Hubertus Reiber sitzt an einem der vielen Tische im geheimnisvollen Garten der Villa Barleben direkt an der Seestraße und nippt an seinem Cappuccino. „Wir haben hier so viel Herzblut hineingesteckt“, sagt er. „Wir bedauern diesen Schritt, er fällt uns nicht leicht. Aber wir haben keine andere Wahl.“
Herzblut. Bedauern. Keine andere Wahl. Hubertus Reiber gibt das bekannt, was bereite viele Konstanzer geahnt hatten: Das Restaurant Barleben am See schließt seine Pforten. Ende Juli findet noch einmal eine Hochzeit in dem schmucken historischen Haus statt, danach gehören Garten und Gasträume gänzlich den Hotelgästen, die in den neun Zimmern wohnen.
Konstanz und die Welt waren zu Gast
„Die freuen sich“, sagt der Chef und lächelt, „denn dann sind sie wieder unter sich.“ So ganz ernst meint er das offenbar nicht – zu sehr war er in den vergangenen 35 Jahren Gastgeber aus Leidenschaft: Für die Menschen, die im Hotel untergebracht waren, aber auch für diejenigen, die im Sommer im Garten zu Abend aßen oder an der Bar Cocktails bestellten. „Es hat immer Spaß gemacht“, erzählt der 65-Jährige. „Wir haben so viele tolle Geschichten erlebt.“
Prominente gaben sich im Barleben die Klinke in die Hand. Hildegard Knef war der vielleicht prominenteste Gast. „Kurz vor ihrem Tod 2002 erhielt sie eine Auszeichnung in der Schweiz und wohnte vorher ein paar Tage bei uns“, erinnert sich Hubertus Reiber. „Wir hatten die Ehre und durften uns ein wenig um diese Persönlichkeit kümmern. Was für eine stilvolle Frau.“
Ruth-Maria Kubitschek wohnte ebenfalls mehrmals im Barleben, auch Joschka Fischer oder diverse Nobelpreisträger, die für das traditionelle Treffen in Lindau hier übernachteten. „Eckart von Hirschhausen hat zu Beginn des Jahrtausends sechs Wochen in unserem Garten gelegen und sein erstes Buch hier geschrieben“, so Hubertus Reiber.
Vom Barleben in den Guten Hirten
Wenn der studierte Forstwirt aus der Nähe von Koblenz, der sich Mitte der 1980er-Jahre in Konstanz verliebte und hier zunächst als Finanzdienstleister niederließ, von seiner Zeit als Gastronom erzählt, dann strahlen seine Augen. Im Gespräch mit dem SÜDKURIER verheimlicht er aber auch nicht, wie sehr ihn das Ende seines Restaurants schmerzt.
„Es ging einfach nicht mehr“, sagt er. „Wir hatten vor Corona mehr als 60 Studenten hier. Die sind alle weg, da sich das Studentenleben komplett gewandelt hat. Das erleben alle Gastronomen.“ Als dann vor rund einem Jahr das Angebot kam, den Guten Hirten in der Zollernstraße von Tamara Unterwerner zu übernehmen, fiel der Entschluss, das Restaurant Barleben zu einem Ende kommen zu lassen, deutlich leichter.
„Das Weinlokal läuft super“, berichtet Hubertus Reiber, „das entschädigt für vieles. Unsere Festangestellten vom Barleben sind dort alle untergekommen, also hat niemand seinen Job verloren, das war uns sehr wichtig.“ Und so schließt er sein geliebtes Restaurant zwar mit einem weinenden, aber auch mit einem lachenden Auge.
„Viele Konstanzer sprechen mich an und bedauern das Ende“, sagt er, „aber das zeigt mir natürlich auch, dass wir es offenbar ganz gut gemacht haben. Und wer weiß: Vielleicht wird es das Restaurant wieder geben, wenn sich ein Interessent findet, der das Risiko eingehen möchte.“
Denn die 35 Jahre waren keineswegs nur Spaß und Freude – was aber nicht an den Gästen lag, sondern eher an den Rahmenbedingungen: „Das hier ist reines Wohngebiet und ab 24 Uhr muss Ruhe herrschen. Ein paar Meter weiter beim Riva oder beim Casino ist Mischgebiet, und da darf es auch mal lauter werden.“ Doch lamentieren möchte er nicht, „dafür war es viel zu schön und dafür habe ich mit dem Hotel und mit dem Hirten noch viel zu viel Spaß“.
Eine Frage bleibt noch: Wieso heißt das 1872 erbaute und heute unter Denkmalschutz stehende Haus eigentlich Barleben am See? Wo es doch vorher Haus Antoinette oder Villa Fehr genannt wurde? „Meine Frau heißt Sybille Köhne zu Barleben, ich Hubertus Reiber. Was klingt denn nun besser? Barleben am See oder Reiber am See? Eben“, erzählt der Vollblut-Gastronom lachend.