Herr Ebner, Sie sind im Vorstand der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) – wie dürfen und können in Corona-Zeiten Narrenzünfte die kommende Fasnacht feiern?
Es gilt auch für die Fasnacht die aktuell gültige Corona- Landesverordnung. Aktuell sind keine Zusammenkünfte und Veranstaltungen im öffentlichen Raum erlaubt. Das heißt, auch keine Narrentreffen und Umzüge und auch keine Saalfasnachten. Die Vorgaben, die die VSAN ihren Mitgliedszünften macht, halten sich an die geltenden Bestimmungen. Ein Anliegen der VSAN ist es jedoch, dass die Fasnacht dieses Jahr nicht vollkommen aus den Köpfen der Bürger gestrichen wird, da sie ja immerhin ein Kulturgut darstellt. Die VSAN stellt es den Mitgliedszünften frei, was sie im Einzelnen an der örtlichen Fasnacht machen. Den Spielraum, den sie dabei haben, geben immer die aktuell geltenden Corona-Regeln vor, das heißt, es kann sich schnell auch immer was ändern.
Keine oder nur eingeschränkte Fasnachtsangebote 2021 – ist dies für Sie und die Mitgliedszünfte der VSAN-Landschaft Hochrhein eine nachvollziehbare Entscheidung?
Ja, eine absolut nachvollziehbare. Man muss sich nur vorstellen, wie viele Menschen zum Beispiel bei Saalfasnachten in den Hallen oder bei Narrentreffen zusammenkommen würden. Da hilft es auch nichts, dass Umzüge bei Narrentreffen im Freien stattfinden, weil die geforderten Abstände auf keinen Fall eingehalten werden könnten. Beim großen Schwäbisch-Alemannischen Narrentreffen in Bad Cannstatt vergangenes Jahr waren zum Beispiel fast 70 Zünfte dabei, allein Hästräger waren es einige tausend.
Wie hart trifft es die Zünfte? Wie ist die Stimmung in den Zünften?
Natürlich trifft es uns alle hart. Die Zünfte und deren Mitglieder haben sich schon sehr auf die tollen Tage gefreut und auch schon viele Ideen für die einzelnen Veranstaltungen gesammelt. Alle haben aber Verständnis, dass die Fasnacht weitgehend abgesagt ist. Alle sehen es als das Wichtigste an, dass die Pandemie eingedämmt wird.
Sie sind Ehrenzunftmeister der Bürger- und Narrenzunft Tiengen, die es doppelt hart trifft, weil sie diese Fasnacht auch das Hochrhein-Narrentreffen ausgerichtet hätte
Ja, ein Narrentreffen auszurichten, ist für die gastgebende Zunft immer eine Ehre, aber auch eine Bürde und mit viel Arbeit verbunden. Wir hatten auch schon viel Zeit in die Vorbereitungen und Organisation des Treffens investiert. Es wäre ein toller Umzug geworden, viele Gruppen aus dem schwäbisch-alemannischen Raum hatten sich angemeldet. Darunter auch Brauchtumsvorführungen von Zünften, die noch nie in Tiengen waren. Wir hätten über 3000 Hästräger gehabt. Nach Absprache mit der VSAN und den Hochrhein-Zünften wurde das Narrentreffen in Tiengen jetzt auf das Jahr 2023 verlegt. Hier hoffen wir natürlich auf eine ebenso große und vielfältige Anmeldung der schwäbisch-alemannischen Narrenzünfte.
Ist die Fasnacht eigentlich schon einmal ausgefallen?
Ja, 1991, während des Golfkriegs wurde sie fast überall kurzfristig abgesagt. Das war aber sehr umstritten. Nicht alle waren der Ansicht, dass wegen dieses Krieges die Fasnacht ausfallen sollte. Die Tiengener Narrenzunft hat damals die Fasnacht und das bereits geplante Hochrhein-Narrentreffen eine Woche vorher komplett absagt. Durch schriftliche anonyme Drohungen versuchten einige, uns davon abzuhalten, aber wir hielten uns an die Weisung des damaligen Präsidenten der VSAN, Horst Bäckert. In einigen Umlandgemeinden fanden jedoch spontane Umzüge statt. Die bereits gefertigten 10.000 Umzugsplaketten für das Narrentreffen wurden umgestanzt und konnten im darauffolgenden Jahr verkauft werden, weil wir glücklicherweise das Narrentreffen gleich 1992 nachholen durften. Dieses Mal ist wie gesagt, das Verständnis für die Absage des Narrentreffens sehr groß und es wurden auch noch keine großen finanziellen Verpflichtungen eingegangen.
Waren Sie 1991 nicht „frisch gebackener“ Zunftmeister der Tiengener Zunft?
Ja, ich war damals in meinem ersten Jahr als Zunftmeister und hatte das Narrentreffen gerade organisiert mit allem was dazugehört, als die Order von ganz oben kam, dass alles abgesagt werden muss. Der Schock saß tief und die Konsequenzen waren groß. Es war eine enorme organisatorische Herausforderung und ein finanzielles Desaster, da schon vieles bezahlt war.
Hat grundsätzlich die diesjährige abgesagte oder eingeschränkte Fasnacht finanzielle Folgen für die Zünfte?
Ja, natürlich. Die Masken und Häser werden ja bei vielen Zünften von der Zunft selbst gestellt und das kostet Geld. Es fehlen außerdem die Einnahmen aus den Saalfasnachten, in Tiengen dem Düengemer Obed, und allgemein, aus dem Plakettenverkauf an den Umzügen. Das Land Baden-Württemberg, speziell das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, hat jetzt mitgeteilt, dass es eine Förderung für Vereine der Breitenkultur geben wird. Darunter fallen auch die Narrenzünfte. Wir wissen aber natürlich noch nicht, wie hoch die Förderung sein wird.
Wie geht der passionierte „Fasnächtler“ Albert Ebner ganz persönlich mit der jetzigen Situation um?
Ich mache sehr gerne Fasnacht, deshalb trifft es mich natürlich schon sehr, wenn jetzt kaum was geht. Aber ich und alle Zünfte hatten schon viel Zeit, sich seelisch darauf einzustellen, denn es war eigentlich schon im Herbst vorhersehbar, dass die meisten Fasnachtsveranstaltungen abgesagt werden müssen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Fasnacht, wird Corona bleibenden Schaden hinterlassen?
Nein, die Fasnacht begeistert damals wie heute, das Interesse an ihr ist sogar eher ansteigend, auch bei den jungen Leuten. Grundsätzlich haben die Zünfte keine Nachwuchssorgen, nur einzelne Zunftgruppen haben ab und zu Probleme. Bei der Tiengener Narrenzunft zum Beispiel könnte der Spielmannszug Verstärkung gebrauchen. Sorgen muss sich aber niemand um die Fasnacht machen. Sie hat Tradition, sie lebt und übersteht alles, auch Corona.
Die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) ist hierfür ein Garant. Wie ist sie aufgebaut, was leistet sie, wer kann Mitglied werden?
Die VSAN wurde 1924 in Villingen gegründet und ist damit eine der ältesten Narrenvereinigungen Deutschlands. Sie besteht aus acht Landschaften mit insgesamt 70 Narrenzünften. Die kleinste Landschaft ist der Hochrhein mit fünf Zünften. Die VSAN erhält, bewahrt und pflegt das Brauchtum und Kulturgut der Schwäbisch-Alemannischen Fasnacht, die 2014 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde. Die VSAN ist auch Träger des Narrenschopfes in Bad Dürrheim, in dem alle heute noch getragenen Fasnachtshäser ausgestellt sind. Besucher erfahren alles über die einzelnen Bräuche der ausgestellten Narrenzünfte. Über die Aufnahme einzelner Zünfte entscheidet der Kulturelle Beirat der VSAN zusammen mit dem Präsidium. Die Ansprüche sind sehr hoch und es muss eine sehr lange, dokumentierte Tradition eines Fasnachtsbrauches vorliegen. Bei der Tiengener Narrenzunft ist dies zum Beispiel das Narrenbrett aus dem Jahre 1715. Der Kulturelle Beirat legt auch die Ausgestaltung der einzelnen Häser fest. Ich kann mich noch gut erinnern, dass die Katzenröllis, eine Gruppe der Tiengener Narrenzunft, 1995 die Zustimmung des Kulturellen Beirats brauchten für ein neues Gschell aus gegossenen Bronzeglocken. Die Motive auf den Katzenrölli-Häsern wurden auch vom Kulturellen Beirat festgelegt.

Blickt die Bürger- und Narrenzunft Tiengen auch schon auf das große Tiengener Heimatfest, den Schwyzertag, den sie traditionell im Juli ausrichtet?
Ja, wir denken positiv, aber planen können wir wegen Corona natürlich nicht. Niemand weiß, was kommt, deshalb können wir auch keine Einladung an Gastgruppen rausschicken. Aber wir werden im Rahmen des Möglichen ganz bestimmt den Schwyzertag feiern.