Eishockey: Das war und ist schon ein gewaltiger Schritt. Vom riesengroßen Berlin ins kleine, beschauliche Schwenningen. Und vom Deutschen Meister 2020/2021 zum aufstrebenden Außenseiter. John Ramage aber ist diesen Schritt mehr als gern gegangen, aus diversen Gründen.
„Das ist tatsächlich mehr das Deutschland, wie wir es uns vor unserem ersten Umzug nach Berlin vorgestellt haben“, sagt der Neuzugang der Wild Wings lachend. Nun ja, die deutsche Hauptstadt ist tatsächlich wohl eher nicht das, was sich ein Nordamerikaner als typisch für dieses Land vorstellt. „Nein, die meisten US-Amerikaner denken, dass es in Deutschland überall so ist wie in Bayern“, bestätigt John Ramage ein weitverbreitetes Klischee. „Wir haben hier ein wesentlich deutscheres Gefühl und darauf freuen wir uns wirklich.“
Geboren in Kanada, aufgewachsen in den USA
Denn Familie Ramage ist mittlerweile vierköpfig und liebt die Natur mehr als die Großstadt. Was vermutlich kein Wunder ist, wenn man zuhause in den USA in der Nähe von St. Louis wohnt, der eine Teil der Familie ursprünglich aus Kanada stammt und man nun zwei Jahre Berlin hinter sich hat. Der Neu-Schwenninger hat in der Tat zwei Pässe, den US-amerikanischen und den kanadischen, wurde in Mississauga vor den Toren Torontos geboren.
Doch schon früh zogen die Eltern in die USA nach St. Louis, wo Vater Rob als Eishockeyprofi beim NHL-Klub der „Blues“ engagiert war. So wuchs Sohn John in der Stadt am Mississippi auf, trat in die Fußstapfen des so erfolgreichen Vaters. Allerdings reichte es für den Junior nicht ganz für den Durchbruch in der besten Liga der Welt. Lediglich zwei NHL-Spiele für die Calgary Flames und die Columbus Blue Jackets stehen zu Buche, weshalb sich der Verteidiger vor zwei Jahren dazu entschied, nach Europa in die DEL zu wechseln. „Eishockey ist manchmal ein seltsamer Sport. Es war einfach nie der richtige Zeitpunkt, um in der NHL Fuß zu fassen. Aber ich bin dankbar für die beiden Spiele, die ich machen durfte“, trauert John Ramage der verpassten Chance nicht hinterher.
Nähe zur Natur überzeugt
Vielmehr schaute er bereits damals nach vorne, freute sich die Auslandserfahrungen noch in einem recht jungen Alter sammeln zu dürfen. Und so zog er mit Ehefrau Emily und Söhnchen Shea nach Berlin. „Es war ein ziemlicher Kulturschock. Aber auch das war eine tolle Erfahrung, gerade natürlich auch im letzten Jahr mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft“, berichtet der 30-Jährige. Zudem wurde im Winter 2020 Töchterchen Sloan in der Stadt an der Spree geboren. „Ich bin ein absoluter Familienmensch. Gerade deshalb hat sich der Wechsel nach Schwenningen mehr als richtig angefühlt. Das passt einfach besser zu uns“, so Ramage. Und so fühlen sich Frau und Kinder in der neuen Wohnung mitten in Schwenningen schon so richtig wohl. „Sie lieben die Umgebung hier, die vielen Bäume. Wir genießen es, jeden Tag etwas Neues zu entdecken“, berichtet der Papa.
Aber auch sportlich passt es offenbar richtig gut. Bereits vor zwei Jahren wurde der Zwei-Wege-Verteidiger auf die Wild Wings aufmerksam, registrierte, was sich am Neckarursprung veränderte. „Als Niklas Sundblad als Trainer übernommen hatte, konnte man sehen, was sich entwickelt. Ich hatte zuvor schon mit den Eisbären gegen Schwenningen gespielt und nach dem Trainerwechsel war es eine völlig andere Mannschaft“, erzählt der Rechtsschütze und zeigt sich extrem gut informiert. „Ich fand das sehr spannend. Letztes Jahr konnte man dann das Potenzial noch deutlicher sehen und es hat nur auf Grund von Verletzungen und des kurzzeitigen Ausfalls von Torwart Joakim Eriksson nicht für die Playoffs gereicht.“
Vorfreude auf das neue Team
Nun ist der 183 Zentimeter große und 86 Kilogramm schwere Defensivspieler also Teil dieser spannenden Entwicklung. Was denn auch ein weiterer Grund für seinen Wechsel vom amtierenden Deutschen Meister zum langjährigen „Kellerkind“ ist. „Ich möchte dazu beitragen, dass es dieses Jahr zu deutlich mehr reicht. Die Verantwortlichen haben hier einen sehr guten Job gemacht und eine gute Mannschaft auf die Beine gestellt“, stellt der „Neu-Schwan“ klar.
Verteidiger mit Offensivdrang
Helfen sollen dabei die defensiven, aber auch die offensiven Fähigkeiten der neuen Nummer 55 der Wild Wings. „Ich habe in Berlin etwas defensiver gespielt und das war für mich auch okay. Aber ich freue mich schon darauf, mich hier wieder etwas häufiger in den Angriff einschalten zu dürfen“, umreißt Ramage seine zukünftige Aufgabe im neuen Team.
Ein Team, dass er im Übrigen schon absolut klasse findet. Mit Kapitän Travis Turnbull hat er einen Jugendfreund an seiner Seite, beide Familien leben in den USA nur fünf Minuten voneinander entfernt. „Sonst kannte ich niemanden. Aber ich sehe jetzt schon, wie eng alle miteinander sind. Das hilft sehr, um erfolgreich zu sein.“ Und so steckt John Ramage das Ziel ordentlich hoch. „Warum sollen wir nicht Meister werden? Man muss sich hohe Ziele setzen. Und so heißt das Ziel erst einmal Meisterschaft. Vor allem aber sollte man am Ende des Jahres mit Stolz auf das Erreichte zurückblicken können, das ist das Wichtigste.“