Die ehrenamtliche Aktion „Lebensmittelhilfe“ sammelt seit dem Frühjahr 2020 Dinge des täglichen Bedarfs und verteilt sie an bedürftige Meersburger. Dafür erhält Initiatorin Bärbel Endress nun den mit 1500 Euro dotierten Förderpreis bürgerschaftliches Engagement 2021 im Bodenseekreis, den ihr Landrat Lothar Wölfle am 6. Dezember überreichen wird. Endress sagte dem SÜDKURIER, sie freue sich sehr über die Anerkennung. Das Preisgeld werde natürlich ins Hilfsprojekt fließen.
Die Lebensmittelaktion sei angesichts des zweiten Corona-Winters und der steigenden Teuerungsrate weiterhin nötig. Das Kern-Organisationsteam Endress, Thomas Mackowiak und Franziska Trunz will sie deshalb unbedingt fortsetzen, sucht dafür aber weitere Unterstützer. „Wir machen‘s seit anderthalb Jahren, sind jeden Donnerstag im Einsatz“, so Mackowiak. Man wünsche sich etwas Entlastung.
Seit Mai unterstützt zwar die Spitalverwaltung die Ehrenamtlichen mit insgesamt acht Wochenstunden an Arbeitskraft. Und aus den Reihen der katholischen Pfarrgemeinde, an die sich das Team gewandt hatte, meldeten sich acht Interessierte, mit denen man sich demnächst treffen werde. Doch man sei an weiteren potentiellen Helfern interessiert, um möglichst breit und verlässlich aufgestellt zu sein.
Spitalfonds müsste Stiftungszweck anpassen, um mehr zu helfen
Der Spitalfonds jedenfalls kann laut dessen Verwalter Matthias Engler der Hilfsaktion personell maximal mit acht Wochenstunden unter die Arme greifen. „Mehr geht nicht“, betont Engler. Denn diese Aufgabe entspreche nicht dem Stiftungszweck des Spitalfonds, die in der Unterstützung des Altenpflegeheims bestehe. Wollte man den Stiftungszweck erweitern, wäre eine Satzungsänderung nötig. „Dann müsste man die Form einer Bürgerstiftung entwickeln“, so Engler. Doch das sei leichter gesagt als getan. Ihm sei es wichtig, mit den Ehrenamtlichen nochmal ins Gespräch zu kommen und zu überlegen, wie man sich vernetzen könne.
Er halte die Lebensmittelaktion für gut, versichert Engler. Aber solche zusätzlichen Projekte zergliederten auch die Struktur der Hilfsangebote, die sich dann teilweise überlagerten, zumal ja etwa die Tafeln wieder geöffnet hätten.
Zwei Drittel der Kunden kommen zu Fuß oder mit dem Fahrrad
Bärbel Endress berichtet aber: „Zwei Drittel unserer Kunden kommen zu Fuß oder mit dem Rad.“ Die gelangten nur schwer nach Überlingen oder Markdorf, wo die nächstgelegenen Tafeln sind. Man habe jede Woche zehn bis 15 regelmäßige Kunden, darunter etliche Neuzugänge, ergänzt Mackowiak. „Der Bedarf ist nach wie vor da und es wird ja auch alles teurer.“
Wenn ein Brötchen für 45 Cent beim Bäcker finanziell nicht drin ist
Kundin Waltraud G. sagt: „Ein Brötchen für 45 Cent beim Bäcker, das ist nicht drin.“ Sie kommt regelmäßig zur Lebensmittelausgabe in den Ratskeller. Die 71-jährige Witwe erzählt, sie habe einmal ein gutbürgerliches Leben geführt. Doch nach diversen Schicksalsschlägen lebe sie nun von Grundsicherung. Nach Abzug der Fixkosten habe sie 252 Euro übrig. Da helfe jeder Cent, den sie spare, auch für an sich günstige Grundnahrungsmittel wie Zucker, Essig und Öl, die sie gerne mitnimmt. An diesem Tag freut sie sich besonders über den frischen Rotkohl, den sie ergattert hat.

Privatsphäre ist bei der Hilfsaktion im Ratssaal gewährleistet
Jeder Kunde geht einzeln zur Warenausgabe ins Nebenzimmer des Ratssaals, sodass seine Privatsphäre gewährleistet ist. Mario Quandt strahlt, als er wieder herauskommt. Er ist glücklich, dass er diesen Donnerstag ganze Kaffeebohnen bekommen hat. Er mahlt am liebsten selbst. Der 58-Jährige ist gelernter Maurer, arbeitete zwischendurch als selbstständiger Unternehmer, dann wieder im erlernten Beruf und zuletzt in einem Parkhaus. Doch nun seien die Knochen kaputt, sagt Quandt, der nur sehr schwer gehen kann.

Waltraud G. und Mario Quandt sagen, sie seien sehr glücklich gewesen, als Steffi Möglich von der Stadtverwaltung sie auf die Hilfsaktion hingewiesen habe. „Man ist hier würdevoll aufgenommen worden“, unterstreicht Quandt. „Ich bin froh, dass es das Angebot gibt.“ Dem schließt sich ein 72-jähriger Russlanddeutscher an. Obwohl auch er alles andere als auf Rosen gebettet ist, meint er: „Ich kann nicht klagen, ich brauche nicht viel. Meine Eltern hatten‘s schwerer.“ Sie wurden 1941 als Deutschstämmige vom Stalin-Regime erst vom Kaukasus nach Kasachstan zwangsumgesiedelt, dann ins Arbeitslager gesperrt.
„Hier kann man nette Leute treffen“, nennt er einen weiteren Grund, warum er gerne donnerstags in den Ratskeller kommt. Der 59-jährige Klaus bekräftigt das. Er sei schwer krank, könne täglich noch maximal drei Stunden arbeiten und lebe derzeit von Hartz IV. Rund 300 Euro blieben jeden Monat übrig, davon zahle er aber auch noch Medikamente, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernehme. Klaus sagt: „Das ist eine wunderbare Sache hier, eine sehr großherzige Angelegenheit hier in Meersburg.“
Waltraud G., dem 72-jährigen Russlanddeutschen und Klaus ist es lieber, dass sie nicht mit vollem Namen in der Zeitung stehen. Dennoch wollten sie einen persönlichen Einblick in ihre Erfahrungen mit der Hilfsaktion ermöglichen. Die vollen Namen sind der Redaktion bekannt.