Das erste Kind von Franziska Haschke sollte ganz natürlich auf die Welt kommen. Über einen Kaiserschnitt hatte sie sich überhaupt keine Gedanken gemacht. „Es entbindet ja jeder normal.“ Doch es kam anders.
Das Fruchtwasser ist grün. Die Herztöne fallen ab. Plötzlich muss es schnell gehen. Notkaiserschnitt. Haschkes einziger Gedanke auf dem Weg in den OP: „Jetzt wird meinem Kind geholfen“. Florian kommt am 26. März 2013 um 20.30 Uhr zur Welt. Sieben Tage muss er noch auf der Kinderstation verbringen. Dann können sie nach Hause.
Wenn sich Franziska Haschke heute, neun Jahre später, auf dem Sofa ihres Hauses in VS-Zollhaus an die Geburt ihres ersten Sohnes erinnert, dann tut sie das nüchtern und auch glücklich. „Das Gefühl überwiegt, dem Kind geht es gut.“

In Deutschland wird inzwischen jedes dritte Kind per Kaiserschnitt geboren, das geht aus den jüngst veröffentlichten Daten des Statistischen Bundesamtes hervor. Nicht zuletzt von Hebammenverbänden regt sich häufig die Kritik, dass die vermeintlich hohe Kaiserschnittrate auf finanziellen Erwägungen der Kliniken beruht.
Kaiserschnitte in Deutschland
Was ist dran an dem Vorwurf und wie sieht die Praxis im Schwarzwald-Baar-Klinikum aus? Ein Besuch im Kreißsaal.
Eine normale Geburt hat mehr Vorteile
2500 Kinder kommen jährlich im Schwarzwald-Baar-Klinikum zur Welt. Mehr als jedes Dritte davon per Kaiserschnitt. 34 bis 37 Prozent, um genau zu sein. „Das ist nicht viel“, sagt Christoph Domschke, Chefarzt der Frauenklinik.

Er kennt natürlich das Argument, das Kliniken Kaiserschnitte eher mal zu früh durchführen, weil es dafür im Gegensatz zur normalen Geburt mehr Geld von der Krankenkasse gibt. „Das stimmt nicht“, sagt er dazu. „Für jeden Kaiserschnitt, den wir machen, können wir keine andere Operation durchführen. Das ist ökonomisch für ein Krankenhaus kein Vorteil.“
„Es gibt keinen Anreiz für uns, einen Kaiserschnitt durchzuführen, wenn er nicht nötig ist.“Christoph Domschke, Chefarzt Frauenklinik
Im Gegenteil: „Für uns ist es organisatorisch leichter, eine normale Geburt zu planen“, sagt Hebamme Melanie Kramer.

20 Minuten dauert ein Kaiserschnitt in der Regel. Benötigt wird dennoch ein komplettes OP-Team aus Ärzten, Anästhesisten, Kinderärzten, Hebammen sowie OP-Pflege und Neoantologie-Pflege.
Hinzukommt: Jeder Kaiserschnitt ist eine OP. Narben, längere Schmerzen, möglicherweise eine Wundheilungsstörung. All das sind die Nachteile für die Mutter bei einem Kaiserschnitt. Aber auch für das Kind gibt es Nachteile: „Die Kinder kommen schlapper raus, weil die Wehen und damit die Oxytocin-Ausschüttung fehlen“, sagt Kramer.
Am Ende entscheidet immer die Mutter
Der überwiegende Teil der Kaiserschnitte im Klinikum ist geplant; aufgrund medizinischer Anhaltspunkte. Also wenn beispielsweise das Kind in Schräglage liegt oder die Mutter bereits mehrere Kaiserschnitte hatte.
Oder eben ungeplant. Wenn beispielsweise die Herztöne des Kindes unter der Geburt schlechter werden oder es zu einer vorzeitigen Plazentalösung kommt.
Das letzte Wort hat aber immer die Mutter. Auch wenn es manchmal sehr schnell gehen muss. „Sie muss auf jeden Fall einwilligen“, sagt Domschke.
Ein weitaus kleinerer Teil sind Wunschkaiserschnitte. Wenn die Frau selbst, ohne medizinische Indikation, lieber einen Kaiserschnitt möchte. Für Domschke ist klar: „Ich schreibe einer Frau nicht vor, wie sie entbinden soll.“ Wenngleich er im Zweifel sicher zu einer normalen Geburt raten würde.

„Unser größtes Ziel ist ein gesundes Kind“, sagt er. „Das geht vor. Und die zufriedenen Eltern ergeben sich doch in der Regel aus dem gesunden Kind.“
Und dann kommt es doch wieder anders
So war es auch bei Franziska Haschke. Bei ihrem zweiten Kind wollte sie dann erneut eine natürliche Geburt. Doch wieder kommt es anders. Das Baby dreht sich nicht. Sie entscheidet sich für einen geplanten Kaiserschnitt. Das Risiko zu warten, ob es sich noch während der Geburt dreht, ist ihr zu groß. „Ich hab mich bewusst dafür entschieden. Das wollte ich mir und ihm nicht antun.“
Dieses Mal war sie emotional darauf vorbereitet. „Ich wusste was passiert.“ Julian kommt am 31. Juli 2015 in Zittau zur Welt. Dort kommt Haschke ursprünglich her. Dort kennt sie die Klinik. Dort wollte sie entbinden.
Die Sorge um die Bindung ist da
Anfangs, sagt sie, hatte sie Bedenken, dass die Bindung zum Kind eventuell nicht so stark sein würde, wenn es gleich nach der Geburt nicht zu ihr, sondern zum Vater kommt. Heute lächelt sie bei dem Gedanken. „Ich habe zu allen meinen Kindern eine gute Bindung.“
Ihr drittes Kind, Laura, kam dann tatsächlich mit einem von Beginn an geplanten Kaiserschnitt zur Welt. „Nach zwei Kaiserschnitten ist die Gefahr zu groß, das etwas reißt, während der Geburt“, sagt sie. Sie hat ihre Entscheidungen für die Kaiserschnitte nie bereut. „Ich habe immer zum Wohl des Kindes entschieden.“