Weniger Störungen, Verspätungen und Zugausfälle. Nach dem Fahrplanwechsel am 12. Dezember soll auf der Hochrheinstrecke einiges besser werden, versprechen Bahn und Landesverkehrsministerium. Einen Wermutstropfen müssen Reisende, die bisher die schnelle Direktverbindung am Hochrhein nach Ulm nutzen, allerdings schlucken: Die neu eingesetzten Dieselloks mit den Doppelstockwagen, die alle zwei Stunden verkehren, fahren nur noch bis nach Friedrichshafen. Es gibt auf der Hochrheinstrecke demnach keine Direktverbindung mehr von Basel nach Ulm. Das Landesverkehrsministerium erklärt auf Nachfrage des SÜDKURIER warum das so ist.
Dieselloks und drei Doppelstockwagen
„Etwa jeder zweite IRE-Zug wird auf Lok-Wagen-Züge mit Neubau-Dieselloks der Baureihe 245 und drei Doppelstockwagen umgestellt“, schreibt das Ministerium. Dies betreffe in der Regel die bis an den Bodensee durchlaufenden Fahrten. Laut Information verbleiben die so genannten Verdichterzüge, die nur zwischen Basel und Singen pendeln, bei den bekannten gelben Triebzügen der Baureihe 612. Auf der Strecke Basel-Waldshut-Singen-Friedrichshafen sollen ab Mitte Dezember täglich drei Garnituren mit den Doppelstockwagen verkehren.

Eine weitere Garnitur befinde sich für kleinere Reparaturen in Ulm. Sie werde täglich mit den drei anderen via Friedrichshafen durchgetauscht. Eine fünfte Garnitur diene als Reserve, wenn einer der anderen vier Züge ausfalle.
Umsteigen in Friedrichshafen
Wer also auf der Hochrheinstrecke bis nach Ulm und weiter nach München reisen will, muss in Friedrichshafen umsteigen. Laut Auskunft des Verkehrsministeriums beträgt die Umsteigezeit dort aktuell etwa 20 Minuten. Statt der bisher 3:11 Stunden ist man künftig fast vier Stunden unterwegs. „Damit sind wir auch nicht zufrieden und hoffen, diese Zeit in den kommenden Jahren verkürzen zu können“, meint das Ministerium.
Verbindungen von Basel nach Ulm
Kein Dieselfahrzeug unter der Oberleitung
Warum aber endet der IRE künftig in Friedrichshafen? Das liegt laut der Landesbehörde an der Südbahn (Ulm-Friedrichshafen). Sie wird bis zum Dezember elektrifiziert. Das Ministerium erklärt: „Der Einsatz von Dieselfahrzeugen unter Oberleitung soll so weit wie möglich vermieden werden.“ Zumindest einzelne Fahrten würden von/bis Singen nach/von Ulm durchgebunden. Mit ihnen erfolge auch die regelmäßige Anbindung der an Hochrhein und Bodensee eingesetzten Dieselfahrzeuge an die Ulmer Werkstatt.
Mit 140 statt 160 Stundenkilometern
Die neuen Dieselloks sind langsamer. Der Triebwagen der Baureihe 612 laufe auf einigen Streckenabschnitten 160 Kilometer pro Stunde, die „Dostos“, wie das Ministerium die Dieselzüge mit den Doppelstockwagen nennt, bringen es auf maximal 140 Stundenkilometer. „Dennoch sind Fahrzeiten wie auf der Strecke Basel-Waldshut von weiterhin rund 40 Minuten ein im Vergleich zum Auto hervorragender Wert“, schreibt das Ministerium, „und einer, der zukünftig hoffentlich zuverlässiger auch wirklich eingehalten wird.“
Störungen, Verspätungen und Ausfälle zu minimieren, war laut Auskunft einer der Hauptgründe für die Umstellung: „Lieber etwas langsamer, dafür aber zuverlässiger, bequemer, mit mehr Platz und in der Mehrzahl deutlich besseren Anschlüssen in Basel Badischer Bahnhof etwa ins Wiesental und nach Basel SBB.“
Überfüllte Züge sorgen für Unmut
Viele Bahnfahrer am Hochrhein sollen hingegen von den Vorteilen profitieren. Bisher verkehrten auf der Hochrheinstrecke stündlich Triebzüge der Baureihe 612. In Solotraktion verfügen sie über 145, in Doppeltraktion über 290 Sitzplätze. Dem Ministerium ist das große Problem bekannt: Das Land bestellt für einige Verbindungen zwar zwei Triebzüge, oft würde aber stattdessen nur ein „Solo-612“ fahren. „Das führt natürlich zu Überfüllungen und Unmut.“
Mehr Platz für Reisende und Fahrräder
Die Doppelstockzüge, die künftig alle zwei Stunden am Hochrhein verkehren, verfügten über 330 Sitzplätze, einen großen Mehrzweckbereich etwa für Fahrräder, eine ausreichend große und deutlich besser ausgestattete 1. Klasse, niedrige Einstiege an zwei der drei Wagen und eine deutlich höhere Laufruhe. Mit dem Einsatz der „Dostos“ sollen 612er-Triebwagen frei gesetzt werden. Dadurch erhoffen sich Land und Bahn, dass ausreichend Züge zur Verfügung stehen. So dass die Triebwagen der Baureihe 612 in Doppeltraktion fahren können.
Was sich mit dem Fahrplanwechsel noch ändert
Mehr Profiteure als Benachteiligte
Dem Ministerium liegen keine Zahlen darüber vor, wie viele Fahrgäste die Direktverbindung nach Ulm nutzen. Es schätzt jedoch, dass für die meisten Fahrgäste nicht Ulm das Reiseziel ist, sondern zum Beispiel eher zwischen Bad Säckingen und Waldshut unterwegs seien oder in Basel auf den Fernverkehr umsteigen wollten. Die Behörde meint: „Die Anzahl der Profiteure vom neuen Fahrplan ist vermutlich deutlich größer als derjenigen, die nun länger nach Ulm unterwegs sind.“
Lothar Probst, Geschäftsführer des Waldshuter Tarifverbund (wtv), sieht den Fahrplanwechsel und die damit verbundenen Änderungen für die Hochrheinstrecke insgesamt positiv, wie er dem SÜDKURIER am Telefon mitteilt. Er ergänzt die Informationen vom Land: Der Interregioexpress (IRE) kreuze künftig in Waldshut, nicht mehr in Erzingen. „Damit ist der IRE aus beiden Richtungen besser an die Busse in Waldshut angebunden.“ Zusammen mit der Südbadenbus (SBG) arbeite der wtv derzeit an der bestmöglichen Abstimmung mit den Busfahrplänen.
Fazit: Mit dem neuen Fahrplankonzept erhoffen sich Land und Bahn eine deutlich höhere Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit auf der Hochrheinstrecke. Verbunden mit mehr Platz für Fahrgäste und Fahrräder, bequemeren Zügen und nach wie vor attraktiven Reisezeiten. Das Landesverkehrsministerium schreibt: „Wir reagieren damit auch auf die Beschwerden der Fahrgäste am Hochrhein, die jahrelang unter der Unzuverlässigkeit im IRE-Verkehr litten.“ Mit Umbau und Elektrifizierung der Hochrheinbahn soll ohnehin alles besser funktionieren.
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