Wie das Mahnmal einer längst vergangenen Zeit ragt ihr Wohnturm in die Höhe: Die sogenannte Schwaben-Migros an der Konstanzerstraße in Kreuzlingen zeugt davon, dass der Strom an Einkaufstouristen in unserer Region einst in umgekehrter Richtung verlief.
Nämlich von Deutschland aus in die Schweiz. Damals, als es für „Schwaben“ – wie alle Deutschen in der Schweiz oft verallgemeinernd bezeichnet werden – noch wechselkurstechnisch interessant war, sich im Nachbarland mit Nudeln, Schokolade oder Tabakwaren einzudecken.
Investor steckt 35 Millionen Schweizer Franken in das seit Langem leerstehende Gebäude
Das ist längst Geschichte. Das unweit des Grenzübergangs Emmishofer Tor gelegene Gebäude der „Schwaben-Migros“ war rund zehn Jahre verwaist. Doch dann hat Kurt Spring, ein Schweizer Investor, rund 35 Millionen Franken in die Hand genommen, die Liegenschaft gekauft und lässt das Gebäude seit diesem Sommer gesamterneuern. Es soll wieder ein Platz für Geschäfte sowie Wohnungen werden.
Baustart des Projekts „Midori“ war im Juni, unter Leitung des Generalunternehmers i+R. Mit der Fertigstellung sei bis Frühjahr 2022 zu rechnen, hieß es damals. Doch kann dieser Zeitplan eingehalten werden? Trotz der hohen Corona-Infektionszahlen in der Schweiz?
„Bis jetzt sind uns noch keine Corona-Fälle von Mitarbeitern bekannt“, beruhigt Torsten Gabele, der bei der i+R-Gruppe für die Bauprojekte in der Schweiz verantwortlich ist. Und das, obwohl auf dem Bau keine so hohen Corona-Auflagen gelten würden wie in Deutschland, fügt Gabele an: „Es gibt etwa keine generelle Maskenpflicht, und wir können eine solche auch nicht verfügen, das liegt im Ermessen der jeweiligen Bauunternehmen.“
Die Bauleitung könne nur die Infrastruktur wie eine Waschstation mit Desinfektionsmitteln zur Verfügung stellen. Auch arbeiteten die rund 30 Bauarbeiter primär in kleinen Gruppen. „Und das Gebäude ist derzeit noch relativ offen und damit gut durchlüftet.“
Bei einem Baustellenrundgang zeigt Gabele, wie weit das Projekt gediehen ist. „Ich hoffe, dass wir durchkommen und das Gebäude wie geplant auf Weihnachten schließen können“, sagt der Projektleiter, während er auf den noch von Baugerüsten dick eingepackten Wohnturm blickt: „Wir mussten zunächst eine komplette Kernsanierung vornehmen, also einen Rückbau auf den Rohbau, und dann das Gebäude praktisch neu aufbauen.“

Und schon geht es rein. Im Erdgeschoss, wo bis Herbst 2021 die Gewerbefläche entstehen soll, zeigt Gabele auf eine dicke Sichtbetonwand: „Sie dient der Erdbebensicherung.“ In der Schweiz sei man gesetzlich dazu verpflichtet, Bauten entsprechend nachzurüsten.
„Das Gebäude statisch neu zu entwickeln, war neben dem Rückbau eine der größten Herausforderungen“, sagt der Projektleiter. Die Sichtbetonwand durchzieht vom Untergeschoss aus alle Etagen, inklusive des achtgeschossigen Wohnturms, bis hinauf zum Dach.

Im ersten Obergeschoss stehen bereits die Schallschutzfenster bereit. Hier entstehen Wohnstudios und Büros.
„Und das Loch dort wird doppelt so groß sein wie jetzt und das Licht für einen Lichthof hereinlassen“, erklärt Gabele und zeigt auf eine Luke im Dach.

Immer weiter geht es den Wohnturm hinauf, in dem 51 Ein- bis Zweizimmerwohnungen Platz finden sollen. Jede Etage steht für einen Bauabschnitt. Man arbeite sich von unten nach oben vor, sagt Gabele.
Während auf einem Geschoss die Spezialplatten für den Brandschutz bereits angebracht sind, werden sie auf der nächsten von Gipsern gerade angeschraubt. „Das musste auch alles neu gemacht werden, denn das Gebäude ist bereits 60 Jahre alt.“
Schließlich öffnet sich die Tür zur künftigen Dachterrasse. Ohne Nebel könnte man von hier aus die Schweizer Voralpen sehen. Immerhin ist das Konstanzer Münster gut zu erkennen.
„Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck und hoffen, dass wir bis Weihnachten auf den Worst Case, einen Corona-Ausbruch, vorbereitet sind, und das Gebäude soweit fertig ist, dass es durch Kälteeinbrüche und Schnee keinen Schaden nimmt“, betont Gabele. Derzeit aber seien sie voll im Zeitplan.