Schwarzwald-Baar – Es ist ein Schreckensszenario: ein Unfall in der Nacht und an einer abgelegenen Stelle. Verletzte müssen schnellstmöglich ins Krankenhaus und der Krankenwagen ist straßengebunden, der Fahrer muss auf die eigene Sicherheit und auf jene der anderen Verkehrsteilnehmer sowie auf den übrigen Straßenverkehr achten. Der in Villingen-Schwenningen stationierte Rettungshubschrauber Christoph 11 hat diese Hindernisse nicht. Er kann im wahrsten Sinne des Wortes die Luftlinie nehmen und ist schneller als jedes Auto. Bis vor Kurzem durfte Christoph 11 allerdings nach Einbruch der Dunkelheit nicht starten. Dies änderte sich im Oktober, als Christoph 11 als erster Rettungshubschrauber in Baden-Württemberg in den 24-Stunden-Betrieb überging.
"Die bisher gesammelten Erfahrungen der Besatzungen in Hinblick auf das nächtliche Einsatzgeschehen sind sehr gut", sagt Petra Hentschel, Leiterin der Stabsstelle Kommunikation und Marketing bei der DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG. "Der Übergang in den 24-Stunden-Betrieb in Villingen-Schwenningen verlief reibungslos und die Einsatzbereitschaft rund um die Uhr wurde von den Leitstellen positiv aufgenommen."
Dass die Möglichkeit durchaus besteht, den Rettungshubschrauber auch nachts einsetzen zu können, zeigen die Zahlen. Allein im ersten Monat, im Zeitraum vom 1. Oktober bis zum 24. Oktober, sei Christoph 11 zu 27 Einsätzen nach Einbruch der Dunkelheit alarmiert worden, sagt Petra Hentschel. Das sind durchschnittlich 1,1 Einsätze pro Tag.
Die meisten Einsätze seien in den frühen Abendstunden erfolgt, zwischen 22 Uhr und 6 Uhr habe es sieben Einsätze gegeben. Dabei handle es sich überwiegend um Transporte zwischen den Kliniken von Intensivpatienten, also bei solchen, bei denen akute Lebensgefahr besteht. "Insbesondere in den Wintermonaten, wenn es bereits am Nachmittag dunkel wird, bringt die 24-Stunden-Einsatzbereitschaft von Christoph 11 Vorteile zum reinen Tagbetrieb", sagt Petra Hentschel.
Als erster Hubschrauber mit Nachtflugerlaubnis in Baden-Württemberg muss Christoph 11 auch ein entsprechend großes Einsatzgebiet abdecken. Dieses umfasse nachts nicht nur den Schwarzwald-Baar-Kreis, sagt Stabsstellenleiterin Hentschel. "Wie erwartet werden Einsätze im südlichen Baden-Württemberg geleistet."
Völlig unabhängig von den Rettungskräften am Boden ist Christoph 11 aber auch mit einer Nachtflugerlaubnis nicht. "Die Besatzungen von Christoph 11 arbeiten bei ihren nächtlichen Notfalleinsätzen eng mit den bodengebundenen Rettungskräften zusammen", sagt Stefanie Kapp, Pressereferentin der Stabsstelle Kommunikation bei der DRF Luftrettung. So werden sie beispielsweise von der Feuerwehr unterstützt, indem diese den Landeplatz ausleuchtet. "Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut."
Eigentlich hätten die nächtlichen Flüge von Christoph 11 vor dem 1. Oktober anfangen können. Denn die Nachtfluggenehmigung wurde bereits im August erteilt und auch technisch ist der Hubschrauber vom Typ H 145, der erst seit Juli von Villingen-Schwenningen aus startet, auf dem neusten Stand und voll nachtflugtauglich.
Dass es dann doch noch etwas länger gedauert hat, war offenen organisatorischen Fragen geschuldet, so Hentschel. So musste die Finanzierung der Zusatzkosten mit den Krankenkassen geregelt und eine sechswöchige Einspruchs- und Klagefrist abgewartet werden, während der Betroffene Einwände gegen die nächtlichen Starts und Landungen einreichen konnten.
Dabei ging es insbesondere um das Thema Lärmbelästigung. Wegen solcher hatte es schon während des Genehmigungsverfahrens zwei Einwände gegeben, wie Horst Rieker, Luftfahrttechnischer Sachverständiger des Landes beim Regierungspräsidium Stuttgart schon im August erklärte. Aus diesem Grund sei man bei der Genehmigungsbehörde einen Kompromiss eingegangen und habe die Höchstzahl der zugelassenen Flüge auf 1,3 pro Nacht beschränkt.
Technische Daten des Typs H 145
- Hubschrauber vom Typ H 145 sind bestens für einen nächtlichen Flug ausgerüstet, wie die technischen Spezifikationen zeigen:
- Funk- und Naviagtion: Auf großformatigen Bildschirmen werden dem Piloten die wichtigen Informationen zu Triebwerk, Fluglage und Luftraum angezeigt.
- Nachtsicht: Der Hubschrauber ist mit Nachtsichtgeräten ausgestattet. Diese verstärken das vorhandene Licht und erlauben eine bessere Orientierung in der Dunkelheit. Dafür wurde die Cockpit- und Kabinenbeleuchtung speziell konfiguriert, damit diese den Piloten nicht beeinträchtigen.
- Heckrotor: Der Heckrotor der H 145 ist ummantelt, die Rotorblätter drehen sich in einem Gehäuse. Dadurch ist der Rotor zum einen besser vor Beschädigungen, beispielsweise durch herumfliegende Gegenstände, geschützt. Gleichzeitig erhöht sich dadurch aber auch die Sicherheit für sich nähernde Personen, gerade bei nächtlichen Einsätzen, wenn die Lichtverhältnisse das Sehen erschweren.
- Reichweite: Nicht zuletzt die Reichweite und Geschwindigkeit machen die H 145 zu einem idealen Transporter. Die Reichweite liegt bei rund 700 Kilometern, die Geschwindigkeit bei bis zu 262 Kilometern pro Stunde. Damit kann der Hubschrauber beispielsweise die Strecke von Villingen-Schwenningen bis in die Landeshauptstadt Stuttgart (Luftlinie rund 95 Kilometer) in rund 20 Minuten zurücklegen.