Zur Ausländerbehörde, ein neues Alphabet lernen, einen Job suchen, wieder zur Ausländerbehörde, eine Wohnung finden, den Kindern bei den Hausaufgaben helfen, nochmal zur Ausländerbehörde – so sieht der Alltag vieler Geflüchteter in Deutschland aus. Sich in einem neuen Land zurechtzufinden und wirklich anzukommen, ist eine Mammutaufgabe. Umso besser, dass Geflüchtete in Waldshut-Tiengen sie nicht allein bewältigen müssen. Unterstützung erhalten sie vom Helferkreis Asyl.

Solidarität aus der Mitte der Gesellschaft

Ihren Ursprung hat die ehrenamtliche Gruppe 2015 in Tiengen. Rund 890.000 Menschen flohen in diesem Jahr nach Deutschland, einige auch an den Hochrhein. Um die Schutzsuchenden unterzubringen, wurden von den Kommunen und Landkreisen im Eilverfahren zahlreiche Notunterkünfte eingerichtet, so auch in Tiengen. Außerhalb der Behörden und Ämter wuchs aber noch eine ganz andere Form der Unterstützung, mitten aus der Bevölkerung, heran.

2016 wurde die Chilbi-Sporthalle in Waldshut zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. (Arciv-Foto)
2016 wurde die Chilbi-Sporthalle in Waldshut zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut. (Arciv-Foto) | Bild: Klatt-D`Souza

Viele Menschen wollten helfen, etwas gegen die Bilder tun, die sie im Fernsehen sahen, die Not, von der in den Nachrichten berichtet wurde: Nur zwei Monate nach der Gründung im Februar 2015 konnte der Helferkreis Asyl Tiengen bereits 50 Ehrenamtliche verzeichnen – Tendenz steigend. Auch im Stadtteil Waldshut entstand ein Helferkreis und bis zur Zusammenlegung der beiden Kreise 2017 war die Zahl der ehrenamtlichen Helfer auf rund 300 gestiegen.

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Von Freundschaftsspielen und Schokoherzen

„Es war einfach die Not da und da wurde geholfen“, sagt Marion Pfeiffer vom Diakonischen Werk Hochrhein. Der Enthusiasmus der Helfer bildete sich auch in der Vielfalt der Angebote ab: Neben klassischen Sprach- und Alphabetisierungskursen, kamen Einheimische und Geflüchtete durch Patenschaften, beim Café International oder durch Sport zusammen. Um einen Ball ins Tor zu schießen oder übers Netz zu pritschen, muss man schließlich nicht dieselbe Sprache sprechen.

Marion Pfeiffer vom Diakonischen Werk Hochrhein.
Marion Pfeiffer vom Diakonischen Werk Hochrhein. | Bild: Susanne Eschbach

Bei Ortsbegehungen lernten die Geflüchteten Waldshut und Tiengen kennen und konnten beim gemeinsamen Fastenbrechen und einem großen afrikanischen Festival ein Stück ihrer Kultur teilen. Die Kleinen konnten sich bei Bastelnachmittagen und Zirkusveranstaltungen kreativ austoben und auch bei der Hausaufgabenbetreuung fehlte es nicht an helfenden Händen.

Zu Beginn verteilte eine Willkommensgruppe sogar Schokoherzen auf die Kissen in den Containern, wo die Geflüchteten untergebracht waren.

Die Container-Siedung an der Badstraße in Tiengen.
Die Container-Siedung an der Badstraße in Tiengen. | Bild: Rasmus Peters

Erschöpfte Helferhände

Die Ehrenamtlichen setzten das Versprechen von Willkommenskultur, das in Berlin angefangen hatte, in Waldshut und Tiengen in die Tat um. „Das Problem ist nur, wenn sich jemand über lange Zeit extrem viel engagiert, dann ist irgendwann die Kraft weg“, meint Marion Pfeiffer. Nach den drei Jahren hätten sich viele der Ehrenamtlichen so übernommen, dass sie ausgebrannt seien, erklärt die Ehrenamtskoordinatorin.

Das System sei überlastet gewesen, die Ehrenamtlichen hätten sich damals noch um viele Anliegen gekümmert, die heute von Hauptamtlichen übernommen würden. Vor allem durch das neu eingeführte Integrationsmanagement seien die ehrenamtlichen Helfer entlastet worden.

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Der Helferkreis läuft zu neuer Höchstform auf

Die neu gewonnene Kraft konnte die Ehrenamtlichen gut gebrauchen, als 2022 infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine knapp über eine Million Menschen in Deutschland Schutz suchte. Innerhalb von 48 Stunden organisierte der Helferkreis Waldshut-Tiengen das erste große Treffen in der Stadthalle und schaffte es, erneut unzählige Helfer zu mobilisieren. Rund 120 Menschen trugen sich auf den Listen ein. „Das war eher eine andere Gruppe von Ehrenamtlichen. Aber natürlich hat sich auch vieles gedoppelt“, sagt Marion Pfeiffer.

Beim Generationendiolag im Mai 2024 stellt der Helferkreies Asyl sich und seine Arbeit vor (von links): Nour Shiekh (Syrien), Inga ...
Beim Generationendiolag im Mai 2024 stellt der Helferkreies Asyl sich und seine Arbeit vor (von links): Nour Shiekh (Syrien), Inga Midelashvili (Georgien) und Marion Pfeiffer, die den Helferkreis koordiniert. (Archiv-Foto) | Bild: Ursula Freudig

Mittlerweile sei der Bedarf etwas abgeflacht: „Die Ukrainer haben hier eine große Community und haben schnell angefangen, sich selbst zu organisieren“, erklärt Elena Korocencev, eine der ehrenamtlichen Helferinnen.

Elena Korocencev engagiert sich für Geflüchtete aus der Ukraine.
Elena Korocencev engagiert sich für Geflüchtete aus der Ukraine. | Bild: Jörg Holzbach/Cafe Ratsstüble

Neue Ruhe und alte Freundschaften

Heute stehen vor allem Sprachkurse, Arbeitsvermittlung und Behördengänge auf dem Plan, aber auch interkulturelle Begegnung und Verständnis sollen durch Projekte wie die interkulturelle Woche gefördert werden. Aktive Ehrenamtliche gebe es weniger, „so um die 20 bis 25, aber das ist wirklich schwer zu beziffern“, meint Marion Pfeiffer. Denn viele der Ehrenamtlichen betreuen ihre Schützlinge weiterhin, ohne dass es über den Helferkreis läuft. Sie treffen sich zum gemeinsamen Mittagessen oder tauschen sich über Politik, Philosophie und Psychologie aus. Ganz nebenbei kann die Sprache geübt werden und vielleicht die ein oder andere Freundschaft entstehen.

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