Wie die Nachwelt eines Tages vom eben verstorbenen Papst denken wird, ist offen. Sie wird das regeln nach Grundsätzen, die heute noch nicht absehbar sind. Auch das fix auf den Markt gebrachte Buch seines Privatsekretärs Georg Gänswein wird das Bild des Papstes nicht festlegen können – das ist Sache von anderen.

Eines steht für das Vermächtnis von Benedikt XVI. freilich fest: Er war ein Gelehrter auf dem Papstthron, ein Professor, der das Lehren und Schreiben auch in seinem verzehrenden Amt nicht lassen konnte und wollte.

Prägende Texte in einem Buch

Seinem Hausverlag Herder hielt er bis zu seinem Tod am Silvestertag 2022 die Treue, und dieser revanchiert sich nun mit einer Art „Best of“, in dem die prägenden Texte gebündelt werden.

1956 unterschrieb ein damals noch unbekannter Dozent der Theologie seinen ersten Vertrag im Verlag Herder. Er sollte damals zwei kleine Artikel für ein großes Lexikon beisteuern.

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Aus der spontanen Mitarbeit ergab sich eine lebenslange Partnerschaft zwischen Joseph Ratzinger und dem Freiburger Verlag und damit auch zwischen Bayern und Baden. Der Professor hielt sich immer wieder im Erzbistum auf – zuletzt als Besucher in der weißen Soutane des Papstes, als er 2011 als erster Pontifex überhaupt Freiburg und sein Münster besuchte.

Gute Auswahl

Dem Herausgeber Manuel Herder ist eine glückliche Auswahl gelungen. Neben erbauliche Texten und wichtigen Stellen aus dem gründlichen Jesus-Buch sind auch zentrale Reden des hohen Besuchers abgedruckt. Auch die Regensburger Rede von 2006 fehlt nicht – jene Ansprache, die er in Bayern an seiner ehemaligen Universität hielt und die damals hart kritisiert wurde, ihn gar in die Nähe des Islamfeindes rückte.

Wer die Rede heute liest, wundert sich über das desaströse Echo damals. Die Rede versteht sich als kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen und mit dem fremdem Glauben. Gegen Muslime ist sie mitnichten gerichtet, es sei denn, man liest das textwidrig hinein.

Ein Abschnitt fehlt

Wer sich noch einmal mit dem Leben und vor allem dem Werk des bayrischen Professors befassen will, ist mit dieser Auswahl gut bedient. Sein badischer Hausverlag kann hier nochmals aus dem Vollen schöpfen.

Nur einen besonders spannenden Ausschnitt aus Ratzingers Denkerleben kann dieser Band nicht bieten: Die beiden ausführlichen Gesprächsbücher, für die der Journalist Peter Seewald den damaligen Kardinal Ratzinger traf („Das Salz der Erde“ und „Das Licht der Welt“). Sie sind an anderem Ort erschienen. Das schmälert den Stellenwert der Schlüsseltexte aber nicht, die einen soliden Überblick über die Welt des Papst-Professors bieten.

„Der Papst der Bücher. Schlüsseltexte zum Denken von Benedikt XVI.“ Herder Verlag Freiburg, 329 Seiten, 28 Euro.