„Ist denn morgen Schule?“ Diese Frage stellen sich aktuell viele Eltern. Denn die Omikron-Variante des Coronavirus verbreitet sich rasant in den Schulen und auch die Corona-Regeln ändern sich gefühlt täglich. „Ich bin einfach froh, dass ich gerade nicht arbeite, weil du immer mal plötzlich ein Kind von der Schule abholen musst, wenn was ist“, sagt Katharina Salomo aus Laufenburg, die schon bald ihr sechstes Kind erwartet. Sie hat drei Schulkinder und kennt die Problematik, dass von heute auf morgen Präsenzunterricht ausfallen könnte. Damit ist sie nicht allein. Denn: Mehr als die Hälfte der Eltern im Land machen sich große Sorgen, dass ihr Kind in den nächsten Monaten wegen der Pandemie kurzfristig nicht zur Schule gehen kann. Dies zeigt der Bawü-Check, eine landesweite Umfrage, die von Tageszeitungen beauftragt wurde.

Zwei Mal sind Pooltests erst am nächsten Morgen in der Schule ausgewertet und positiv gewesen, schildert die Mutter. Alle Kinder mussten daraufhin von den Eltern abgeholt und zum Testzentrum gebracht werden. „Es herrscht immer Unsicherheit, auch bei den Schulen“, sagt Salomo. Und sie ergänzt: „Es ist alles chaotisch, weil es immer neue Bestimmungen gibt.“
Wenn plötzlich Klassen zuhause bleiben müssen
„Ich kann die Befürchtungen der Eltern total verstehen“, sagt Sonja Dannenberger, Schulleiterin der Talschule Wehr und Schulkreisvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE). „Gerade die nächsten Wochen, wenn die Omikron-Welle weiter anreißen sollte, trifft das die Schulen mit voller Wucht“, mahnt sie. Die Auswirkungen wurden an der Talschule erstmals in der ersten Februarwoche deutlich: Zwei Klassen mussten – wegen an Corona erkrankten Lehrern – daheim bleiben. Fernunterricht steht für die Kinder wieder auf dem Stundenplan. Auf einen Schlag. Denn: „Wir schaffen es nicht mehr, alle Klassen zu vertreten.“
Inzwischen hat sich die Situation weiter zugespitzt – im gesamten Landkreis. Denn waren laut Gesundheitsamt zwischen Herbst- und Weihnachtsferien noch keine Lehrer in Quarantäne, ist dies aktuell nun aber bei einigen der Fall – wie allein der Blick in die Talschule zeigt. Aktuell sind hier laut Dannenberger sechs Lehrkräfte und eine Mitarbeiterin erkrankt.

„Ein positiver Test kommt eben über Nacht“, sagt sie. Und so musste die Schule erst einmal einen Schultag überbrücken, die Schulleitung bis mittags alle Materialien zusammenstellen und eine Notbetreuung organisieren. „Das war Hektik für mich und eine Menge zusätzliche Arbeit“, so Dannenberger.
Aktuell gebe es in allen zwölf Grundschulklassen positive Fälle. Wurden zwischen den Herbst- und Weihnachtsferien im gesamten Landkreis 15 komplette Klassen wegen einer Häufung in Quarantäne geschickt, ist dies nun mit den neuen Corona-Regeln nicht mehr nötig. Aber, so befürchtet Dannenberger: „Werden immer mehr Lehrer krank, kann man irgendwann nicht mehr unterrichten.“ Die Schule versuche alles Mögliche auszuschöpfen und auch Pensionäre springen ein. Doch die Ressourcen sind endlich.
Hochrhein-Gymnasium: Viel Unterricht über Live-Stream
Völlig anders sieht die Situation im Hochrhein-Gymnasium Waldshut aus. Schüler, die ohne starke Symptome in Quarantäne sind, würden per Live-Stream zugeschaltet, so Schulleiter Markus Funck. Auch Lehrer in Quarantäne, die noch fit seien, würden von zuhause aus unterrichten – dank der guten Internetverbindung.

In zehn von 34 Klassen laufe der Unterricht aktuell hybrid, also sowohl im Klassenzimmer als auch im Stream. Dies aber bedeute für den Lehrer: „Ein Tafelanschrieb ist nicht möglich und er macht den kompletten Unterricht über ein Whiteboard auf dem Tablet“. Dies erfordere ganz andere Vorbereitung und ginge eben nur mit einer gewissen Vorlaufzeit.
Was das für die Schulen bedeutet: Verlässlichkeit fehlt – Belastung steigt
Als Schulkreisvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) prangert Sonja Dannenberger bei der Politik an, dass kaum noch etwas planbar sei – „weil alle paar Tage die Regeln geändert werden.“ Außerdem: „Seit Corona ist es immer schon so gewesen, dass wir neue Regeln erst aus der Presse erfahren“, sagt sie im Namen des VBE über die mangelnde Kommunikation durch das Kultusministerium. Auch die Belastung für die Schule sei aktuell enorm: Die Sekretärin mache kaum noch etwas anderes als Eltern bei positiven Fällen zu beraten. Eben jene Tätigkeit, für die eigentlich die Gesundheitsämter zuständig seien.
So viele Quarantänefälle an Schulen gab es zwischen Herbst- und Weihnachtsferien
Erfahrungen, die auch Schulleiter Markus Funck in Waldshut macht: „Dieser Betrieb verlangt vom Kollegium alles ab, er bedeutet eine unfassbare Flexibilität, und einen wahnsinnigen Einsatz, wir sind ständig per Mail verfügbar – auch am Wochenende.“ Die tägliche Arbeitszeit von allen habe sich um drei Stunden erhöht. „Auch der organisatorische Aufwand im Hintergrund ist exorbitant, das hängt natürlich auch mit den ständig ändernden Regeln zusammen und der daraus resultierenden Unsicherheit der Eltern.“
Anfang Januar als die Omikron-Welle anrollte, habe er sich auch Sorgen darüber gemacht, was passiere, wenn große Teile des Kollegiums krank werden. Heute sorgt er sich nicht mehr, wie er sagt. Allerdings: „Morgen kann alles anders sein, und mit dieser Unsicherheit kommen wir jeden Tag her, es ist eben eine Wundertüte, was noch so passieren kann.“
Was Eltern wichtig ist
Genau diese Ungewissheit ist es, die so viele Familien belastet. Laut Bawü-Check sind aktuell mehr als die Hälfte – 68 Prozent – der befragten Eltern unzufrieden mit der Schulpolitik des Landes. Und das nicht erst seit Kurzem.
Bereits vor einem Jahr ärgerte sichGuiseppinaBeickler über die Corona-Politik des Landes. Damals fehlte es Beickler an der Präsenz der Lehrer beim Homeschooling ihres Sohnes. Heute sieht sie den Präsenzunterricht zwar als verlässlich an, macht sich aber in den Ferien Sorgen: „Man weiß nicht, ob nach den Ferien wieder Schule ist, weil die Politiker das immer kurzfristig in den Ferien entscheiden.“ Zu den Corona-Regeln, die sich ständig ändern, sagt sie: „Das ist nervig und man blickt einfach nicht mehr durch.“
Auch Tanja Wörtz aus Bad Säckingen, Mutter einer Zweitklässlerin, sagt: „Wir rechnen schon damit, dass immer mal wieder etwas passieren kann, und vor allem unsere eigenen Kinder in Quarantäne müssen.“ Sie hebt aber die Bedeutung von Präsenzunterricht hervor: „Ich finde es wichtig, dass die Kinder weiterhin zur Schule gehen können.“ Eine Einschätzung, die 67 Prozent der im Bawü-Check befragten Eltern teilen. Warum? Für Wörtz gibt es keinen Zweifel: „Vor allem aus Kindersicht ist die Interaktion mit anderen Kindern und den Lehrern durch nichts zu ersetzen und ich hoffe, dass es vor allem für die kleinen Kinder nicht zum Fernunterricht kommt.“
Wie wichtig der Präsenzunterricht ist, sagt auch Heike Spannagel, Sprecherin des Regierungspräsidiums Freiburg: „Die Schüler brauchen den Präsenzbetrieb nicht nur für eine gute Bildung, sondern auch für ihr sozial-emotionales Wohlbefinden.“ Das bestätigen laut Spannagel Rückmeldungen aus den Schulen und von medizinischen Fachleuten wie Kinderärzten oder Schulpsychologen.
Ist Besserung in Sicht?
„Bis Fasnacht wird es schon noch ziemlich anstrengend für alle – für Eltern, Kinder und Lehrer“, sagt Sonja Dannenberger. „Ich denke aber, dass es sich im Frühjahr beruhigen wird.“
Und: Nicht im gesamten Kreisgebiet sind die Schulen gleichermaßen von Ausfällen im Kollegium betroffen. Doch angespannt ist die Lage auch dort, wie der Blick nach Stühlingen und Küssaberg zeigt:
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