Die Schweiz und die Europäische Union (EU): Das ist eine lange und komplizierte Beziehung mit vielen Auf und Abs. Nach jahrelangen Verhandlungen gibt es jetzt eine Einigung zwischen beiden Partnern über eine neue und engere Partnerschaft. Diese wurde Ende 2024 geschlossen. Knackpunkte sind nach wie vor unter anderem der Zugang der Schweiz zum europäischen Binnenmarkt, die Freizügigkeit ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und auch die Wahrung der hohen Schweizer Lohn- und Sozialstandards.
Dass beide Seiten vom jetzt Ausgehandelten profitieren können, war die Botschaft des Besuchs des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Rheinfelden/Schweiz. Dieser hatte sich tags davor in Bern mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Ignazio Cassis getroffen und ausgetauscht. Schon in der Bundeshauptstadt wurden die ausgezeichneten Beziehungen zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg betont und wie wichtig es jetzt sei, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU auf eine neue Grundlage zu stellen.

Und das war auch die Botschaft des Treffens zwischen Kretschmann und den politischen Vertretern der Kantone Aargau und Basel-Stadt in Rheinfelden, das mit seiner traditionell engen Bindung zur badischen Schwesterstadt als Symbol gelebter Nachbarschaft am Hochrhein gilt.
Kretschmann traf am Hochrhein mit Dieter Egli, Landammann des Kantons Aargau und Gastgeber des Treffens, Markus Dieth, Regierungsrat des Kantons Aargau und Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen, sowie mit Conradin Cramer, Regierungspräsident von Basel-Stadt und derzeit Vorsitzender der trinationalen deutsch-französisch-schweizerischen Oberrheinkonferenz zusammen.

Basel-Stadt, Aargau und weitere Nordwestschweizer Kantone sowie zwei baden-württembergische Regierungsbezirke arbeiten in diesem Gremium eng zusammen, das am Tag von Kretschmanns Besuch ebenso in Rheinfelden tagte.
72 Kilometer Grenze
Die Botschaft: Gerade die deutsch-schweizerische Region, die sich als grenzüberschreitender Wirtschafts- und Lebensraum versteht und historisch und kulturell so eng zusammengewachsen ist, profitiert davon. „Allein der Aargau grenzt auf einer Länge von 72 Kilometern an Baden-Württemberg und damit an die EU an“, betonte Egli.
15.000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger kämen täglich über den Rhein, um im Aargau arbeiten zu gehen. Waren im Wert von sieben Milliarden Franken exportiere der Aargau in die EU, so Egli. Wie eng auch Basel mit dem Bundesland und der EU verbunden ist, hob Cramer hervor. Die Regio Basel brauche offene Grenzen, die freie Zirkulation von Menschen und Waren und stabile und geregelte Beziehungen, warb der Regierungspräsident.
Das Volk mitnehmen
Dieth sieht das als Aargauer Regierungsrat genauso. Als Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen aber ging er auch darauf ein, wie entscheidend es ist, die Schweizer Stimmbürgerschaft ebenso von den Vorzügen des neuen Vertragswerks zu überzeugen. Da werde in den kommenden Wochen und Monaten viel Arbeit auf die Verantwortlichen zukommen. Denn in der Konsensdemokratie der Schweiz habe ja immer das Volk das letzte Wort.
Dieth gab sich zuversichtlich, dass es gelingt, das Volk mitzunehmen. Er sagte aber auch: „Die Schweiz besteht nun einmal aus Kantonen und so müssen diese auch gehört werden.“ Und: „Mögliche Volksabstimmungen gegen das neue Vertragswerk finden immer auf kantonaler Ebene statt.“ Ziel sei „ein ausgewogenes Gesamtpaket“, dem die Bevölkerung zustimmen könne. Die Kantone würden sich in den kommenden Monaten intensiv mit den Verhandlungsergebnissen und der innenpolitischen Umsetzung auseinandersetzen, kündigte Dieth an.
Stabile Beziehungen
Kretschmann betonte die hohe Bedeutung stabiler Beziehungen zur Schweiz gerade in Zeiten internationaler Unsicherheit und einer Welt „im dramatischen Wandel“. Dass die Vertreter der EU bei den Verhandlungen von den Schweizern „echt genervt“ gewesen seien, zeige, wie hart und engagiert diese um ihre Interessen zu kämpfen vermochten.
Kretschmann sprach von Verhandlungen „auf Augenhöhe“. 60.000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus dem ganzen Land, immense Handels- und Warenströme, Kooperationen in Wissenschaft und Forschung – darauf ging Kretschmann vor allem ein. Und auch er unterstrich, dass er darauf hoffe, dass das Schweizer Stimmvolk mitziehe. „Die zukunftsfeste Weiterentwicklung der EU-Schweiz-Beziehungen ist mir persönlich und politisch ein sehr wichtiges Anliegen. Denn die Schweiz ist mehr als ein Nachbar für uns. Wir sind Freunde, Partner, Gleichgesinnte. Mit gemeinsamen Werten und Zielen“, sagte der Ministerpräsident.