Unbekannte haben einem in der Pferdepension der Familie Zimmermann in Todtmoos-Weg untergebrachten Pferd den größten Teil des Schweifs abgeschnitten. Bereits zu dritten Mal. Und immer waren es Schimmel.
Am vergangenen Dienstag, 13. Februar, traf es Bella, eine 21-jährige polnischen Stute. Unbekannte waren mit einer Schwere auf die gepachtete Wiese gekommen, haben dem Warmblüter aber offenbar ansonsten nichts getan. Dennoch ist ein solches Vorgehen kein Kavaliersdelikt. Im Gegenteil.
In Nordrhein-Westfalen ist die Schweifrasur aus Tierschutzgründen sogar abgeschafft
Paragraph 1 des Deutschen Tierschutzgesetzes besagt: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Und Paragraph 6 verbietet ausdrücklich das „Kupieren der Schwänze“. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat die Schweifrasur zu Schauzwecken aus diesem Grund bereits im Jahr 2011 abgeschafft.
Stephan Zimmermann, von Beruf Schreiner, nimmt sein Zentimetermaß und zeigt: „70 Zentimeter haben sie unserer Bella abgeschnitten, genau 70.“ Und seine Frau Jutta fragt sich: „Wer macht denn sowas?“
Die beiden haben das zuständige Polizeirevier in St. Blasien informiert, nicht aber Anzeige erstattet, da die Ermittler Pferdehaardieben ohnehin selten auf die Spur kämen. Und sie sind immerhin froh, dass die Täter dem Tier offenbar nicht wehgetan haben.
Das Abtrennen eines Schweifs ist Sachbeschädigung
Leiter des Polizeipostens St. Blasien ist Thomas Zimmermann. Er ist seit 2018 im Amt und hat so etwas noch nie erlebt. Er hat den Fall an das Sachgebiet Gewerbe und Umwelt in Waldshut-Tiengen weitergeleitet und weiß: „Wenn nur die Haare abgeschnitten sind, ist das Sachbeschädigung. Wird das Ende der Wirbelsäule beschädigt, fällt das unter Tierschutz. Dann droht sogar Freiheitsstrafe.“
Was sagt das Veterinäramt?
Zuständig für die Stute Bella ist nun das Landratsamt in Waldshut Tiengen. Auch Sachbearbeiter Achim Kühne kommt nach Rücksprache mit dem Veterinäramt zu dem Schluss, dass das Vergehen zwar schlimm ist, aber keine tierschutzrechtliche Relevanz hat.
Erlebt hat der Mann da schon ganz andere Sachen: „Letztes Jahr hatten wir es mit einem Serientäter zu tun, der im Kreis Lörrach sieben Pferde regelrecht verletzt hat.“ Dieser Fall ist bis heute nicht geklärt.
Das ganze Areal mit Kameras zu überwachen, ist unmöglich
Auch Stephan Zimmermann macht sich wegen solcher noch gravierenderen Vorgänge natürlich Sorgen: „Wir haben hier in Todtmoos schon überlegt, Kameras aufzustellen, aber gucken Sie sich das Areal unserer Pension mal an. Oben verläuft ein Wanderweg, da läuft sonst wer rum, man kann die Tiere nicht zu 100 Prozent schützen.“
Die Zimmermanns haben die Weide ihrer Pension oberhalb ihres alten Schwarzwaldhauses schon seit Jahrzehnten gepachtet. Derzeit betreuen sie 17 Tiere, davon vier eigene, eben auch Bella. Bis zur Pandemie waren auch ihre Kutschfahrten mit zwei vorgespannten Schimmeln beliebt, doch dieser Betrieb ist eingestellt. Zumal das Organisieren einer Schreinerei und einer Pferdepension ohnehin schon ein Fulltimejob ist.
Schweifhaare besitzen für Pferde eine wichtige Funktion
Schweifhaare dienen den Pferden dazu, im Sommer die Fliegen zu vertreiben und im Winter die Genitalien vor Kälte zu schützen. Und so werden die Schweife von den Besitzern nur soweit gestutzt, dass sie nicht über den Boden schleifen. Ab dem Frühsommer sieht man oft Pferde nebeneinander stehen, Kopf an Hintern, Hintern an Kopf, um sich gegenseitig durch Schweifwedeln die Fliegen vom Leib zu halten, die vor allem die Augen stören.
Bella macht bei unserem Fotoshooting einen sehr ruhigen und entspannten Eindruck, was man auch an der Haltung des gestutzten Schweifs erkennt. Sie ist aber nun eingeschränkt, obwohl der Schweif nicht vollständig gestutzt ist. Und wie lange? Der Veterinärmedizinischen Universität Wien zufolge wachsen Pferdehaare ähnlich schnell wie Menschenhaare. Bella wird also rund sechs Jahre warten müssen, bis ihr Schweif wieder die normale Länge hat.
Auf einem Online-Portal kosten 70 Zentimeter Pferdeschweif 90 Euro
Ob im Hotzenwald, in der Eifel oder in der Steiermark, immer wieder kommt es zu Fällen, in denen Schweifhaare abgeschnitten werden. Das Motiv ist unklar. Der Schweif von weißen Pferdehaaren ist online jedenfalls nur schwer zu bekommen. Auf einem sogenannten Hexenportal steht, es gebe sie nur auf Anfrage zu einem Preis von rund 90 Euro. Ab einer Länge von 70 Zentimetern.
Vielleicht hat Jutta Zimmermann ja gar nicht unrecht, wenn sie sagt, die hellen Haare ihrer Bella seien verdächtigerweise seit den Fasnachtstagen ab. „Haben Sie die ganzen Hexenmasken gesehen? Da waren auch viele Blondinen dabei.“