Stefan Stahl

Herr Enders, wer hat Sie eigentlich „Major Tom“ getauft?

Das war der frühere Verteidigungsminister Peter Struck. Ein Mann, vom Typ rau, aber herzlich und bei der Truppe sehr beliebt. Unser Verhältnis war anfänglich etwas schwierig, weil ihm jemand gesagt hatte, er solle sich Rüstungsmanager vom Leib halten. Aber dann wurde es sehr vertrauensvoll.

Nervt Sie der Name „Major Tom“?

Überhaupt nicht. Passt doch – und ist ja fast schon ein Kosename.

Wie wäre es mit einem Flug von „Major Tom“ zum Mond? Sie sind ja ein wagemutiger Mann.

Ich verdiene ja gutes Geld, aber einen Flug zum Mond kann ich mir als Privatmann nicht leisten. Leider. Generell aber ist Raumfahrt wieder richtig in. Wir Europäer müssen allerdings aufpassen, nicht hoffnungslos gegenüber Amerikanern und Chinesen zurückzufallen. In den USA gibt es eine neue Generation von Raumfahrt-Pionieren wie Elon Musk und Jeff Bezos, die mit viel Staatsgeld, aber auch mit eigenen Finanzmitteln ins All drängen. Davon dürfen wir uns nicht abhängen lassen.

Springen Sie auch mit 60 noch mit dem Fallschirm ab?

Solange ich noch einigermaßen knackig bin und es mir Spaß macht, werde ich sicher weiter springen, ja. Fallschirmspringen ist hervorragend dazu geeignet, Alltagssorgen hinter sich beziehungsweise unter sich zu lassen, sich ganz zu konzentrieren auf überlebenswichtige Abläufe und ein wenig auch, um Wagemut zu trainieren.

Deutschland und Frankreich überlegen, gemeinsam ein Kampfflugzeug-System zu bauen. Sie können sich vorstellen, dass auch die Briten mitmachen. Wird das durch den Brexit zunichtegemacht?

Die Briten verstehen viel vom militärischen Flugzeugbau. Wir haben mit ihnen sehr gut beim Eurofighter und Tornado zusammengearbeitet. Die Auffassung, man könne mit den Briten keine Kampfflugzeuge mehr bauen, wenn sie aus der EU aussteigen, ist kompletter Unfug. Im Gegenteil: Gerade wenn die Briten aus der EU aussteigen, sollten beide Seiten zumindest in der Außen- und Sicherheitspolitik und auch bei militärischen Projekten weiter eng zusammenarbeiten.

Welche Konsequenzen hätte der Brexit für Airbus?

Wir sehen den Brexit mit Sorge, er würde uns hart treffen. Vergessen Sie nicht: Wir sind auch ein britisches Unternehmen. Airbus ist das größte zivile Luftfahrtunternehmen in Großbritannien. Die Flügel aller Airbus-Flugzeuge werden in Großbritannien zusammengebaut und da wir uns in einem Produktionshochlauf befinden, müssen wir unsere Lieferkette schützen. Unser Fokus liegt dementsprechend darauf, die Folgen für uns und unsere vielen britischen Zulieferer in einem beherrschbaren Rahmen zu halten. Das hat seinen Preis, kostet Geld und stärkt weiß Gott nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit. Aber wir werden auch das am Ende schultern, da bin ich sicher.

Mit der Übernahme der C-Series der kanadischen Firma Bombardier, also Flugzeugen für 100 bis 150 Passagiere, haben Sie einen Coup gelandet. War das Ihr größter Erfolg?

Wir haben diese Chance beim Schopfe gepackt, als sie sich im vergangenen Jahr plötzlich auftat. Das war eine tolle Teamleistung von Airbus und darauf bin ich in der Tat stolz. Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass uns die Arroganz unseres großen US-Konkurrenten gegenüber den Kanadiern geholfen hat. Was nun meine größten Erfolge anbetrifft, in meiner eigenen Einschätzung, so lässt sich das mit ein paar Stichworten kurz beschreiben: Entstaatlichung, Internationalisierung, Integration, Digitalisierung, gepaart mit einer guten Produktstrategie – da haben wir bei Airbus im vergangenen Jahrzehnt einiges erreicht.

Doch Ihre berufliche Karriere war auch von Niederlagen gekennzeichnet. Sie scheiterten mit dem Versuch eines Zusammenschlusses von Airbus und dem britischen Unternehmen BAE Systems. Tut das immer noch weh? Kanzlerin Merkel soll hier ja böse dazwischengegrätscht sein.

Das war für mich persönlich sicher die größte Niederlage in meinen 18 Jahren im Vorstand von Airbus. Der Deal hätte unser Verteidigungsgeschäft erheblich gestärkt, auch in Deutschland. Die Bundesregierung wollte dies aber partout nicht so sehen, ihr ging es offensichtlich mehr um kurzfristige und politische Erwägungen. Es war in der Tat die Bundesregierung mit Frau Merkel an der Spitze, die den Zusammenschluss verhindert hat. Die Ironie der Geschichte aber war: Die Fusion war zwar gescheitert, doch es gelang uns, den Staatseinfluss Frankreichs und Deutschlands auf Airbus zurückzudrängen und zu verhindern, dass aus dem Konzern ein deutsch-französisches Staats-Joint-Venture wurde – und zwar mit genau der neuen Unternehmensverfassung, die für den Zusammenschluss mit BAE Systems konzipiert worden war. Übrigens: Ein junger französischer Regierungsberater namens Emmanuel Macron war uns dabei sehr behilflich.

Können Sie Niederlagen wegstecken?

Natürlich ärgere ich mich über Niederlagen. Aber dann muss man sich irgendwann schütteln und neue Ziele setzen. Ich kann bestimmt nicht klagen. Ich hatte in meinem Berufsleben weiß Gott viel Fortune. Die Niederlagen halten sich in Grenzen.

Was hat Sie geprägt in Ihrem Leben?

Mein Elternhaus. Ich bin in einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Vater hatte eine Schäferei. Ich war das älteste von vier Kindern und musste kräftig mit anpacken. Das hat mir nicht geschadet. Mein Elternhaus war christlich geprägt. Mir wurden Werte wie Fairness, Geradlinigkeit, Fleiß und Disziplin mitgegeben. Das war eine gute Basis für mein Berufsleben.

Was kommt für Sie nach Airbus?

Das lasse ich in aller Ruhe auf mich zukommen. So viel kann ich Ihnen aber verraten: In der Luft- und Raumfahrtindustrie werden Sie mich nicht mehr antreffen. 28 Jahre sind genug. Ich freue mich auch darauf, mehr Freizeit und mehr Zeit für meine Familie zu haben.

Wie sieht das Fliegen der Zukunft aus?

Fliegen muss noch effizienter und vor allem noch umweltfreundlicher werden. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, mit Partnern wie Siemens und Rolls-Royce. Wir investieren hier auch in großem Umfang. Außerdem bin ich überzeugt: Das Zeitalter der zunehmend autonomen Flugzeuge und Flugtaxis ist angebrochen. Das Fliegen ohne menschlichen Piloten wird in Schritten erfolgen, und nicht quasi über Nacht. Wenn wir unseren Kunden, den Zulassungsbehörden und den Passagieren in nicht allzu ferner Zukunft zeigen können, dass autonome, in Zukunft auch auf künstlicher Intelligenz basierte Piloten auf hunderttausende Stunden Flugerfahrung zurückgreifen können, wird das Vertrauen in diese autonom fliegenden Flugzeuge wachsen. Im militärischen Bereich wird das autonome Fliegen früher Einzug halten. Kurzum: Wir befinden uns mitten in der dritten Luft- und Raumfahrtrevolution.

Fragen: Stefan Stahl