Die Stolpersteine als Form des Erinnerns und Gedenkens an Opfer des NS-Regimes sind beschlossene Sache. Ein dritter Anlauf war vonnöten, doch der Gemeinderat hat der Aktion in Villingen-Schwenningen den Weg geebnet. Aber ist es damit getan? Die rege Beteiligung an der Podiumsdiskussion „Kulturpolitik – Erinnerungskultur“ des Vereins Pro Stolpersteine machte deutlich, dass nach wie vor Gesprächsbedarf besteht.

Rund 40 Interessenten folgten der Einladung des Vereins Pro Stolpersteine zur Podiumsdiskussion über Erinnerungskultur im Martin-Luther-Haus in Villingen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dekan Wolfgang Rüter-Ebel. Auf dem Podium: Michael Hütt, Friedemann Kawohl, Carla Mausch, Wendelin Renn und Franka Rößner.
Aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten die Teilnehmer den Begriff der Erinnerungskultur. So erläuterte Künstlerin, Steinbildhauerin und Kunsttherapeutin Carla Mausch, wie sie durch Kunst eine Brücke in die Gegenwart schlägt und Einladungen zu einem Erinnern auf der emotionalen Ebene schaffen möchte: „Kunst im öffentlichen Raum ist immer ein aufgeladenes Thema, sie soll das Gefühl ansprechen, aber darf auch nicht überfordern.“
Für Franka Rößner, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte Grafeneck bei Gomadingen, ist Erinnerungskultur auch immer mit dem Lernen aus der Vergangenheit verknüpft. Was soll man und was möchte man aus den NS-Taten lernen? Diese Frage müsse immer wieder neu und individuell verhandelt werden: „Die Aktualität darf auf keinen Fall im Mülleimer der Geschichte landen.“

Individuelles Erinnern ermöglichen laut Michael Hütt, Leiter der Abteilung Städtische Museen, nun auch die Stolpersteine in Villingen-Schwenningen. Die Qualität der Stolpersteine liege nicht zuletzt darin, dass man im Alltag, zum Beispiel auf dem Weg zum Bäcker, stolpert und erinnert wird.

Die Stolpersteine, die bewusst nicht im Fokus der Veranstaltung stehen sollten, wurden doch immer wieder zum Thema und warfen für Friedemann Kawohl, Vorsitzender der Abteilung Geschichte des Baarvereins, Fragen auf, die schließlich auch die Diskussion mit den Zuhörern initiierten: „Man muss sich bewusst Gedanken machen, was mit den verschiedenen Erinnerungsorten oder Kunstwerken in 30 Jahren passiert. Nicht alles kann erhalten werden, irgendwann muss umgestaltet, wiederverwertet oder entsorgt werden.“
Das Publikum reagierte dabei insbesondere auf die Vokabel „entsorgt“ und mehrere Stimmen machten deutlich, dass das Thema mehr denn je bewegen kann und soll. Wendelin Renn, der knapp 30 Jahre lang Galerieleiter in Villingen-Schwenningen war, brachte auf den Punkt: „Die Geschichte ist noch lange nicht aufgearbeitet.“