Neben Biontech ist Astrazeneca die zweite wichtige Säule im Impfsystem der Landkreise Waldshut und Lörrach. Das Wegbrechen dieser Säule infolge von Vorgaben der Bundesregierung hat folglich massive Konsequenzen: In den Kreisimpfzentren (KIZ) der beiden Kreise wurden in den nächsten Tagen rund 3000 Impftermine zumindest vorübergehend abgesagt, wie die Landratsämter mitteilen.
Für das Kreisimpfzentrum in Lörrach bedeutet dies, dass in dieser Woche nicht 3.000 Personen geimpft werden, sondern voraussichtlich lediglich 900 Personen, erklärt das Landratsamt Lörrach in einer Mitteilung. Diese erhalten den Impfstoff von Biontech. „Die 2100 vorgesehenen Impftermine für den AstraZeneca-Impfstoff werden bis auf weiteres abgesagt“, so Torben Pahl vom Landratsamt Lörrach.
Bis zu 700 Dosen des umstrittenen Impfstoffs wurden bislang täglich in Tiengen verimpft, wie der ärztliche Leiter des dortigen KIZ, Dr. Olaf Boettcher darstellt. Laut Landratsamtssprecher Tobias Herrmann wurde bislang insgesamt 4401 Mal mit Astrazeneca geimpft. Allein für diese Woche seien noch 1250 Astrazeneca-Impftermine geplant gewesen die nun abgesagt werden mussten, so Herrmann.
Das müssen Betroffene jetzt wissen
Landesweit waren laut Sozialministerium sogar täglich 15.000 Dosen Astrazeneca verimpft worden. „Der dadurch verursachte, deutlich verschärfte Impfstoffmangel und die damit verbundenen Terminabsagen sind sehr frustrierend, für uns genauso wie für die, die eine Absage erhalten“, konstatiert Gesundheitsminister Manne Lucha. Es werde in Zusammenarbeit mit den KIZ im Land versucht, Termine möglichst direkt umzubuchen. Jedoch liege der Fokus bei den Impfungen weiterhin auf der besonders vulnerablen Personengruppen.
Akteure vor Ort wurden mitten im Impfprozess überrumpelt
Boettcher macht unterdessen aus seinem Unmut über die Entscheidung der Regierung keinen Hehl, immerhin wurden er und seine Mitstreiter von der Nachricht, dass kein Astrazeneca mehr verimpft werden darf, „völlig überrumpelt“. Und dies, während sie gerade dabei waren entsprechende Impfungen zu verabreichen: „Ich habe mich fürchterlich geärgert, weil wir bereits 40 Impfdosen fertig vorbereitet hatten, die wir dann verwerfen mussten.“
Das sei freilich auch bei den zu impfenden Patienten nicht sonderlich gut angekommen, die immerhin nach langem Warten endlich einen Impftermin erhalten hatten und dann unverrichteter Dinge wieder gehen mussten.
Selbst ihn als Fachmann lasse die Entscheidung der Bundesregierung, der bereits ähnliche Schritte anderer europäischer Staaten vorausgegangen waren, ratlos zurück. Denn zum einen handle es sich bei Astrazeneca um einen Vektorimpfstoff, der mit konventionellen Grippeimpfstoffen vergleichbar sei: „Jeder Impfstoff hat das Potential Folgereaktionen hervorzurufen. Das ist in gewissem Umfang sogar gewünscht“, sagt Boettcher.
Keine Impf-Zwischenfälle in der Region
Echte Nebenwirkungen oder negative Reaktionen bei Patienten seien ihm bislang nicht aufgefallen, so Boettcher im Gespräch mit unserer Zeitung. Nach seinen bisherigen Beobachtungen sei es sogar so, dass alte Menschen den umstrittenen Impfstoff besser vertragen als junge.
Und bei den sieben Fällen (Stand: Dienstagvormittag), bei denen Patienten Trombosen erlitten hätten, sei der Zusammenhang zwischen Impfung und dem Auftreten ihrer Beschwerden ohnehin noch nicht zweifelsfrei geklärt, auch wenn mit den nun ergriffenen Maßnahmen in der EU dieser Eindruck erweckt werde: „Das Mittel wurde nämlich schon millionenfach verimpft.“ Abgesehen davon werde Astrazeneca auch weiterhin unter anderem in den USA und Großbritannien eingesetzt.
Folglich gehe er davon aus, dass auch für Deutschland am Donnerstag eine erneute Freigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut erfolgen werde – gegebenenfalls mit der Maßgabe, im Anschluss ein Blutverdünnungsmittel zu nehmen. Auch Landrat Martin Kistler hofft darauf, dass die Aussetzung der Impfungen mit Astrazeneca nur temporärer Natur sein möge: „Wir werden dann die in dieser Woche ausgesetzten Impftermine schnellstmöglich nachholen und jedem Bürger, der jetzt warten muss, einen Alternativtermin anbieten.“
Impftermin in Wallbach nicht gefährdet
Olaf Boettcher erwartet, dass ab kommender Woche alles wieder regulär laufen werde. Gerade weil schon so viele Menschen ihre Erstimpfung mit Astrazeneca erhalten haben, sei es praktisch nicht vorstellbar, dass das Mittel nun vom Markt genommen werde, wenngleich der Ruf des Impfstoffs natürlich nachhaltig beschädigt sei. „Wir werden auf jeden Fall dafür kämpfen, dass jeder seine Zweitimpfung erhält.“
Einstweilen werden in KIZ die Über-80-Jährigen alternativ mit Biontech geimpft, so Boettcher. Keine Auswirkung werde die Astrazeneca-Problematik für den geplanten Impftermin für Bürger aus Bad Säckingen und Wehr am Freitag in Wallbach haben: „Hier werden wir aus Freiburg 500 Dosen Moderna-Impfstoff erhalten. Diese Lieferung ist fest zugesagt.“