Florian Schwarz ist kein Unbekannter in der Konstanzer Kunst-Szene. Im Gegenteil: Dem 1979 in Konstanz geborenen und im Radolfzeller Stadtteil Stahringen lebenden Künstler ist es gelungen, sich mit aufwändigen, in verschiedensten Teilen der Welt entstandenen Foto-Projekten über die Bodensee-Region hinaus einen Namen zu machen.

Zahlreiche Ausstellungen, Stipendien und Preise – darunter der Konstanzer Förderpreis für junge Künstler – zeugen von seinem Schaffen, dass sich auf Menschen in besonderen, oft randständigen Lebenssituationen konzentriert.

An der Grenze wird der fehlende Pass zum Problem

Seit dem 11. Juni ist an der Schweizer Grenze sein neuestes Projekt zu sehen: „Imagine“, eine künstlerische Recherche zum Thema Staatenlosigkeit. Der Grenzübergang Kreuzlinger Tor bietet sich für das Thema an, denn die Staatenlosigkeit manifestiert sich nicht selten mit einem Grenzübertritt und wird den Betroffenen oft erst mit dem Eintritt in ein anderes Land als eigenständiges Problem bewusst.

Die wenigsten wissen, was eigentlich Staatenlosigkeit genau heißt, wie sie entsteht und was die Konsequenzen für die Betroffenen sind. Menschen verlieren ihre Staatsangehörigkeit meist als Folge internationaler Konflikte. Die bekannteste und auch größte Gruppe dürften die Palästinenser sein, die nicht auf dem Gebiet Israels leben.

Nowras wurde in Syrien geboren, sein Großvater aber war Palästinenser.
Nowras wurde in Syrien geboren, sein Großvater aber war Palästinenser. | Bild: Florian Schwarz

Schwarz hat 15 Stelen an die Grenze gestellt, die jede ein individuelles Schicksal darstellen. Die Personen leben in verschiedenen europäischen Ländern. Den Kontakt stellte die Organisation „Statefree“ her, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Staatenlose zusammenzuführen und eine Öffentlichkeit für sie herzustellen.

Jede Stele zeigt ein eindrückliches Porträt zusammen mit einem Text, den Schwarz aus intensiven Gesprächen mit der Person kondensiert hat. Auf der Rückseite der Stele sieht man ein weiteres einfühlsames Porträt der Person, überlagert von einem mosaikartigen Raster aus vielen, sich wiederholenden Aufnahmen, die Hände und darin liegende Dokumente abbilden.

Dieses Porträt von Christina wird von einem Raster aus sich wiederholenden Aufnahmen überlagert, die Hände und darin liegende Dokumente ...
Dieses Porträt von Christina wird von einem Raster aus sich wiederholenden Aufnahmen überlagert, die Hände und darin liegende Dokumente abbilden. | Bild: Florian Schwarz

Wer die Texte aufmerksam liest, erfährt, wie unterschiedlich die Einzelschicksale sind. Thematisiert wird die fehlende Identität, der Verlust der Heimat, die Trennung von der Familie, die Suche nach dem Ankommen, das Getriebensein oder die Situation als Bittsteller.

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Von der Statefree-Gründerin Christiana Bukalo, deren Eltern aus Westafrika stammen und die vor 27 Jahren in Deutschland geboren wurde, erfahren wir, dass sie bisher keine Identitätspapiere erhalten hat, obwohl Deutschland sich laut Staatsangehörigkeitsgesetz verpflichtet hat, Staatenlose einzubürgern, insbesondere deren Kinder.

Sein Ziel: Dialoge anbahnen

Florian Schwarz gelingt es, uns die 15 Menschen nahezubringen. Mit Fotografie gesellschaftspolitische Fragen aufzuwerfen und Dialoge anzubahnen, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Das kann man bis zum 10. Juli auch in der Galerie Leica in Konstanz sehen. Dort sind einige Episoden aus Schwarz‘ ambitioniertem Werkzyklus „nicht anfang und nicht ende“ zur Migrationsbewegung in Europa ausgestellt.

Die Ausstellung „Imagine“ ist bis zum 29. Juli 2022 im Zollamt Konstanz-Kreuzlinger Tor in der Kreuzlinger Straße 53 in Konstanz zu sehen.