Die Baustelle ist auffällig: mehrere Reihen hoher, paralleler Betonwände wie Gerippe. Wer über die Steig von Schwenningen nach Villingen fährt, kommt in der scharfen S-Kurve direkt daran vorbei. Was ist direkt neben dem Kreismedienzentrum geplant?
Ein Transparent mit Warnhinweisen verrät den Bauherren: Storage 24. Das Lorcher Unternehmen bietet laut eigener Webseite in ganz Deutschland Lagerräume und Großgaragen zum Mieten an.
In Großstädten liegen diese Raumlösungen für Privatleute und kleine Unternehmen – Selfstorage genannt – bereits länger im Trend. Wer eine kleine Wohnung hat, lagert seinen Besitz aus. Startups brauchen aufgrund von Wachstum plötzlich mehr Fläche als Zwischenlager. Aber wie sieht es mit dem Bedarf in VS aus?
Eine Karte auf der Webseite zeigt den Standort Villingen aber bereits an. Mehrfache Versuche der Kontaktaufnahme der Redaktion per E-Mail und Telefon scheitern.
Warum VS die Großstädte abhängt
Im Villinger Gewerbegebiet Vockenhausen existiert ein solches Angebot von Luna Self Storage aus Düsseldorf bereits. Geschäftsführer Luis Pedro Bosque ruft auf eine Anfrage per E-Mail hin zurück.
Düsseldorf, Köln, Frankfurt und Berlin nennt die Webseite als zukünftige Standorte. Warum steht die erste Lagerhalle des 2021 gegründeten Unternehmens ausgerechnet in Villingen? „Das ist Zufall“, sagt Bosque. „Wir suchen bundesweit nach Möglichkeiten und haben bereits andere Projekte am Laufen.“
So überzeugt die Stadt Investoren
In Vockenhausen habe er das richtige Grundstück am richtigen Ort gefunden. „Eine entwickelte Stadt mit der passenden Demografie.“ Luna Storage setze auf bestehende Immobilien. „Wir bauen diese um und geben ihnen neues Leben“, sagt der Geschäftsführer.

Personal gibt es allerdings keines vor Ort. Buchung und Zugang laufen über eine Handy-App, alles ist digitalisiert, die Flure sind videoüberwacht. In den Lagerräumen gibt es weder Strom noch Licht, sie seien bewusst simpel gehalten, sagt Bosque.

Er vergleicht Selfstorage mit Cloud-Speicher. „Wir bieten jetzt eben Speicher für Gegenstände, die daheim nur ab und zu gebraucht werden“, sagt der Unternehmer.
Wie werden die Lagerräume genutzt?
„Es gibt Ereignisse wie Scheidungen oder Umzüge, dann braucht es kurzfristige Lösungen“, erklärt Luis Pedro Bosque. „Oder im Todesfall müssen Omas Möbel vorübergehend untergestellt werden.“ Daher habe das auch nichts mit der Größe der Stadt zu tun.
Es gehe vielmehr um Urbanisierung. Und: „Wir spüren alle die Inflationsrate und jetzt werden verstärkt Häuser ohne Keller gebaut“, gibt er ein Beispiel.
Wie die IHK den Bedarf einschätzt
Das sieht auch Matthias Schanz so. „Selfstorage kommt bei uns jetzt verzögert an – mit langem Ö“, sagt er. Der Pressesprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwarzwald-Baar-Heuberg hält das Phänomen für eng verbunden mit dem Trend zu kleineren und Single-Wohnungen.
Neugründungen – vor allem Startups aus dem E-Commerce – spielten hingegen weniger eine Rolle. „Unsere Kundenexperten sagen uns: Wenn gegründet wird, dann eher von Zuhause aus.“ Wer daheim nicht genug Platz habe, miete sich eher in Coworking-Spaces ein. „Die sind ebenfalls im Kommen“, sagt Matthias Schanz.
Was den Trend Selfstorage antreibt
Durch die jüngsten Krisen gebe es verstärkt den Weg zurück zur Lagerhaltung. Davon werde der Selfstorage-Bereich aber weniger profitieren. Die klassische Industrie brauche höhere Quadratmeterzahlen.
Was der Ländliche Raum tatsächlich braucht
Philipp Hilsenbek ist Bereichsleiter Standortpolitik bei der IHK. „Im ländlichen Raum haben wir ganz andere Herausforderungen“, schränkt er ein. „Wir haben ja Leerstände und wer Platz sucht, hat schnell etwas gefunden als Staumöglichkeit oder für einen Pop-Up-Store.„ Allerdings bekomme auch er verstärkt Nachfragen nach Lagerflächen aus dem produzierenden Gewerbe.

Ob klein oder groß, Hilsenbek sieht einen steigenden Bedarf an Lagerfläche. Nach Berechnungen des Bundes werde das Transportaufkommen bis 2051 um die Hälfte zunehmen. Das betreffe alles, vom Päckchen bis zur Maschine. „Die Kapazität der Straßen ist aber beschränkt“, sagt der IHK-Bereichsleiter. „Und wenn ich nicht mehr just in time liefern kann, weil der Transport über dieses Nadelöhr länger dauert, muss ich vielleicht ein Zwischenlager aufbauen.“
Ist der Trend eine Bedrohung für Weilersbach?
Der Markt scheint noch nicht gesättigt zu sein. In Weilersbach hat ein auswärtiger Investor eine Bauanfrage gestellt. 130 Großgaragen auf 3000 Quadratmetern sowie 1500 Quadratmeter Lagerfläche im Obergeschoss sollten auf dem ehemaligen Gelände der Baufirma Eigeltinger entstehen.
Allerdings ist der Antrag laut Ortsvorsteherin Silke Lorke schon ein Jahr her, gehört habe sie seitdem nichts mehr. Der Ortschaftsrat habe das Projekt abgelehnt.
„Wir finden, das ist für unsere kleine Ortschaft zu groß“, sagt Lorke. Bedarf gebe es in Weilersbach selbst auch gar nicht. Im Ort gebe es dafür genug Platz, die Grundstücke seien großzügig.
Kurios: Weniger Konsum könnte der Branche nutzen
„Das Geschäftsmodell lässt sich automatisieren und skalieren“, erklärt Matthias Schanz, was den Reiz für Investoren ausmacht. Bei dem Thema gehe es auch um gesellschaftliche Fragen wie Konsumverzicht. „Wie wir zukünftig mit Besitz umgehen, wird darauf Auswirkungen haben.“