Die Umnutzung von alten Gebäuden, speziell von Kirchen, hat in Konstanz schon eine lange Tradition. Die ehemaligen Kirchen St. Paul, St. Jodok und St. Johann wurden schon vor über 200 Jahren profaniert und dienen heute anderen Zwecken, wie als Kulturzentrum, Nachtclub oder Gastronomie. Das diesjährige Thema des Tags der Architektur zeigt, dass die Frage der Umnutzung von Gebäuden aktueller ist denn je.

Deshalb hat die Architektenkammer des Landkreises Konstanz, seit Oktober 2022 unter dem Vorsitz des Konstanzer Architekten Lars Kratzheller, das Besichtigungsprogramm des Tags der Architektur auf Konstanz fokussiert – und dieses Programm hat ein Publikum von etwa 70 Personen angelockt.

St. Johann: Von der Kirche zum Coworking-Space

Rund 50 interessierte kamen im Mai zur Podiumsdiskussion „Einzelhandel und die Innenstadt von morgen“ in die ehemalige ...
Rund 50 interessierte kamen im Mai zur Podiumsdiskussion „Einzelhandel und die Innenstadt von morgen“ in die ehemalige Kirche Sankt Johann. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

Den Anfang machte St. Johann in der Niederburg. Der frühere Kirchenraum war lange ein Saal für Veranstaltungen katholischer Vereine, dann auch für politische und Fasnachtsveranstaltungen, bis die Gastronomenfamilie den Betrieb aufgab.

Zeitweise wurde das ehemalige Gotteshaus auch als Studio für eine SWR-Sendung mit Gaby Hauptmann genutzt. Diese wurde unter dem Titel „Talk am See“ bis Ende 2019 ausgestrahlt. Rund ein Jahr später wurde dann die frühere Stiftskirche auf einem Immobilienportal für 2,9 Millionen Euro zum Kauf angeboten. Ein Investor kaufte das Objekt schließlich. Zu welchem Preis? Darüber wurde Stillschwiegen bewahrt.

Das könnte Sie auch interessieren

Schließlich wurde der Saal mit den Nebenräumen zu einem Raum für unterschiedliche Arbeitsplätze (auch für Coworking) sowie Kulturelles und Veranstaltungen. Nach langen Überlegungen über den Namen des Projekts und der Räumlichkeiten ist die Trägerfirma zu dem Namen zurückgekommen, unter dem das Gebäude bekannt ist: „St. Johann“.

Telekom-Hochhaus: Vom Bürokomplex zum Wohnturm

Seit dem Frühjahr 2023 werden am ehemaligen Telekom-Hochhaus die Balkone installiert. Hier sind sie bereits auf den unteren Stockwerken ...
Seit dem Frühjahr 2023 werden am ehemaligen Telekom-Hochhaus die Balkone installiert. Hier sind sie bereits auf den unteren Stockwerken zu erkennen. | Bild: Gerhard Plessing | SK-Archiv

Von der Niederburg zum höchsten Wohnhaus der Stadt: Bei dem ehemaligen Büro-Hochhaus der Telekom ist bekannt, dass hier hochpreisige Wohnungen entstehen. Die Führung durch Philipp Blomeier, der als Bauleiter an dem Projekt beteiligt ist, hat gezeigt, dass die zukünftigen Bewohner durch die Qualität der verwendeten Materialien dafür einen realen Wert bekommen.

Das könnte Sie auch interessieren

Am Beispiel der Verkleidungen der Betonbrüstungen der Balkone konnte man sehen, wie aufwendig diese hergestellt sind. In den Beton sind glasierte Keramikplättchen in verschiedenen Grüntönen eingelassen, die zudem konkav sind und dadurch eine wellenförmige Optik ergeben. Die Betondecken wurden auf den elf Wohngeschossen nach außen hin erweitert, um Platz für die Balkone zu schaffen, die in einer flachen Zickzackform angeordnet sind.

Die Architekten Sauerbruch und Hutton und die Baufirma legen Wert darauf, dass der Umbau viel weniger Energie verbraucht, als wenn so ein Gebäude neu erbaut würde – es werden immerhin 93 Prozent der Bausubstanz erhalten. Dabei fällt es wohl weniger ins Gewicht, dass die Fertigteile für die Balkone von einer Spezialfirma in Rostock produziert und auf die weite Reise geschickt werden, um hier handwerklich verbaut zu werden.

Das könnte Sie auch interessieren

Rieter-Werke: Von der Maschinenhalle zur Oldtimergarage

Etwas weiter westlich in Petershausen, zwischen der Baustelle für die Berufsschulen und dem großen ehemaligen Siemens-Areal, liegt das Gelände der 1874 gegründeten Rieter-Werke an der Ecke Schneckenburgstraße/Bücklestraße, in denen früher Maschinen zur Ziegelherstellung produziert wurden.

Diese Halle der ehemaligen Rieter-Werke ist heute eine Oldtimer-Halle. Insgesamt etwa 70 Interessierte nutzen die Führungen am Tag der ...
Diese Halle der ehemaligen Rieter-Werke ist heute eine Oldtimer-Halle. Insgesamt etwa 70 Interessierte nutzen die Führungen am Tag der Architektur, um umgenutzte Gebäude zu sehen und sich erklären zu lassen. | Bild: Patrick Brauns

Die einzelnen Gebäude aus verschiedenen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts dienen heute ganz unterschiedlichen Zwecken und konnten als dritte Station ebenfalls besichtigt werden. Zuerst wurde eine 1970 angebaute Halle besichtigt, die heute als Oldtimergarage mit Werkstätten genutzt wird. Sie ist architektonisch geprägt durch ein Dachfenster über die gesamte Länge und zwei runde Fenster an den Schmalseiten.

Staunen rief der älteste Teil der Fabrik hervor, denn beim Eintreten war ein völlig schwarz gestrichene Innenraum zu sehen. Dieser Gebäudeteil wurde den Wünschen der heutigen Besitzerin, der Hillsong Church, einer aus Australien stammenden pfingstlichen Freikirche, angepasst, ohne die strengen Auflagen des Denkmalschutzes zu verletzen, wie der beauftragte Architekt Alex Höfflin erklärte.

Das könnte Sie auch interessieren

Der Vorraum mit Kaffee-Bar, Medienverkaufstisch und Toiletten ist ebenso dunkel gehalten wie der Gottesdienstraum, um die Lichtshows, mit denen die Kirchengemeinde ihre Gottesdienste gestaltet, besser zur Geltung zu bringen. Die Halle wirkt eher wie ein Konzertsaal mit Bühne und viel Technik, aber ohne religiösen Symbole. Nur die Gebäudeform erinnert etwas an eine Basilika.

Die Fensterfront an der Schneckenburgstraße musste trotz energetischer Nachteile erhalten bleiben, eine äquivalente Modernisierung wäre unbezahlbar gewesen. Am Schluss stellte Lars Kratzheller das erste und das letzte Projekt einander gegenüber: „Während im St. Johann gearbeitet wird, wo früher gebetet wurde, ist es hier umgekehrt: Hier wird gebetet, wo früher gearbeitet wurde.“ Der Ausklang fand in dem Lokal Wohnzimmer statt.

Das könnte Sie auch interessieren