Gelassen hat Petra Dorfmeister ihre Vorladung zum Hochnotpeinlichen Malefiz-Narrengericht zu Tiengen aufgenommen. Dort wird die Erste Beigeordnete der Großen Kreisstadt Waldshut-Tiengen am Samstag, 18. Februar, wegen „abscheulicher Missetaten und Verfehlungen“ angeklagt.
„Ihr könnt mir ja nichts“, ist Dorfmeister überzeugt und tritt den Mitgliedern des Narrengerichts selbstsicher entgegen, als diese ihr die Anklageschrift ins Tiengener Rathaus bringen. Schließlich ist die Bürgermeisterin gerade erst einmal ein knappes halbes Jahr im Amt. „Was kann ich in dieser kurzen Zeit also schon verbrochen haben?“, denkt sich Petra Dorfmeister und ist sich laut eigener Aussage keiner Schuld bewusst.
Doch damit hat sie das Hochnotpeinliche Malefiz-Narrengericht zu Tiengen unterschätzt. „Wir finden immer etwas“, betont Narrenrichter Klaus-Dieter Ritz. „Außerdem hattest Du schon ein Leben vor Deiner Amtszeit als Bürgermeisterin“, fügt er mit Verweis auf Dorfmeisters vorherige Karriere beim Waldshuter Landratsamt hinzu.
Doch die Zeit bei der Kreisbehörde habe der Ankläger gar nicht berücksichtigt. „Ich habe mich auf die Spitze des Eisbergs beschränkt“, erklärt Klaus Danner, der mit Unterstützung von „Narrenbolisei“ Oliver Stanik die Anklageschrift verfasst hat. „Ohne den Narrenbolisei hätte ich keine Informationen über die Verfehlungen der Delinquentin“, berichtet Danner. „Ach, Du warst das unter meinem Schreibtisch?“, fragt Petra Dorfmeister den vermeintlichen Spion. „Das brauchte ich gar nicht, denn ich bin ITler“, entgegnet Stanik schlagfertig.
Das wird Petra Dorfmeister vorgeworfen
Klaus Danner zeigt sich fassunglos, „dass ein einziger Mensch in so kurzer Zeit so viele Missetaten begangen hat“. Der Ankläger legt Petra Dorfmeister unter anderem zur Last, dass sie „zum Unmut, Unverständnis und Schaden der redlichen, arbeitsamen und treuen Bürgerschar zu Düenge sich das in wundersamen Glanze erstrahlte Rathaus als Hofstatt auserkoren hat und dort mit einer stattlichen Zahl von Lakaien und Wasserträgern residiert“.

Außerdem sonne sich die Bürgermeisterin im Glanze der Öffentlichkeit und „stellt ihre – zugegebenermaßen – nicht unattraktive äußere Erscheinung in unerträglicherweise zur Schau. Somit ist sie für den in diesem Jahr in bislang unbekanntem Ausmaß um ein Vielfaches angestiegenen Testosteronspiegel der Düengemer Burschenschaft verantwortlich“, heißt es weiter in der Anklage.
Wissenswertes zum Narrengericht
Alle Anklagepunkte werden der Delinquentin am Fasnachtssamstag vorgetragen, wenn das Narrengericht im Hof vor dem Tiengener Storchenturm tagt. „Du musst Dir keine Sorgen machen“, sagt Bernd „Barney“ Müller an Petra Dorfmeister gewandt. Der auch Fürsprech genannte Verteidiger zeigt auf das Pflaster an Klaus Danners kleinem Finger. „Das trägt er, weil er sich die Anklagepunkte dermaßen aus den Fingern saugen musste“, erklärt Müller, der überzeugt ist, dass seine prominente Mandantin freigesprochen wird.
Sollte Petra Dorfmeister dennoch verurteilt werden, droht ihr das berüchtigte Folterrad. „Gibt‘s für Frauen besondere Räder? Ein Größeres, das sich langsamer dreht?“, fragt die Angeklagte die Mitglieder des Narrengerichts, was diese kopfschüttelnd verneinen. „Wie brutal Ihr seid“, stellt die Bürgermeisterin enttäuscht fest.
Narrengericht lebt von Spontaneität
Und dann wird es doch kurz ernst während des ansonsten heiteren Pressegesprächs. „Wir wollten was Gutes zum Wiedereinstieg“, sagt Klaus-Dieter Ritz auf die Frage, warum die Wahl auf Petra Dorfmeister für das erste Narrengericht nach der Coronapause gefallen ist. Klaus Danner, der 2009 als damaliger Polizeichef des Landkreises Waldshut selbst am Folterrad hing, weiß: „Das Narrengericht lebt vom Delinquenten. Wenn da nix rüber kommt, dann ist das nichts.“

Bei Petra Dorfmeister sind die Akteure überzeugt, dass sie während der närrischen Gerichtsverhandlung schlagfertig und spontan auf die Spitzen des Anklägers reagiert. „Das ist das Salz in der Suppe“, sagt Danner über die Veranstaltung, die auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurückgeht und zuletzt immer mehr Zuschauer angelockt habe. „Der Applaus ist unser Lohn – wie bei Schauspielern“, erklärt Klaus-Dieter Ritz und bedankt sich vor allem bei Rolf Krämer, dem Chef der Henkergruppe, der sich seit Jahren um alles Organisatorische rund ums Narrengericht kümmert.
Die Idee, das Narrengericht während der Coronapandemie als abgespeckte Version mit Hygiene- und Abstandsregeln zu veranstalten, hatten die Verantwortlichen seinerzeit rasch verworfen. „Wie soll da Stimmung aufkommen?“, fragt Ritz. Umso erleichterter sind er und seine Truppe, dass das Hochnotpeinliche Malefiz-Narrengericht zu Tiengen in gewohnter Weise zurückkehrt. „Es hat uns gefehlt“, so der Narrenrichter.