das für viele Menschen so wichtig ist.
Noch ein Wort zum Schluss?
Die größten Sorgen mache ich mir um die ambulante Pflege. Denn nach den Grenzschließungen fehlen hunderttausende Pflegerinnen aus Osteuropa. Viele kommen aus Angst auch nicht mehr nach Deutschland. Ich befürchte, dass der Druck auf die Pflegeheime und Pflegedienste nach Ostern enorm zunimmt.