Kaum hat sich allgemein geltendes Regelwerk so schnell und unstet verändert, wie in der Corona-Krise. Was heute noch gilt, kann morgen, gar in wenigen Stunden wieder obsolet sein. Wer wissen will, was aktuell gilt, muss sich aktiv informieren. Das gilt besonders für jene, die täglich mit geltendem Recht arbeiten, es anwenden und sprechen.

Chef des Amtsgerichtes informiert sich täglich

„Ich schaue täglich rein, ob es wieder irgendwelche Änderungen gegeben hat“, erklärt Birgit Reerink. Sie ist Direktorin des Amtsgerichts in Donaueschingen. Wie überall, so sind auch hier die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren. Besonders in jenem Bereich, in dem die Bußgeldverfahren abgewickelt werden: „Die Kollegin dort hat sehr viel zu tun.“

Corona-Leugner sind ein schwieriges Klientel

Und oftmals handelt es sich dabei um Verstöße gegen aktuell geltende Corona-Verordnung. Keine Maske getragen, keinen Abstand gehalten, sich mit zu vielen Leuten getroffen – all das schlägt hier auf. Und oft handelt es sich dabei nicht nur um Unachtsamkeiten, sondern es sind Corona-Leugner, die im Gericht erscheinen müsse. „Ein schwieriges Klientel“, erklärt die Amtsgerichts-Direktorin. In den Verhandlungen seien oft etwa auch andere Leugner mit dabei, die ihren Unmut lautstark kundtun.

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Wichtige Signal-Wirkung

Solche Prozesse hält Reerink in der aktuellen Situation für äußerst wichtig: „Es geht hier auch um eine Generalprävention in der Bevölkerung.“ Dazu zähle auch, dass gespürt werde: Bei Verstößen gegen die Verordnungen folgen auch entsprechende rechtliche Konsequenzen: „Da passiert etwas. Diese Signale sind wichtig.“ Das gehe im Extremfall sogar soweit, dass ein Freiheitsentzug erfolgen könne. Etwa wenn ein Infizierte sich nach mehreren Bußgeld-Bescheiden weiter nicht in Quarantäne begibt, sondern sich im Freien aufhält, andere Menschen trifft: „Da kann dann auch eine Absonderung beschlossen werden“, erläutert Reerink.

„Die Gesellschaft muss damit klarkommen.“
Birgit Reerink, Direktorin Amtsgericht

Das seien Extremfälle zwar Extremfälle, in Donaueschingen sei es allerdings auch schon einmal so weit gekommen. „Der Freiheitsentzug geht dann über die Rechte des Einzelnen.“ Insbesondere bei Personen aus dem Dunstkreis der Coronaleugner sei das ein Problem. Bei dieser Personengruppe gehe es auch um das Provozieren. Das könne auch direkt vor Gericht passieren. Jedoch gebe es die richtigen Maßnahmen dafür: „Die Gesellschaft muss damit klarkommen.“

In den Räumen befinden sich mittlerweile Messgeräte, die den Kohlenstoffdioxid-Anteil in der Luft messen.
In den Räumen befinden sich mittlerweile Messgeräte, die den Kohlenstoffdioxid-Anteil in der Luft messen. | Bild: Simon, Guy

Sicherheits-Mitarbeiter vor Ort

Bei entsprechenden Prozessen im Donaueschinger Amtsgericht sind daher auch Mitarbeiter der SGS vor Ort. SGS steht für „Sicherheitsgruppe der Gerichte und der Staatsanwaltschaften“. „Bei solch einem Termin sind die immer dabei“, sagt Reerink. Als lokalen Vorteil gebe es ja zudem noch die Nähe zum Polizeirevier. Beamte von dort hinzu zu holen sei allerdings erst einmal notwendig gewesen. „Im Fall der Fälle geht das schnell.“ Und schließlich gebe es noch die Möglichkeit, das Hausrecht notfalls mit Zwang durchzusetzen. Reerink sieht indes schon allein im großen Saal des Amtsgerichtes eine eigene Wirkung: „Eine gewisse Autorität bringt der Raum schon mit sich.“

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Saal ist ein Glück

86 Quadratmeter ist er groß, verfügt über eine große Fensterfront. Es sei „ein Glück“ solch einen Raum zur Verfügung zu haben. Auf den großen Saal sei man oft angewiesen. Dennoch könne man in Pandemie-Zeiten nicht so viele Termine wie früher wahrnehmen. „Es ist auch alles eine Frage der Eilbedürftigkeit“, erklärt die Direktorin. Geht es etwa um Kindeswohl oder um den Führerschein, auf den jemand angewiesen ist? Zudem werden darauf geachtet, nicht ins Infektionsgeschehen einzugreifen.

Und so sieht das konkret aus

„Wir hatten etwa einen Prozess mit mehreren Beteiligten, wovon auch welche aus einem anderen Landkreis mit höherer Inzidenz stammten.“ Den Termin habe man schließlich deshalb auch verschoben. Zum Schutzkonzept gehöre neben dem Lüften in den Sälen auch das Tragen der Mund-Nasen-Maske, sowie die entsprechenden Abstände, teilweise auch Trennungen durch Plexiglasscheiben. Der Arbeitstag am Amtsgericht habe sich durch die Maßnahmen nicht verkürzt, im Gegenteil: „Ich fange morgens früher an und verhandle abends länger“, so Reerink.

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Gewisse Verfahren nehmen zu

Was zugenommen habe, das seien vor allem Verfahren, die sich mit Verstößen gegen die Corona-Verordnungen beschäftigen. Die sind teilweise sehr kompliziert: „Jeder Bescheid hat eine andere Grundlage“, erklärt die Richterin. Es müsse geschaut werden, was just zu jenem Zeitpunkt auch galt. Zugenommen haben auch die Gewaltschutz-Anträge. Und: Betrügereien, etwa per E-Mail oder Telefon. „Wenn die Leute vermehrt zu Hause sind, dann ist auch die Wahrscheinlichkeit höher, dort jemanden anzutreffen.“ Einiges habe sich jedoch auch reduziert: „So etwa Taschendiebstähle. Dafür ist Enge notwendig. Große Menschenmassen sind ein Vorteil.“ Einbruchdiebstähle seien weniger geworden.

Homeoffice?

Das ist bisher nicht in jedem Bereich des Gerichtes möglich: „Richter und Rechtspfleger können das machen, die Geschäftsstellen müssen indes noch viel mit Papier arbeiten“, erklärt Reerink. Dabei sei von Vorteil, dass jeder Mitarbeiter einen eigenen Raum für sich habe. Zudem sei das Gebäude beim Umbau 2019 in zwei Bereich getrennt worden. Einer davon ausschließlich für die Mitarbeiter: „Das ist ein Segen. So hatten wir bislang auch noch keinen Corona-Fall bei uns im Haus.“

Vorbildfunktion des Amtsgerichtes

Was die Einhaltung der Maßnahmen betreffe, habe man im Amtsgericht eine Vorbild-Funktion: „Es geht auch darum, immer wieder wach zu rütteln und darüber zu informieren.“ Daher habe man viele Schilder, auf denen ausführlich alles erklärt werde, und jeder bekommen bei einer Ladung vor Gericht entsprechende Informationen, worauf es hinsichtlich der Sicherheits-Vorkehrungen zu achten gelte.

Bereits der zweitgrößte Gerichtssaal im Amtsgericht ist wesentlich kleiner.
Bereits der zweitgrößte Gerichtssaal im Amtsgericht ist wesentlich kleiner. | Bild: Simon, Guy

Dennoch habe es schon einen Fall gegeben, bei dem man im Nachhinein festgestellt habe, dass ein Infizierte in der Verhandlung gewesen sei: „Das waren ganze zwei Stunden. Gott sei Dank hat sich keiner infiziert“, so Reerink. Das sei Glück, spreche aber auch für das Hygienekonzept des Gerichts. Das umfasse etwa auch Kohlenstoffdioxid-Messgeräte in den Räumen. Die sind besonders in kleineren notwendig. Bereits der zweitgrößte Raum im Gericht erlaube maximal fünf Personen. „Wenn das Gerät auf Rot geht, dann muss gelüftet werden.“

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Eilgericht

Mit der Corona-Notaufnahme in Donaueschingen hat das hiesige Amtsgericht auch viel zu tun. Hier ist es als sogenanntes Eilgericht zuständig. Etwa wenn Operationen anstehen und es gilt, schnell Vollmachten zu erteilen: „Das sind teilweise Entscheidungen, die in einer Stunde beschlossen werden. Zur Not muss ein Richter dafür eben auch eine Verhandlung unterbrechen. Es gibt einfach Sachen, die sind eilig“, sagt Reerink.