In Zeiten der Krise sind Kirchen für viele Menschen ein wichtiger Zufluchtsort, an dem sie Trost und Zuspruch finden. Doch in der aktuellen Corona-Pandemie war und ist genau dieser Weg erschwert. Denn gerade in der Gemeinschaft lauert die Gefahr der Ansteckung, deshalb gelten strikte Regeln und Beschränkungen. Das gilt auch für das höchste christliche Fest Ostern, das am kommenden Wochenende gefeiert wird. Wie in vielen Bereichen gab es viel Unklarheit und Verwirrung im Vorfeld. Wir sprachen mit den Geistlichen, wie unter diesen Bedingungen Seelsorge funktioniert und wie die Gemeinden mit dem konstanten Wechselbad der Gefühle zurechtkommen.

Katholische Kirche: „Verunsicherung der Menschen ist groß“

„Ich erlebe immer noch viele Menschen verunsichert und verängstigt, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Das wirkt hinein bis in unser Gemeindeleben und auch in unsere Gottesdienste.“ So schildert der Dekan und Münsterpfarrer Peter Berg seine Erfahrungen mit den Corona-Beschränkungen im kirchlichen Alltag. Auch nach einem Jahr Corona seien viele Dinge noch immer ungewohnt. Und der konstante Wechsel zwischen Lockerungen und Verschärfungen sorge für Verwirrung.

„Ich erlebe immer noch viele Menschen verunsichert und verängstigt, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Das wirkt hinein ...
„Ich erlebe immer noch viele Menschen verunsichert und verängstigt, wie sie mit dieser Situation umgehen sollen. Das wirkt hinein bis in unser Gemeindeleben und auch in unsere Gottesdienste.“Peter Berg, Dekan | Bild: Reinhardt, Lukas

Man sei nie sicher, was denn nun erlaubt oder verboten sei. Die erst vor wenigen Tagen getroffene Enscheidung, dass über die Ostertage Präsenzgottesdienste möglich sind, sei dafür symptomatisch, so Berg. Und selbst jetzt müsse man noch damit rechnen, dass die Erlaubnis kurz vor knapp noch gekippt werde.

Er persönlich freue sich aber natürlich sehr, dass er mit seinen Gemeindemitglieder gemeinsam Ostern feiern dürfe, so Berg. Es werde alles dafür getan, den Teilnehmern der Gottesdienste möglichst große Sicherheit zu bieten, indem alle geltenden Hygiene- und Abstandsvorschriften eingehalten werden.

Für einige Gottesdienste gebe es eine Anmeldepflicht. Gleichzeitig werde es am Ostersonntag eine Live-Übertragung des Gottesdienstes geben, um möglichst viele Menschen in die Feierlichkeiten einzubeziehen.

Generell hätten die Beschränkungen infolge der Corona-Bekämpfung natürlich vieles im Bereich der kirchlichen Arbeit verkompliziert, sagt Dekan Berg. Gottesdienstbesucher müssten sich anmelden oder registrieren, es werden Ordner benötigt, die die Gläubigen an ihre Plätze bringen, in den Pfarrbüros müsse ein erhebliches an Mehrarbeit geleistet werden: „Und selbst bin ich immer wieder am Überlegen, wie kann ich die Gottesdienste würdig gestalten und doch die notwendigen Hygienevorschriften einhalten.“ Natürlich sei auch die seelsorgerische Arbeit schwieriger geworden, räumt Berg ein, denn der persönliche Kontakt bleibe zwangsläufig auch auf der Strecke.

Und das spürt man auch ganz generell im Gemeindeleben. Es gebe keine Gruppentreffen mehr, auch Chöre oder Ministranten oder Jugendgruppen hätten den Betrieb vorübergehend einstellen müssen. Es sei eine große Frage, wie es nach der Pandemie weitergehe – oder ob sich dann vieles ganz neu und anders bilden werde.

Die Zahl der Kirchenaustritte sei deutlich spürbar. „Aber das hat sicher auch viele andere Gründe durch die vielen Problemfelder, die das Bild von Kirche heute prägen“, sagt Berg – nicht zuletzt mit Blick auf den Umgang mit Missbrauchsskandalen oder die Debatte um mehr Rechte für Frauen, die den Ruf der katholischen Kirche in den vergangenen Monaten erheblich in Mitleidenschaft gezogen haben.

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Generell stehe die Kirche in einem Prozess der Veränderung, der durch Corona sicher noch beschleunigt werde. Dennoch bleibe er zuversichtlich: „Ich denke, die Gesellschaft und so auch die Kirche wird mit neuen Prägungen in die Zukunft gehen. Und vielleicht ist dies auch ein wichtiger Prozess, auch wenn es schwerfällt, manches Vertraute hinter sich lassen zu müssen.“

Und selbst wenn Abstand gehalten werden müsse, gebe diese Krise Gelegenheit zusammenzurücken. Es gebe viele Überlegungen, wie sich Neues gestalten lasse und auch Kirche und Gemeinde vor Ort neue Formen finden. Erfreulich sei es, auf vielfältige Weise Verbundenheit zu spüren und zu sehen, wie bei vielen auch ein neues Interesse an Kirche und Gemeinschaft entstehe. Im Übrigen zeige sich auch unter den Konfessionen, dass alle vor ähnlichen Herausforderungen stehen – und auch hier lasse ich mancher neue Weg miteinander finden.

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Evangelische Kirche: „Wir sind nicht bei ‚Wünsch dir was‘“

„Die Leute sind sehr dankbar, wenn wir Präsenzgottesdienste anbieten“, sagt die Waldshuter Dekanin Christiane Vogel. Insofern sei es ein gutes Signal, dass auch an Ostern Gottesdienste gefeiert werden dürften. Und es gebe ihrer Ansicht nach auch nichts, was dagegen spreche, denn das Sicherheitssystem habe sich bewährt und die Gottesdienstbesucher verhielten sich diszipliniert, betont Vogel.

„Aber die Stimmung ist dennoch gut, die Leute tragen mit ihrer eigenen Disziplin zum Gelingen bei und haben Geduld. Wir sind hier ...
„Aber die Stimmung ist dennoch gut, die Leute tragen mit ihrer eigenen Disziplin zum Gelingen bei und haben Geduld. Wir sind hier eben nicht bei „Wünsch dir was“, sondern bei „So ist es“.“Dekanin Christiane Vogel | Bild: Ursula Freudig

Gleichwohl werden, vor allem aufgrund der jeweiligen räumlichen Gegebenheiten vor Ort, nicht alle Gemeinden von der Möglichkeit Gebrauch machen. In der Regel müssen sich die Teilnehmer vorher anmelden.

Generell sorge insbesondere das Hin und Her zwischen Verschärfungen und Lockerungen für viel Bedauern bei den Gläubigen. Gesang und Gemeinschaft, auch Veranstaltungen jenseits der Gottesdienste, fehlten den Menschen: „Aber die Stimmung ist dennoch gut, die Leute tragen mit ihrer eigenen Disziplin zum Gelingen bei und haben Geduld. Wir sind hier eben nicht bei „Wünsch dir was“, sondern bei „So ist es“.“ Positiv sei zu sagen: Viele Menschen hätten wieder neu gemerkt, was sie an ihrer Kirche haben, und dass es nicht selbstverständlich ist, Gottesdienste besuchen zu können.

Andererseits habe sich auch ihre Arbeit als Seelsorgerin verändert, sagt Christiane Vogel: „Sie ist kreativer geworden, hier und da auch entschleunigt, und manche Sitzungen gehen als Zoom-Konferenzen schneller.“ Überhaupt hätten die Gemeinden gelernt, mit den Rahmenbedingungen zu leben. Längst gebe es vielerorts gestreamte Gottesdienste, andere verteilten gedruckte Andachten. Auch seitens der Landeskirche sei viel angeboten. All das komme bei den Menschen durchaus gut an: „Uns erreichen viele positive Rückmeldungen auf unser Dasein für die Leute, zum Beispiel auch, dass wir Leute, von denen wir wissen, dass sie allein sind, anrufen und uns viel Zeit nehmen für Gespräche.“

Die Austrittszahlen seien am Hochrhein etwas zurückgegangen, aber jeder Einzelne, der sich zu diesem Schritt entschließe, tue weh, sagt Vogel. Dennoch bedinge kirchliche Arbeit die persönliche Begegnung. „Auf die freuen wir uns und werden sie genießen, wenn sie wieder möglich ist.“

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Nicht verloren hat die Dekanin derweil ihren Optimismus, was die Zeit nach der Pandemie betrifft, wie sie sagt. Sie freue sich, gemeinsam mit ihren Kollegen Konzepte für die Zukunft zu entwickeln. Dies solle – sofern es die Rahmenbedingungen erlauben – bereits im Juli bei einer Pfarrkonferenz geschehen.

Was mögliche Initiativen für die Ökumene in der Region anbelangt, reagiert Vogel mit Humor: „Wir haben schon immer gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet, dafür hätten wir Corona nicht gebraucht.“

Alt-Katholische Kirche: „Hausbesuche und konkreter Kontakt fehlen“

„Die Stimmung in der Gemeinde ist gut, auch weil wir für uns die Form entwickelt haben, unsere Gottesdienste im Freien im Schlosspark zu feiern“, schildert Pfarrer Armin Strenzl von der alt-katholischen Pfarrei Hochrhein-Wiesental. Bei den Gemeindemitgliedern komme dies sehr gut an, gerade weil die Umgebung eine Leichtigkeit und Lebendigkeit vermittele – einen Kontrapunkt zur Schwere der Pandemie.

„Was mir am meisten fehlt, sind die Hausbesuche, das heißt der konkrete Kontakt mit den Gemeindemitgliedern „Aug‘ in ...
„Was mir am meisten fehlt, sind die Hausbesuche, das heißt der konkrete Kontakt mit den Gemeindemitgliedern „Aug‘ in Aug‘“.“Armin Strenzl, alt-katholischer Pfarrer | Bild: Nicolai Kapitz

Abgesehen davon seien Gruppentreffen bis auf Weiteres natürlich nicht möglich. Sie sollen aber sobald es möglich sei wieder aufgenommen werden. Doch Strenzl ist sich sicher, dass einige der bereits vollzogenen Veränderungen bleiben werden. Gremientreffen online oder per Telefonkonferenz abzuhalten zum Beispiel. Das sehe er aber auch durchaus positiv: „Das spart Zeit und Energie, sowohl körperlich als auch vom ökologischen Gedanken her.“

Dass der Bezug der Gemeindemitglieder zur Kirche durch die zwangsläufige Entfernung leide, könne er hingegen nicht feststellen. Im Gegenteil wachse die alt-katholische Gemeinde sogar: „Jetzt erst sind mehrere Personen unserer Gemeinde beigetreten.“ Abgesehen davon bekomme er auch viel mehr Post von Gemeindemitgliedern als früher. Und auch er selbst schreibe viel mehr Briefe und Karten als früher: „Die Portokosten haben sich gegenüber den letzten Jahren verdoppelt“, bilanziert der Pfarrer scherzhaft.

Aber natürlich: Das ist auch ein Indiz dafür, dass sich die Arbeit des Seelsorgers in den mehr als zwölf Monaten Pandemie grundlegend verändert hat, räumt Strenzl ein: „Was mir am meisten fehlt, sind die Hausbesuche, das heißt der konkrete Kontakt mit den Gemeindemitgliedern „Aug‘ in Aug‘“.“ Immerhin gebe es die Möglichkeit, gelegentlich Seelsorgegespräche im Freien abzuhalten.

Wenn er in die Zukunft blicke, bleibe er aber bei allen aktuellen und kommenden Herausforderungen dennoch „grundsätzlich optimistisch“, betont Strenzl. Das bevorstehende Osterfest in Verbindung mit dem heranbrechenden Frühling seien deutliche Beweise, „dass das Leben stärker ist als der Tod; dass sich das Leben – egal wie trostlos auch alles erscheinen mag – immer Bahn bricht.“ Und in diesem Sinne gebe es auch in der jetzigen Situation durchaus Aspekte, deren Beibehaltung sich lohnen, etwa die Freiluftgottesdienste im Schlosspark.

„Zudem scheint mir die konsequente Fortführung des ökumenischen Miteinanders ein Kernthema für die Zukunft zu sein.“ Denn er sei überzeugt: „Die Kirche der Zukunft wird eine ökumenische sein oder sie wird nicht mehr sein.“

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