Um den Spitzenplatz beneidet den Kreis Lörrach wohl niemand: Laut der Verkehrsunfallbilanz hat er 2018 die höchste Unfallrate im Gebiet der Polizeidirektion (PD) Freiburg und bei dieser Kennziffer prozentual die höchsten Zuwächse. Eine plausible Erklärung dafür gebe es aber nicht, erläuterten deren Vertreter vor Medien. Eine Rolle spiele sicher das hohe Verkehrsaufkommen im Ballungsraum Basel; im ländlichen Raum sei zudem die Topographie ein Faktor – zumal diese Motorradfahrer anlocke. Eine Gruppe, die im Kreis 2018 deutlich häufiger in Unfälle verwickelt war als 2017.
Der Straßenverkehr wächst, und zwar in allen Segmenten. Autozulassungszahlen stiegen ebenso wie Fahrleistungen, weiß Polizeivizepräsident Matthias Zeiser. Aber auch die Mikromobilität mit Elektrorädern (Pedelecs), E-Scootern und Rädern legt zu und mithin die Zahl der Unfälle im Freizeitbereich. Entsprechend ist es schon ein Erfolg, wenn Unfall- und Opferzahlen stabil bleiben. Zumindest in puncto Verkehrstoten stimmt da die Richtung: Im Schnitt gab es 2018 in der PD (Freiburg, die Kreise Lörrach, Waldshut, Breisgau-Hochschwarzwald und Emmendingen) etwa alle zehn Tage einen Toten – so wenig wie nie die vergangenen zehn Jahre. Neun davon entfallen auf den Kreis Lörrach (2017: 9), fünf auf Waldshut (2017: 13).
Hohe Unfallrate
Bei zentralen Kennziffern wie Unfallrate und -belastungen schneidet der Kreis Lörrach aus unerklärlichen Gründen dennoch schlecht ab. Die Unfallrate setzt dabei vereinfacht gesagt die Zahl der Unfälle (ohne Autobahnen) mit Verletzten in ein Verhältnis zur Zahl der Fahrten. Danach ergibt sich für den Kreis eine Unfallrate von 0,36 (2017: 0,34). Im benachbarten Kreis Waldshut liegt die Rate im Vergleich bei 0,3, im gesamten PD-Gebiet bei 0,26.
Insgesamt verzeichnete die Polizei im Kreis Lörrach vergangenes Jahr 5315 Unfälle; im Vergleich zu 2017 ist das eine Verbesserung von 5,5 Prozent. Diese resultiert aber vor allem aus dem Rückgang der Kleinstunfälle, die polizeilich nicht weiter verfolgt werden. Die Zahl schwerer Unfälle dagegen war mit 2928 fast genau so hoch wie 2017. In dem Segment gab es 817 Unfälle mit Verletzten, wobei die Zahl Schwerverletzter um 6,4 Prozent gesunken ist auf 190 (2017: 203), die Leichtverletzter dagegen um 13 auf 821 Betroffene stieg. Bei fast 2500 Unfällen waren Autos beteiligt, bei 252 Lastwagen, bei 305 Fahrräder, davon 45 E-Bikes (2017: 28). Diese Entwicklung verortet die Polizei angesichts des starken Anstiegs gar im roten Bereich.
18 Prozent mehr Unfälle unter Drogen
Das Gleiche gilt für die Unfälle unter Drogeneinfluss und Alkohol, bei Letzteren gab es ein Plus von gut 18 Prozent auf 104 Fälle (2017: 88). Bei den Ursachen ganz vorne liegen Abbiege- und Rangierfehler (784). Es folgen Vorfahrtsverletzungen (481), zu hohe Geschwindigkeit (271) und zu geringe Abstände (147). Den stärksten Anstieg gab es indes bei der Verkehrstüchtigkeit.
Ältere Verkehrsteilnehmer scheinen häufig in spektakuläre Unfälle mit katastrophalen Folgen verwickelt. Die Schlussfolgerung, dass Senioren am Steuer ein höheres Risiko darstellen, ist statistisch für die Polizei aber nicht gerechtfertigt. Mengenmäßig seien diese nicht auffällig, sagt der Leiter der Verkehrspolizeidirektion Uwe Oldenburg. So bewegt sich die Zahl der von Senioren verursachten Unfälle auch im Kreis Lörrach seit Jahren in einem Spektrum zwischen 602 und 655 (2018: 630).
Prävention für Senioren
Angesichts des demographischen Wandels und der steigenden Zahl Älterer gewinne das Thema Fahrtüchtigkeit bei Senioren aber an Relevanz, betont Oldenburg. Indes müsse das gesellschaftlich und verkehrspolitisch geregelt werden. Die Polizei konzentriere sich auf Prävention, beobachte da aber häufig eine reservierte Haltung der Senioren.
Die Gruppe der Motorradfahrer stand 2018 besonders im Fokus. Das wird auch dieses Jahr wieder so sein, kündigten Oldenburg und der für Prävention verantwortliche Bernhard Müller an. Denn von den Zahlen her waren weder die Aufklärungskampagne noch die Kontrollen wirklich erfolgreich, räumt Oldenburg ein. Tatsächlich forderten Motorradunfälle im Kreis 2018 nicht nur drei Todesopfer; vielmehr ist deren Zahl im Vergleich zu 2017 um 45 auf 194 gestiegen – eine Zunahme von fast 40 Prozent.
Region attraktiv für Biker
Ähnlich sieht es im Kreis Waldshut aus. Das hängt aus Sicht der PD-Verantwortlichen einerseits zusammen mit der auch touristisch beworbenen Attraktivität der Region für Biker mit den vielen Strecken um Belchen, Blauen oder den Präger Kessel Richtung Todtmoos, das Alb- und das Wehratal; das korrespondiert andererseits aber auch mit dem schönen Sommer.
Autobahnen und Schwerverkehr: Die Zahl der Unfälle auf den Autobahnen 98, 861 und dem südlichen Abschnitt der A 5 ist leicht rückläufig und liegt mit 166 unter dem Mittelwert der Jahre 2014 bis 16 mit 199. Auch illegale Rennen auf der A5 wurden laut der PD-Verantwortlichen zuletzt keine mehr beobachtet. Das Schwerverkehrsaufkommen ist nach Aussage Oldenburgs inzwischen ebenfalls relativ stabil. Es sei zwar hoch und behindere den Verkehrsfluss, besondere Unfallrisiken gingen davon aber nicht aus.
Keine Unfallschwerpunkte am Zoll
Insofern sehe er wenig Chancen, bestehende Lastwagen-Überholverbote auszuweiten – etwa auf den Berufsverkehr. „Das ist schwierig“, weiß Oldenburg. Auch die morgendlichen Lastwagen-Staus an den Autobahngrenzübergängen in Weil und Rheinfelden behinderten zwar den Verkehrsfluss, Unfallschwerpunkte, die sofortiges Reagieren erforderten, seien sie derzeit aber auch nicht.
Neben dem Thema Motorrad und der gesellschaftlichen Debatte über verpflichtende Fahrtauglichkeitstest für Senioren, wie es sie zum Beispiel in Italien bereits gibt, sehen die Verantwortlichen der Polizeidirektion Freiburg gleichwohl noch auf mehreren Feldern Handlungsbedarf. Ein Beispiel ist die Unfallflucht, denn bei fast einem Viertel aller Unfälle kommt es inzwischen zu dieser, bleiben Geschädigte auf ihren Kosten sitzen. Auch die Geschwindigkeitskontrolle soll in Kooperation mit den Landkreisen und Kommunen ausgebaut werden. Auch bei der Nutzung des Sicherheitsgurtes vermisst die Polizei Disziplin. Und das gilt auch für das Verbot von Handys und Smartphones, sprich Ablenkung, am Steuer.