Bonndorf – Ein Ortstermin bei Parteifreunden: Der 29-jährige Jan-Lukas Schmitt, der für die Grünen über den Kreis Waldshut in den Bundestag einziehen will, macht auf seiner Wahlkampftour Station bei Monika Spitz-Valkoun. Die Kinderärztin sitzt für die Grünen im Bonndorfer Gemeinderat. „Ich habe mir Gespräche herausgesucht, von denen ich weiß, dass die Themen die Menschen bewegen“, sagt Schmitt. Die kinderärztliche Versorgung sei so ein Thema. Davon können Monika Spitz-Valkoun und ihr Mann Christian aus erster Hand berichten. Die beiden führen ihre Praxis in Bonndorf seit 27 Jahren – und warnen von der künftigen Entwicklung. Die Versorgung der kleinen Patienten in der Region könnte nach ihren Worten bald auf der Kippe stehen.

Christian Spitz erinnert sich noch an die Situation, als er und seine Frau 1998 die Praxis eröffneten. „Die Versorgung betrug offiziell 200 Prozent“, berichtet er. Theoretisch gab es also im Landkreis doppelt so viele Kinderärzte wie notwendig. Schon damals war das für das Ärztepaar kaum nachvollziehbar: „Alle Praxen waren brechend voll“, sagt Christian Spitz. Die Realität damals: Vor 1998 praktizierte in Bonndorf gar kein Kinderarzt, Eltern mussten mit ihren Kleinen nach Donaueschingen, Neustadt oder Waldshut fahren.

Seither habe sich die Abdeckung keineswegs verbessert, sagen die beiden Mediziner. Während die Statistik der Kassenärztlichen Vereinigung aktuell eine Überversorgung von 140 Prozent ausweise, reduziere sich die tatsächliche Zahl der Ärzte immer weiter. Von bis vor Kurzem 13 Kinderärzten im Kreis sind jetzt nur 10,5 übrig, weil zwei ihre Praxis ohne Nachfolger aufgaben und Monika Spitz-Valkoun, die mit 68 Jahren das Rentenalter erreicht hat, aus gesundheitlichen Gründen nur noch eine halbe Stelle ausfüllen kann. Gleichzeitig benötigt der einzelne kleine Patient heute sehr viel mehr ärztliche Aufmerksamkeit und Zeit als früher, weil zwischenzeitlich die Zahl der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen stark ausgeweitet worden ist.

Ohnehin gehe die Arbeit der Kinderärzte deutlich über die Tätigkeit in der Praxis hinaus, berichtet das Medizinerpaar. Enge Vernetzung etwa mit Schulsozialarbeiterinnen oder Erzieherinnen in den Kindergärten sei notwendig. „Ein Kind kann in der Arztpraxis völlig unauffällig sein“, gibt Monika Spitz-Valkoun zu bedenken, die auch Psychologin und Psychotherapeutin ist, „aber in der Schule oder im Kindergarten sieht das oft anders aus.“ Christian Spitz ergänzt: „Wenn man den Beruf richtig ausüben will, muss man dieses gesellschaftliche Engagement aufbringen.“

Suche nach Nachfolgern schwierig

„Aus all diesen Gründen sind wir an der Kapazitätsgrenze“, sagt Monika Spitz-Valkoun. Notfälle würden selbstverständlich immer behandelt. Doch bei der Neuaufnahme von Patienten muss das Ärztepaar sehr oft passen. Praktisch jeden Tag würden Eltern am Telefon an andere Praxen verwiesen.

Und die Suche nach neuen Ärzten gestaltet sich schwierig, vor allem, weil Nachwuchskräfte nicht aufs Land ziehen wollen. Durchaus nachvollziehbar für Christian Spitz, der schon in Freiburg und London gearbeitet hat und die Vorzüge des Landlebens erst dann schätzen lernte, nachdem er sich dafür entschieden hatte. Heute ist er begeistert von Bonndorf, nützt aber nichts: Die Nachfolger-Suche für die vakante halbe Stelle von Monika Spitz-Valkoun oder für andere Modelle in ihrer Praxis verlief bisher ohne Resonanz. „Da hat sich keiner gemeldet“, sagt Christian Spitz.

Die Probleme seien schon vor 20¦Jahren absehbar gewesen, betont er. Grundsätzlich müssten mehr Ärzte ausgebildet werden, kritisiert Spitz, genug Interessierte wären ja da: „Auf jeden Studienplatz kommen vier Bewerber.“ Doch das würde bei der langen Ausbildungszeit von zwölf Jahren bestenfalls mittelfristig wirken, während große Engpässe kurz bevorstehen. „Das Durchschnittsalter der Kinderärzte im Kreis liegt bei über 60 Jahren“, warnt der Mediziner. „Da ist absehbar, dass die Situation in naher Zukunft noch schlimmer wird.“

Ganz kurzfristig könnte eine Straffung der zahlreichen Pflichtuntersuchungen helfen, sagen die Ärzte, wichtig wäre auch, die Zulassung von Kollegen aus dem Ausland zu beschleunigen. Beispielsweise Mediziner aus der Ukraine müssten teils jahrelang auf ihre Approbation warten. Arbeitsfähige Ärzte in Rente erneut zu rekrutieren, sei eine weitere Möglichkeit, der Knappheit zu begegnen, allerdings müssten die Bedingungen attraktiv sein.

Jan-Lukas Schmitt, der sich nach eigenen Worten in diesem Gespräch als Zuhörer verstanden hat, verweist darauf, dass vereinfachte Bewerbungsverfahren aus dem Ausland im Programm der Grünen stehen. Mit dem „Deutschlandfonds“ sollten zudem Länder und Gemeinden finanziell gestärkt werden. Damit sei die Einrichtung von Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) möglich, die für junge Ärzte attraktiver sein könnten als eine eigene Praxis führen zu müssen.

Bitter merkt Christian Spitz an, dass ausgerechnet der Klimawandel womöglich die Attraktivität der Bonndorfer Region steigern könnte. In Freiburg seien in naher Zukunft bis zu 450¦Stunden im Jahr mit über 32 Grad Celsius zu erwarten. Da werde sich vielleicht mancher überlegen, aus der Großstadt aufs Land zu ziehen.