Die Ausweisung von Flächen zum Ausbau von Freiflächen-Photovoltaik und Windkraft beschäftigen auch die Stadt Waldshut-Tiengen intensiv. Vor allem die Potenziale im Bereich PV-Anlagen in der Fläche sind durchaus vorhanden. Hier will die Stadt sogar noch mehr Flächen als Vorranggebiete deklarieren als sie eigentlich müsste, um die selbst gesteckten Klimaziele zu erreichen. Auch will die Verwaltung im Rahmen einer nun beschlossenen Stellungnahme einige Änderungen am Planentwurf des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee erwirken. Trotz allem blieben im Bauausschuss wie auch im Gemeinderat Bedenken. Die Sorge, dass wertvolle Ackerflächen wegfallen könnten, ist groß.
Wie sehen die Vorgaben des Regionalverbands aus?
Im Rahmen der im Frühjahr beschlossenen Teilfortschreibung des Regionalplans im Bereich Photovoltaik legte der Regionalverband das Planungsziel für die Ausweisung von Vorranggebieten für Freiflächen-PV-Anlagen auf 0,5 Prozent der Verbandsfläche fest. Für den Landkreis Waldshut wären das 783 Hektar.
Im vorgelegten Entwurf wurden bereits Vorranggebiete festgelegt. Ausnahmen seien laut Susanne Kaufmann, stellvertretende Leiterin des Bauverwaltungsamts von Waldshut-Tiengen, durchaus möglich. Allerdings müssten dann an anderer Stelle Photovoltaikanlagen realisiert werden.
Als Mindestgröße für die Vorranggebiete wurde eine Fläche von drei Hektar festgelegt. Ausdrücklich ausgeschlossen wurden vom Regionalverband sogenannte Agri-PV-Anlagen, die eine Weiternutzung der Fläche durch die Landwirtschaft ermöglichen. Grund dafür sei, dass solche Anlagen einen geringeren Energieertrag hervorbrächten.
Was plant Waldshut-Tiengen?
Insgesamt kalkuliert die Stadt mit einem Bedarf von 78 Hektar für Freiflächen-PV-Anlagen. Damit soll ein Prozent der Gesamtgemarkungsfläche von Waldshut-Tiengen für die Energieproduktion vorgesehen werden, wie Kaufmann darstellte. Dies sei der Strategie zur Erreichung der Klimaziele geschuldet, aber auch dem Umstand, dass Windkraftnutzung in Waldshut-Tiengen keine Potenziale habe.
Konkret will die Stadt den Anteil bis 2040 den kompletten Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen decken, wie Klimaschutzmanager Nicolai Müller vorrechnete. Besonderes Augenmerk liege auf Photovoltaik: „Dabei ist der Flächenbedarf für Freiflächen-Anlagen abhängig von der Nutzung der Dachflächen für Stromerzeugung.“
Aktuell würden 30 Prozent der Dachflächen für Stromerzeugung genutzt. In den nächsten 16 Jahren sei realistisch eine Steigerung auf 50 Prozent zu erwarten, so Müller. Damit bliebe rechnerisch ein Flächenbedarf von 73 Hektar für Freiflächenanlagen.
Wie ist der aktuelle Stand?
Im Entwurf der Raumnutzungskarte des Regionalverbands sind laut Susanne Kaufmann auf Waldshut-Tiengener Gemarkung 109 Hektar Fläche für Freiland-PV-Anlage vorgesehen: „Damit soll gewährleistet sein, dass die vorgesehene Mindestfläche auch wirklich erreicht wird, denn es ist längst nicht gewährleistet, dass alle Eigentümer mitmachen.“
Allein 63 Hektar davon befinden sich auf der Gemarkung des Ortsteils Aichen. Nach strategischer Umweltprüfung und Abwägungen sei aber deutlich geworden, dass speziell in diesem Bereich Änderungen vorgenommen werden müssten. So sollen drei Bereiche mit einer Gesamtfläche von 44 Hektar gestrichen werden. Stattdessen soll eine Fläche östlich von Aichen neu zugeschnitten und insgesamt vergrößert werden.
Zusätzlich bringen die Stadtwerke Waldshut-Tiengen die frühere Deponie bei Tiengen als Freifläche für Photovoltaik ins Spiel. Diese ist 2,8 Hektar groß.
Wo gab es seitens der Stadträte Kritik?
Im vorliegenden Fall ging es ausschließlich um eine Stellungnahme der Stadt, die noch dazu unter erheblichem Zeitdruck erfolgen müsse, wie die Erste Beigeordnete Petra Dorfmeister und auch Susanne Kaufmann mehrfach betonten. Weder spielten im jetzigen Stadium konkrete Eigentumsverhältnisse eine Rolle, noch seien die Vorschläge in Stein gemeißelt.
Dennoch mündete die Sorge einiger Ratsmitglieder um die Versiegelung landwirtschaftlicher Flächen in eine engagierte Diskussion: „Es ist ein Unding, wertvolle Ackerfläche für derartige Vorhaben in Erwägung zu ziehen, denn dadurch werden sie der Nahrungsmittelproduktion entzogen“, mahnte Christian Maier (CDU), Ortsvorsteher von Aichen-Gutenburg.

Auch Kai Uwe Zeitz (FW) sprach sich für die Prüfung von Alternativen Flächen aus: „Hier sollen die besten und fruchtbarsten Flächen dauerhaft überbaut werden. Das ist zu kurz gedacht.“ Seine Fraktionskollegen Thomas Hilpert und Harald Würtenberger argumentierten in die selbe Richtung und forderten plakativ: „Dächer statt Äcker“ für den Ausbau erneuerbarer Energien. Zumal: „Das Versiegeln von Flächen ist nur die eine Seite, danach müssen auch noch Leitungen verlegt werden“, so Würtenberger.
Derweil stellte Anette Klaas (NL) Aichen als Standort für PV-Anlagen generell in Zweifel: „Aufgrund des Höhennebels ist dort kein hoher Energieertrag zu erwarten.“
Philipp Studinger und Nathalie Rindt (CDU) zeigten sich konzilianter: Die Debatte zeige eindrücklich, wie schwierig die Umsetzung der Klimaziele sei. Gleichwohl sollte die Energie vor allem in die Suche pragmatischer Lösungen investiert werden.
Oberbürgermeister Martin Gruner gab derweil zu bedenken, dass die Stadt dann mehrfach Probleme bekomme, wenn die vorliegenden Flächenvorschläge abgelehnt werden: „Dann können wir uns vom Ziel der Klimaneutralität verabschieden, denn die Dächer reichen nicht aus.“ Außerdem gebe die Stadt dadurch ein Stück weit das Heft des Handelns aus der Hand. Zudem ginge es schlicht darum, gesetzliche Vorgaben zu erfüllen.
Der Stellungnahme zum Entwurf des Regionalverbandes stimmten am Ende sowohl Gemeinderat als auch Bauausschuss mit deutlicher Mehrheit zu. Damit sei aber längst das letzte Wort noch nicht gesprochen, versicherte Petra Dorfmeister: „Es wird sich im weiteren Verfahren noch einiges ändern.“ Außerdem gebe es noch immer Spielräume, Flächen zu tauschen.