Unbeschwertes Kennenlernen, etwa bei einem Glas Wein abends an der Bar, ist in Zeiten geschlossener Restaurants und Cafés nicht in gewohnter Art und Weise möglich. Doch Dating muss trotz der Corona-Pandemie nicht in den Ruhemodus wechseln, sagt Claudia Margarete Heer. Die Beziehungstrainerin ergänzt sogar: „Noch nie war es so einfach wie heute.“ Was sie damit meint, erklärt sie dem SÜDKURIER.

Wie also kann Dating in diesen bewegten Zeiten funktionieren? „Schwierigkeiten gibt es nur in unserem Kopf“, betont Heer. „Wenn Dinge im Außen kompliziert sind, dann nur deshalb, weil wir denken, dass es kompliziert ist.“ Corona sei demnach kein Grund, weshalb ein Kennenlernen nicht trotzdem möglich ist. „Heutzutage sind wir wunderbar digital vernetzt. Jeder hat ein Handy, wo wir uns nicht nur hören, sondern sogar sehen können“, so Heer. Es gebe Apps wie Instagram, Gruppen bei Facebook oder Apps, „bei denen sich Menschen ganz leicht kennenlernen und vernetzen können, ja sogar einfach nur miteinander Spaß haben können“. Man brauche nicht einmal mehr die Telefonnummern auszutauschen. Auf diesem Weg kommen Heer zufolge Leute zusammen, die sich ansonsten womöglich nie kennengelernt hätten. Im Prinzip sei das Kennenlernen via Internet nicht anders als Vis-à-vis. Viele seien begeistert, wie viel Nähe man online schaffen könne.

Daumen hoch: Kennenlernen ist trotz Corona auf ganz leichte Art und Weise möglich, meint Claudia Margarete Heer.
Daumen hoch: Kennenlernen ist trotz Corona auf ganz leichte Art und Weise möglich, meint Claudia Margarete Heer. | Bild: Heer/privat

Ohne Druck und Erwartungen

Dem Beziehungscoach zufolge ist es wichtig, ohne Druck und zu hohe Erwartungen offen in ein Kennenlernen zu gehen. Zum einen gebe es Dating-Plattformen, die explizit dafür da sind, um einen Partner zu finden. Es gebe aber auch neutralere Plattformen, bei denen sich „einfach nur Gleichgesinnte kennenlernen können, Menschen mit ähnlichen Interessen“. Im Verlauf des Austausches über Themen wie Sport, Fitness, Persönlichkeitsentwicklung, Ernährung oder Reisen könne es dann ganz ungezwungen passieren, dass man merkt, wie gern sich zwei Menschen haben. Heer: „Es gibt also Möglichkeiten über Möglichkeiten. Niemand braucht zu leiden, es sei denn, er entscheidet sich dafür. Menschen, die leiden, sind immer Opfer.“

Das könnte Sie auch interessieren

Dass Dating in der heutigen Zeit häufig online stattfindet, ist ein Trend, der schon vor Corona zu beobachten war. Claudia Margarete Heer geht davon aus, dass entsprechende Portale seit geraumer Zeit „auf jeden Fall mehr Zulauf haben“. Sie finde das völlig legitim, sich über Chats auszutauschen. Entscheidend sei, mit Leichtigkeit und Spaß hineinzugehen. Als Basis für eine liebevolle Beziehung im Außen brauche man immer eine gute und liebevolle Beziehung zu sich selbst: „Und darin sehe ich meine Aufgabe. Die Menschen darin zu unterstützen, sich selbst erst einmal kennenzulernen, mit sich selbst vertraut zu werden“, schildert die 60-Jährige. Das sei der Schlüssel zum Glück, der Schlüssel zum Erfolg. Ist man mit sich im Reinen, sei es egal, wo Kennenlernen mit anderen Personen im Endeffekt geschehe.

Wie wichtig genau dieser Aspekt der Selbstliebe ist, habe die Beziehungstrainerin selbst erlebt. „In meiner Familie habe ich gelernt, immer für andere da zu sein. Dabei habe ich mich selbst verloren“, erzählt sie. „Ich bin sehr religiös aufgewachsen und dachte, ich bin nur ein guter Mensch, wenn ich für andere da bin. Und das war das Missverständnis.“ Natürlich habe sie ein guter Mensch sein wollen und „so viel gegeben wie ich nur konnte“. Irgendwann aber sei Heer K.o. gewesen: „Ich machte meinen Mann dafür verantwortlich, dass ich ausgelaugt und unzufrieden war. Die meisten Ehen gehen in die Brüche, weil die Partner nie gelernt haben, eine gute Beziehung zu sich selbst aufzubauen, selbst liebevoll und gut für sich zu sorgen.“ Wenn es einem selbst gut gehe, gehe es auch der Familie gut. Wenn es einem selbst gut gehe, gebe man ohne Erwartungshaltung – weil man gern gibt, weil man liebt. Claudia Margarete Heer habe in ihrer langjährigen Coaching-Erfahrung festgestellt, „dass die Menschen grundsätzlich gern geben, es sei denn, sie haben das Gefühl, dass sie selbst ständig zu kurz kommen“.

Claudia Margarete Heer
Claudia Margarete Heer | Bild: Heer/privat

Aus der Sicht der Trainerin geht es im Leben ausschließlich um Beziehungen: „Sobald wir das Licht der Welt erblicken, stehen wir in Beziehung. Zuerst mit unseren Eltern, dann mit unseren Geschwistern, im Kindergarten, in der Schule und im Beruf. Aber niemand lernt uns etwas darüber, wie wir Beziehung leben, wie wir sie gestalten.“ Jeder mache es irgendwie aus dem Bauch heraus, dabei seien liebevolle Beziehungen „das Wichtigste der Welt“, so Heer. Bevor wir Fremdsprachen, Geografie, Geschichte oder andere Dinge lernen, sollten wir ihr zufolge lernen, wie wir liebevolle und erfüllende Beziehungen herstellen: „Wir Menschen sind Gesellschaftswesen und wollen uns in erster Linie gemocht und geliebt fühlen. Und da sind alle Menschen gleich. Das ist die Basis für Erfolg“, führt sie aus. Ohne Liebe sei kein nachhaltiger Erfolg möglich. Vor allem beruflichem Erfolg liege der private Erfolg zugrunde.

Und wenn in der Beziehung Probleme auftauchen?

Der häufigste Grund, dass bei Paaren in Corona-Zeiten Probleme auftauchen, ist laut Heer das viele Aufeinandersitzen: „Wir können uns nicht mehr ohne Weiteres aus dem Weg gehen. Durch Corona verstärken sich Krisen, die ohnehin schon da sind. Vielleicht liegen bei beiden Seiten die Nerven blank, sind auch noch Kinder dabei, treibt es das auf die Spitze.“ Weil jedoch jeder Mensch einzigartig sei und auch unterschiedliche Bedürfnisse habe, sei es ganz normal, dass es zu Konflikten komme. Der einzige Unterschied ist für die Expertin, dass wir jetzt gezwungen sind, uns diesen Konflikten zu stellen: „Vor Corona war es leichter, vor ihnen zu fliehen.“ Im Leben gehe es allerdings nicht darum, Konflikte zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu lösen. Aktuell zwinge uns das Leben sozusagen dazu, diese Fähigkeit zu entwickeln. Diejenigen, die sich vorher schon mit Persönlichkeitsentwicklung, Kommunikation, mit sich selbst und der eigenen Persönlichkeit auseinandergesetzt haben, hätten es nun leichter. Aber das könne man andernfalls jederzeit neu lernen.

Das könnte Sie auch interessieren

Wie Paare gegen ihre Probleme ankämpfen können? Dahingehend sei es als Basis elementar wichtig, „jedes sogenannte Problem nicht als Problem zu sehen, sondern als Chance“, sagt Claudia Margarete Heer. Man solle sich selbst die Frage stellen, was man überhaupt wolle. Oder wie man selbst möchte, wie Mitmenschen mit einem umgehen: „Deine Mitmenschen sind nämlich immer dein Spiegel. Sie zeigen dir immer nur, wie du mit dir selbst umgehst. Das sagt dir nur keiner. Ich selbst wusste es auch nicht.“ Bei einem Gefühl des Unwohlseins solle man sich fragen, was einem jetzt guttun würde: ein Spaziergang, ein gutes Buch oder ein Telefonat mit einem Freund? „Und wenn du das herausgefunden hast, sorge dafür, dass du es bekommst. Aber nicht mit der Brechstange, sondern einfach dadurch, dass du dein Bedürfnis zunächst kundtust. Dass du Lösungen vorschlägst und sie kommunizierst“, erklärt Heer. Was Wunder wirke, sei die Natur. So oft wie möglich solle man die Natur bewusst und mit allen Sinnen wahrnehmen: „Schaue dir die Wiesen an, die Bäume, die Farben, höre die Vögel, den Wind, rieche sie ganz bewusst. Tue das regelmäßig und lass dich überraschen, was das allein schon verändern kann“, rät die Beziehungstrainerin. Generell solle man seine Aufmerksamkeit auf das richten, „was du hast, und nicht darauf, was dir fehlt“.

Kompromisse finden

Wegen der Pandemie gibt es Heer zufolge wenige Möglichkeiten für gemeinsame Ausflüge. Und man habe weniger Freiraum, sich zurückzuziehen. Eine intakte Beziehung gelinge, „wenn wir endlich damit aufhören, ständig eine Erwartungshaltung an den anderen zu haben beziehungsweise den anderen dafür verantwortlich zu machen, dass wir uns gerade nicht gut fühlen“. Es sei extrem wichtig, sich selbst und seinen eigenen Bedürfnissen bewusst zu werden, sie fair zu kommunizieren und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. „Das gilt für jeden. Es geht nicht nur um meine Bedürfnisse, sondern auch um die des anderen. Lade den Partner ein, dass er sich genauso äußern darf, und zeige ihm, dass es dir genauso wichtig ist, dass diese befriedigt werden“, führt Heer aus.

Das könnte Sie auch interessieren

Im Leben gehe es nie um Schuldige, sondern immer nur um Lösungen. Es helfe auch, sich gegenseitig Rückzug zuzugestehen, sich mal aus dem Familienleben rausnehmen zu dürfen. Das könne man vereinbaren, sagt die 60-Jährige. Man lege den Blick meistens darauf, was nicht funktioniert, nicht auf die schönen Dinge. Aber man müsse den Fokus auf Gemeinsamkeiten legen statt darauf, was ein Paar trenne. Vor allem in Krisenzeiten mache das nämlich auf lange Sicht die Beziehung kaputt.