Ein bisschen anders hatte Friedrich Engelke sich das schon vorgestellt. Die dritte und vermutlich letzte Stolperstein-Verlegung in Villingen-Schwenningen Anfang November. Irgendwie mit mehr Unterstützung.
Beim letzten Mal habe es noch ein Treffen mit allen Ämtern gegeben, beim ersten Mal hatte die Stadt noch ein Drittel der Unterbringungskosten für die Angehörigen bezahlt. Etwa 1000 Euro waren das damals.
Dass die Stadt dieses Mal den Verein Pro Stolpersteine nicht finanziell unterstützen würde, war bereits im August klar. Darum rief Engelke, als Vorsitzender des Vereins, zu Spenden auf.
Dass er nun aber auch noch die Einladungen für den Empfang und die Verlegung selber schreiben soll, das habe ihn dann doch überrascht. Aus anderen Städten, sagt er, kenne er das anders.
Damals, als der Gemeinderat nach Jahren den Stolpersteinen zugestimmt hatte, wurde Engelke oft gefragt, ob er erleichtert sei. Er antwortete stets: „Ich schäme mich nicht mehr so sehr.“
Heute, drei Jahre später, sitzt er in seiner Küche in seinem Haus in Pfaffenweiler, rund zwei Wochen vor der letzten Stolpersteinverlegung, und sagt: „Ich möchte nicht wieder anfangen, mich zu schämen.“
Also schreibt er die Einladung nun einfach selbst. An die Fraktionsvorsitzenden zum Beispiel. Wenn er bei der Stadt nachfrage, sagt Engelke, betone diese immer wieder, dass sie ja den Rathaussaal zur Verfügung stelle. Und, da muss Engelke fast schon lachen: „Auch die Bestuhlung.“
Überrascht von Spendenaufkommen
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Über 10.000 Euro an Spendengeldern hat der Verein Pro Stolpersteine nach seinem Aufruf im August bekommen. Über 200 Einzelspenden waren es. „Ich war überrascht“, sagt Engelke. „Damit hatte ich nicht gerechnet.“
Mit den Spenden und den Rücklagen des Vereins können sie nun alle Kosten für die Flüge, Unterbringung und Verpflegung der insgesamt 20 Angehörigen decken, die unter anderem aus den USA, Israel oder Buenos Aires anreisen werden.
Und nicht nur Geld haben die Bürger angeboten. So werden acht der Angehörigen auch privat bei Villingern untergebracht.
Die letzten Vorbereitungen laufen
Mit den Technischen Diensten der Stadt ist Engelke diese Woche alle 13 Verlegestellen abgegangen. Elf davon in Villingen, zwei in Schwenningen. Insgesamt werden am 7. und 8. November 29 Stolpersteine verlegt.
In Summe liegen dann 69 Stolpersteine in Villingen und Schwenningen. „Es könnte sein, dass wir jemanden übersehen haben“, sagt Engelke. „Das wäre aber sehr eigenartig.“
Schließlich habe Heinz Lörcher mehr als akribisch recherchiert. „Wenn ein Mensch jüdischen Glaubens seine Füße in die Stadt gesetzt hat, dann hat Lörcher ihn in seiner Sammlung“, sagt Engelke.
Mit der letzten Verlegung ist auch das Ziel des Vereins erreicht. „Ich will den Verein auflösen“, sagt Engelke. Dem müssen die anderen etwa 50 Mitglieder jedoch erst noch zustimmen.
Und was ist mit seinem eigenen Ziel? Auf die Frage, ob er nicht auch ein wenig stolz sei, wenn dann der letzte der 69 Stolpersteine verlegt ist, sagt er: „Stolz bin ich nicht. Das ist kein Wesenszug von mir.“ Und nach einer etwas längeren Pause: „Ich werde das mit einer gewissen Beruhigung hinnehmen. Jetzt ist es gemacht.“
Einen Schlussstrich wird Engelke sowieso nie ziehen können. Manchmal, wenn er Passanten gebückt über den Stolpersteinen am Riettor stehen sieht, dann geht er zu ihnen. Und erzählt ihnen die Geschichten, die Schicksale. Er kennt sie schließlich alle. Hat sie abgespeichert in seinem Kopf. Für immer.