Mit Hermine Reiter hat die Stadt Pfullendorf im Juli 1989 ein echtes Multitalent eingestellt. Nun naht der Tag, an dem sich die 63-Jährige in den Ruhestand verabschieden wird. Am 31. August des Jahres beginnt ihre Altersteilszeit. Dann war sie 35 Jahre bei der Stadt Pfullendorf tätig, erlebte mit Hartmut Dinter, Heiko Schmid, Thomas Kugler und Ralph Gerster vier Bürgermeister. Bis auf das Fremdenverkehrsamt, heute Touristinfo der Ferienregion Nördlicher Bodensee, hat sie nach wie vor die Volkshochschule und die städtische Galerie unter sich.

Die Galerie ist ihr besonders ans Herz gewachsen. „Kunst und Kultur sind mein Hobby Nummer eins“, sagt sie. Alles begann damit, dass sie für sich und ihren Mann im Kulturamt Eintrittsarten für eine Aufführung in der Pfullendorfer Stadthalle kaufen wollte. „Ich habe mir gedacht: diese Stelle hätte ich gerne, wenn sie frei wäre! Ganz egal, ob ich weniger verdiene als in der freien Wirtschaft.“ Und siehe da, es dauerte nicht lange, da war die Stelle tatsächlich ausgeschrieben und Hermine Reiter bewarb sich sofort. Bei der entscheidenden Gemeinderatssitzung konnte sie sich gegen ihre Mitbewerber – drei Männer – durchsetzen.

Hermine Reiter interviewt Devin Miles in der Galerie. Seine Kunstwerke waren von Oktober 2022 bis Januar 2023 ausgestellt.
Hermine Reiter interviewt Devin Miles in der Galerie. Seine Kunstwerke waren von Oktober 2022 bis Januar 2023 ausgestellt. | Bild: Johanson, Kirsten

Von Mäusen und Elefanten

Im Kultur- und Fremdenverkehrsamt war sie Allrounderin. Sie managte den Kartenvorverkauf für die Jahreskonzerte der Stadtmusik, versorgte Touristen mit Infomaterial, kümmerte sich um die Vermittlung von Ferienwohnungen und Hotelzimmern, erstellte eine Imagebroschüre, machte Zielgruppenanalysen. Hermine Reiter hat die Stadtführungen und das Mittwochswandern mit Charlotte Zoller ins Leben gerufen. Sie wirkte 1995 federführend bei der Organisation des Mittelalter-Spectaculums mit und initiierte den Sommerferienspaß. „Mit Wendelin Riegger vom Stadtjugendring ging es in den Anfangsjahren ins Zeltlager nach Zielfingen, wir leierten Kooperationen mit den Lehrlingswerkstätten bei Alno und Geberit an, es gab Fahrten ins Freilichtmuseum nach Neuhausen ob Eck und Bastelaktionen, für die Bäcker Eisele Seelen zum Vespern gespendet hat“, erinnert sie sich im Gespräch mit dem SÜDKURIER.

Gute Erinnerung an Inge Meysel

Die Begegnungen mit Künstlern so wie mit dem weltbekannten James Rizzi machen Hermine Reiter besonders viel Freude.
Die Begegnungen mit Künstlern so wie mit dem weltbekannten James Rizzi machen Hermine Reiter besonders viel Freude. | Bild: Hermine Reiter

Anekdoten kann sie reichlich erzählen, sei es vom Astronautenklo aus der Sendung mit der Maus, von ausgebüchsten Zirkuselefanten im Bergwald oder Mäusen im Stuhllager der Stadthalle. Die Nager waren sehr angetan vom Popcorn, das bei der Rocky Horror Picture Show auf dem Boden gelandet war. Sie lernte viele Schauspieler und Künstler persönlich kennen, so etwa James Rizzi oder Rosina Wachtmeister, Manfred Krug, Margot Werner, Horst Janson und Christian Kohlund. Janosch und Silvia Seidel seien im Umgang eher etwas schwierig gewesen, Inge Meysel und Michaela May um so liebenswürdiger.

Hermine Reiter mit einem von Janosch bemalten Spülkasten. Bei der Ausstellung im Jahr 2014 wurden über 300 seiner humoristischen ...
Hermine Reiter mit einem von Janosch bemalten Spülkasten. Bei der Ausstellung im Jahr 2014 wurden über 300 seiner humoristischen Karikaturen, Öl- und Aquarellarbeiten sowie Radierungen präsentiert. Das Interview mit ihm gestaltete sich etwas sperrig. | Bild: Johanson, Kirsten

Bei der Zusammenstellung des Jahresprogramms für die Stadthalle bewies sie ein gutes Gespür, was sich in hohen Abo-Zahlen und ausverkauften Aufführungen widerspiegelte. Von den 647 Plätzen waren über 400 Abo-Plätze. „Für die vorderen Kategorien gab es sogar Wartelisten. Abonnenten kamen aus Stockach, Überlingen und Bad Saulgau nach Pfullendorf. Ich habe jeweils ein Musical und eine Operette gebucht, entweder ein Kriminalstück oder eine Komödie und jedes halbe Jahr eine Aufführung für Kinder.“

Exponate von Hundertwasser

Kinder an Kultur heranzuführen, ist ihr ein großes Anliegen. Spezielle Kinderführungen durch die Galerie sind für sie ein Muss. Als Galerieleiterin ist es Hermine Reiter gelungen, einige echte Knaller nach Pfullendorf zu holen. Ein Coup gelang ihr 2008 mit der Hundertwasser-Ausstellung. 300 Exponate waren zu sehen, darunter solche, die normalerweise nicht der Öffentlichkeit zugänglich sind. Als Publikumsmagneten erwiesen sich auch James Rizzi und Udo Lindenberg. Reiter machte die städtische Galerie zu dem, was sie heute ist, eine gefragte Einrichtung mit hervorragendem Ruf, die auch für internationale und nationale Künstler interessant ist.

Sonderzüge zur Ausstellung

Hartnäckigkeit bewies sie, als es darum ging, 1999 das Maus-oleum, eine Ausstellung anlässlich 50 Jahre „Sendung mit der Maus“ in die Stadthalle nach Pfullendorf zu holen. „Das war ein großer Erfolg, es sind sogar Sonderzüge von Aulendorf gefahren. Und im Nachgang wurde eine Beitrag für die Sendung mit der Maus bei Geberit gefilmt.“

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Die Volkshochschule hat sie seit 1987 unter ihren Fittichen, als die Pfullendorfer VHS selbständig wurde. „Damals hatten wir noch handgeschriebene Listen, weil wir keinen PC hatten. Sie ist seit vielen Jahren die Vorsitzende der VHS-Regionalversammlung Bodensee-Oberschwaben und vertritt somit insgesamt elf Volkshochschulen im VHS-Verband Baden-Württemberg.