Allgemeinarzt Robert Hayes ist gebürtiger Amerikaner, wohnt aber schon seit mehreren Jahrzehnten in Konstanz. „Ich habe in den USA gelernt, pragmatisch und flexibel zu sein“, sagt er. „So wollte ich es auch handhaben beim Thema Impfen. Da ging es lange Zeit zu langsam voran in Deutschland.“
Robert Hayes Idee: Sich mit ein paar anderen Ärzten zusammentun, eine Halle anmieten, und dort die jeweiligen Dosen der beteiligten Kollegen tageweise in einer konzertierten Aktion verimpfen. „Da hätten wir schnell und effektiv vorgehen können. In den Praxen können wir aufgrund der normalen Belastung nur Standgas fahren“, erklärt Robert Hayes.
„In meinen Augen eine klassische Win-Win-Situation: Die Menschen hätten profitiert, die Stadt und das Land hätten profitiert, und wir Ärzte hätten profitiert, da die Impflinge nicht im Praxis-Alltag hätten erscheinen müssen.“ Hätte, wenn und aber – das Vorhaben kam nicht zur Umsetzung. „Die Stadt wollte mir keine dauerhaften Termine geben“, sagt er einigermaßen frustriert.
So viel kosten die Impfzentren
Bereits im April rechnete der SÜDKURIER aus, dass bei voller Auslastung in einem Impfzentrum pro Tag rund 35.000 Euro Personalkosten auflaufen können. Zusätzlich können die Betreiber laut Sozialministerium Sachkosten von bis zu 91.400 Euro pro Monat sowie einmalig von bis zu 150.000 Euro für den Auf- und Abbau geltend machen.
Für die Technik stehen allen kommunalen Impfzentren zusammen zusätzlich etwa 2,5 Millionen Euro zur Verfügung. „Konkrete Abrechnungen erfolgen erst noch und liegen uns noch nicht vor“, sagte im April ein Sprecher des Sozialministeriums.
Und das erhalten Hausärzte für Impfungen
Jedes Impfzentrum verfügt über ein Ultratiefkühlgerät, das jeweils rund 8500 Euro kostet, sowie zwei normale Medizinkühlschränke, die rund 1200 Euro kosten sollen. Robert Hayes stellt diese Gegenrechnung: „Wir Ärzte erhalten lediglich 20 Euro pro Impfung. Hierin enthalten sind Betriebskosten, langwierige Aufklärungsgespräche, Personaleinsatz, Vorhalten der Infrastruktur und so weiter.“
Zunächst wollte Robert Hayes mit Kollegen in die Wollmatinger Halle beim Schwaketenbad gehen und fragte bei der Stadt an. Als Antwort bekam er einen achtseitigen Katalog mit Hygienemaßnahmen. Hier ist so ziemlich alles geregelt, von der Anreise oder Beschilderung, über rechtliche Betreuung oder Registrierung, bis hin zur Verabreichung oder Dokumentation.
„Wir Ärzte impfen seit Jahrzehnten“, so Robert Hayes. „Salopp gesagt, genügt mir ein Stuhl mit Sichtschutz und Platz drumherum. Ein wenig mehr Pragmatismus hätte ich mir gewünscht.“ Die Maßnahmen seien aufgrund des Aufwandes so nicht umsetzbar gewesen.
Stadt sieht keinen Gestaltungsspielraum
Hätte es für die Stadt denn Möglichkeiten gegeben, die Hygienemaßnahmen in der Sporthalle ein wenig aufzuweichen? Pressesprecher Walter Rügert dazu: „Kommunen haben lediglich die Möglichkeit, das Land und den Landkreis im Rahmen von Gemeindeimpftagen organisatorisch zu unterstützen. Die Vorgaben für Impfungen kommen vom Land. Einen eigenen Gestaltungsspielraum für Impfungen seitens der Kommunen geben die Vorgaben von Bund und Ländern aktuell nicht her.“

In Niedersachsen jedoch gibt es sogar „Drive-By-Impfungen“ – Menschen fahren an einer Impfstation vorbei und erhalten ihr Vakzin. Wieso sind solche Lösungen im Sinne einer schnelleren Durchimpfung bei uns nicht möglich?
Drive-By-Impfungen: Warum das bei uns nicht erlaubt ist
Walter Rügert erklärt: „Vorgaben treffen nicht die Kommunen, sondern die jeweiligen Länder. Bei uns: das Sozialministerium. Wenn die Stadt Konstanz eigene Räumlichkeiten für private Impfaktionen zur Verfügung stellt, steht sie in der Mitverantwortung der Einhaltung von Hygieneregeln, die für die Corona-Impfung gelten.“ Die Stadt erwarte auch von anderen Mietern, dass sie das erforderliche Hygienekonzept erstellen, vorlegen und einhalten – besonders bei einer Reihenimpfung.
Zweite Lösung klappt auch nicht
Also wurde die Alternative Bodenseeforum ins Spiel gebracht. Hier existiert ja bereits eine entsprechende Infrastruktur. Geschäftsführerin Ruth Bader bot Robert Hayes zunächst sechs komplette Tage an, dazu die Zweitimpfungen sechs Wochen später. „Wir hätten pro Tag 200 Menschen impfen können“, rechnet der Mediziner hoch.
Die Zahl der angebotenen Tage schrumpfte bis Ende April auf drei. Dazu schrieb Ruth Bader: „Heute morgen hat die Verwaltungsspitze getagt und über die Nutzung der Impf-Infrastruktur des Bodenseeforums durch Ärzte diskutiert und Entscheidungen getroffen. Da damit zu rechnen ist, dass auf den Landkreis mehr Impfstoff zukommen wird und das Bodenseeforum häufiger für Gemeindeimpftage genutzt wird, kann ich ihnen fest nur diese Termine zusagen.“

Außerdem habe die Verwaltungsspitze entschieden, dass für die Nutzung des Hauses als Impfort ab Mai eine Tagespauschale von 500 Euro für acht Stunden oder eine Halbtagespauschale von 300 Euro bis vier Stunden zu zahlen sei, mit der die Reinigungs- und Betriebskosten gedeckt würden. Die zusätzlichen Personalkosten für das Impfen und die Einhaltung der Hygienekonzepte seien durch die impfenden Ärzte/Praxen zu tragen.
Am späten Abend des 22. Aprils schrieb Robert Hayes der Geschäftsführerin dann diese Antwort: „Unter den genannten Voraussetzungen verzichte ich auf die Inanspruchnahme des ‚Impfzentrums‘“. Gegenüber dem SÜDKURIER sagte er: „Ich bin frustriert. Meine Intention war es, mit der Impfung voranzukommen und Ärzte, Patienten und Stadt zu entlasten. Ich hatte mit Unterstützung gerechnet, nicht aber mit so etwas.“