Mehr als drei Jahrzehnte leitete Christa Bartsch die Jugendkunstschule in Meersburg. Doch unter diesem Namen kennt sie eigentlich keiner der über 22.000 Schüler und 619 Studierenden, welche sie in der Zeit begleitet hat. Unter Dozenten und Schülern war sie nur unter ihrem Spitznamen Kiki bekannt. „Der Name begleitet mich seit meiner Kindheit und keiner weiß mehr genau, wie es dazu kam“, sagt sie beim Gespräch auf der heimischen Terrasse. Ihr Abschied von der Jugendkunstschule war coronabedingt ein recht leiser. Das habe sie schon ein bisschen traurig gemacht.
Zwei Wochen lang ständiges Abschied nehmen
„Eigentlich war es zwei Wochen lang ein ständiges Abschied nehmen“, beschreibt sie. Jeder habe einzeln in ihrem Büro vorbeigeschaut, um ihr alles Gute für den Ruhestand zu wünschen. Doch Künstler sind bekanntlich kreativ. So markierte die Studentengruppe des aktuellen Jahrgangs „Vorstudium Gestaltung“ an ihrem letzten Arbeitstag den Platz vor der Jugendkunstschule mit Hula-Hoop-Reifen, um Abstand zu wahren. Ein Reifen in der Mitte blieb neben dem gestalteten Abschiedsplakat für die Scheidende frei. „Das war eine schöne Überraschung“, sagt Bartsch fast ein wenig wehmütig.

Was sie nicht vermisst? „Nie wieder Jugendherberge“
Doch sie genießt die freien Tage seit ihrem offiziellen Arbeitsende am 1. April. „Nie wieder Jugendherberge“, sagt sie erleichtert. Seit 1997 fuhr sie jährlich mit den Studierenden nach Venedig zur Kunst- und Architektur-Biennale – Übernachtung im Mehrbettzimmer inklusive. „Wenn Reisen wieder möglich sind, dann werde ich gern wieder zur Biennale fahren, aber dann ins Hotel“, gibt sie lachend zu. Gern würde sie dann mit dem Motorrad durch Italien fahren. Ein Hobby, das in der arbeitsreichen Zeit zu kurz gekommen sei. Kiki Bartsch war nicht nur für die Organisation und Verwaltung zuständig, sondern hat vor Beginn der Sommerferien auch immer mit Hand angelegt, wenn es hieß zu renovieren, Decke und Wände zu streichen.
Langweilig sei es nie gewesen, meint Bartsch. Die Zeit sei ihr auch gar nicht so lang vorgekommen. Jedes Jahr kamen neue Schüler und neue Studenten. „Irgendwie war jeder Jahrgang anders“, sagt sie rückblickend. „Der Umgang war immer sehr solidarisch und familiär.“ Es habe auch keine Konkurrenzkämpfe gegeben. In den Anfangsjahren seien die Schüler sehr motiviert gewesen. „Da hatten wir immer mehr Bewerber als Plätze.“
Jugendkunstschule 1984 als eine von elf Modellen im Land gegründet
1984 wurde die Jugendkunstschule als erste von insgesamt elf Modellen in Baden-Württemberg gegründet. Der damalige Ministerpräsident Lothar Späth, kannte das Konzept aus Nordrhein-Westfalen und wollte die Schulen auch im Ländle etablieren. „Rudolf Landwehr, der zu der Zeit Bürgermeister war, war Gründungsmitglied“, erläuter Bartsch die Schulhistorie. Mittlerweile gebe es etwa 40 Jugendkunstschulen in Baden-Württemberg. „Die jetzigen Studenten des Vorstudiums sind durch das G8 ein Jahr jünger und das merkt man“, meint die Diplom-Pädagogin. Viele seien noch in der Orientierungsphase.
In 32 Jahren drei Landräte als Chefs und fünf Bürgermeister
In den 32 Jahren habe sie drei Landräte als Vorgesetzte gehabt und von allen Vertrauen und Ermutigung erfahren. „Ich bin da echt dankbar.“ Auch die fünf Bürgermeister, die in diesem Zeitraum in Meersburg wirkten, hätten die Schule immer unterstützt, zum Beispiel bei Projekten wie den Bildern in der Unterführung, Ausstellungen im Neuen Schloss oder beim Aufstellen der Landespyramide im Hafen.
Prinzessin und Tatort-Kommissarin zu Besuch
Auch Staatsbesuch hätten sie in der Greth gehabt, dem Gebäude, in dem die Jugendkunstschule ihr Zuhause hat. „Prinzessin Sophie von und zu Liechtenstein war mit Margit Fischer, der Frau des ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten, und mit Eva Luise Köhler, der Frau des ehemaligen deutschen Bundespräsidenten, zu Besuch“, erinnert sie sich schmunzelnd an ein Foto vor einer Fahne mit einer Aktmalerei. Das Tatort-Team um Eva Mattes habe die Räume der Kunstschule als Statisten-Café genutzt.
Zu vielen ihrer ehemaligen Studenten – auch aus der Anfangszeit – hat sie noch Kontakt. Die kommen dann heute mit ihren eigenen Kindern vorbei. Einige hat es als Künstler oder Designer in die weite Welt verschlagen, andere sind als Kunsterzieher im Kreis geblieben. „Es hat Spaß gemacht“, resümiert Bartsch.
Neue Leiterin Anna Blank: „Ich fühle mich willkommen“
Anna Blank, die neue Leiterin der Jugendkunstschule, freut sich auf die neuen Bereiche, die vor ihr liegen. „Nach der Zeit an der Universität habe ich etwas Neues gesucht“, sagt sie. Vor gut einem Jahr habe sie die sichere Stelle dort aufgeben und als freiberufliche Trainerin gearbeitet, und das zu Beginn der Corona-Zeit. Als ihr Mann ihr von der Stellenausschreibung erzählte, habe sie nicht lange gezögert, sich beworben und unter mehreren Bewerben den Zuschlag erhalten.
Dankbar für gut eingespieltes Team
„Ich wurde hier sehr gut aufgenommen“, erzählt die quirlige Frau. „Das Dozenten-Team ist gut eingespielt und Frau Eisele, die Sekretärin, ist das wandelnde Gedächtnis des Hauses“, beschreibt sie ihre Erfahrungen des ersten Monats. Ihre Vorgängerin Kiki Bartsch habe ihr alle wichtigen Ansprechpartner vorgestellt und so fühle sie sich sehr willkommen.
Was plant sie zunächst? „Erst mal beobachten“
Große Veränderungen plane sie nicht. „Da nutze ich die Methoden einer Kulturanthropologin und beobachte erst mal“, sagt sie lachend. „Wir planen gerade einen Kurs für Tanztheater“, führt sie ein neues Angebot auf. Darüber hinaus gebe es einige Anfragen für Projekte und Kooperationen, aber durch Corona sei alles noch hypothetisch.
Sie will „den anderen den Rücken frei halten“
Sie sehe ihren Platz in der Verwaltung und im Management, um „den anderen den Rücken frei zuhalten.“ Selbst sei sie keine Künstlerin, obwohl sie in jüngeren Jahren gern Fotografin geworden wäre. Ehrenamtlich habe sie sich auf verschiedenen Ebenen mit der Kunst beschäftigt. Zudem habe sie eine Zusatzausbildung im Coaching.
Keine elitäre Einrichtung, sondern offen für alle
Eigentlich habe sie viel an den Schnittstellen zu der Kunst gearbeitet. In ihrer Zeit in Sarajevo habe sie mit Künstlern geforscht und sie sieht in der Kunst eine besondere Bedeutung. „Alle Menschen sind auf eine Art kulturschaffend und kulturgeprägt“, lautet ihre Überzeugung. Und so freue sie sich, an einem Ort zu arbeiten, wo junge Menschen sich ausprobieren können. So schätze sie neben der besonderen Atmosphäre, dass die Kunstschule keine elitäre Einrichtung sei, sondern ein niederschwelliges Angebot biete, welches offen für alle sei.