Svea Weinhold hat alles richtig gemacht. Die Gymnasiallehrerin lebt mit ihrer Familie in Konstanz und pendelt seit 2014 fast täglich nach Steißlingen, wo sie in der Gemeinschaftsschule unterrichtet. „Anfangs bin ich immer mit der Familienkutsche, einem VW-Bus, gefahren“, erzählt die Mutter von vier Kindern. „Alleine unterwegs in einem riesigen Auto, das wurde immer fragwürdiger für mich.“

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Gelegentlich konnte sie Fahrgemeinschaften mit anderen Lehrern bilden. Als verlässliche Dauerlösung taugte das jedoch nicht. So reifte der Gedanke, ein kleines E-Auto für den Weg zu Arbeit zu kaufen. „Zunächst wollte ich unbedingt einen Fiat 500 kaufen, weil der so klein ist“, sagt Svea Weinhold. Doch dann wurde es vor zwei Jahren ein Renault Zoe. „Ich habe ein gebrauchtes Modell von 2014 für 6000 Euro gekauft. Das war viel günstiger als vergleichbare Autos.“

Lange Wartezeiten auf E-Autos, riesige Nachfrage

Von solchen Angeboten können jetzige Kaufinteressenten nur träumen, wie Hans-Jörg Blender, Chef des gleichnamigen Autohauses in Radolfzell, berichtet. „Im Moment gibt es keine Kontingente, egal welches E-Auto man haben möchte“, sagt er.

Hans-Jörg Blender hat in seinem Radolfzeller Autohaus keine Elektromobile mehr vorrätig.
Hans-Jörg Blender hat in seinem Radolfzeller Autohaus keine Elektromobile mehr vorrätig. | Bild: Trautmann, Gudrun

„Die Nachfrage ist hervorragend. Wenn wir liefern könnten, könnten wir jede Woche drei, vier Fahrzeuge verkaufen.“ Die Realität sieht anders aus. Die Lieferzeiten betragen sechs bis neun Monate. Selbst mit Wartezeiten von einem Jahr könnten die Kunden nach Ansicht Blenders leben, wenn sie eine Preisgewissheit und klare Aussagen über die Höhe der Förderung hätten.

Hier erwartet der Autohändler mehr Eindeutigkeit von der Politik. Doch das ist noch nicht alles: Zu den Lieferengpässen bei Computerchips, den hohen Stahlpreisen und Energiekosten kommt jetzt noch ein eklatanter Fachkräftemangel hinzu.

Lade-Infrastruktur wird im Landkreis schnell ausgebaut

E-Auto-Ladestelle in Konstanz Parkshaus Benediktinerplatz in Konstanz.
E-Auto-Ladestelle in Konstanz Parkshaus Benediktinerplatz in Konstanz. | Bild: Hanser, Oliver

Wie sieht es im Landkreis Konstanz mit der Ladekapazität aus? Würde sie überhaupt ausreichen, wenn alle Kundenwünsche nach E-Autos zeitnah befriedigt würden? Hier gibt sich der Kreishandwerksmeister Hans-Jörg Blender gelassen: „Das Laden ist kein Problem. Auch wenn wir in Deutschland gegenüber anderen Ländern wie Frankreich oder Italien noch hinterherhinken, so wird die Infrastruktur doch rasch ausgebaut.“

Nachgefragt bei der Thüga-Energie in Singen, zeichnet der Geschäftsführer Markus Spitz folgendes Bild: „Es gibt deutliche Zuwächse im Bereich öffentliches Laden. Die Anzahl der Ladevorgänge sowie die Strommengen, die geladen wurden, haben sich von 2020 zu 2021 nahezu verdoppelt. Wir spüren ein stark gestiegenes Interesse an Lademöglichkeiten für Zuhause und auch von Gewerbebetrieben.“

Die Thüga baut wie auch alle Stadtwerke im Landkreis Konstanz die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität im Landkreis Konstanz sukzessive ...
Die Thüga baut wie auch alle Stadtwerke im Landkreis Konstanz die Ladeinfrastruktur für die E-Mobilität im Landkreis Konstanz sukzessive aus. | Bild: Holger Hagenlocher

Die Thüga unterstütze nach Kräften den Einbau von Wallboxen. Derzeit seien die Handwerksbetriebe jedoch so stark ausgelastet, so dass die Kunden Geduld mitbringen müssten. Allein die Thüga betreibt im Gebiet Singen/Hegau mittlerweile 16 öffentliche Ladesäulen mit rund 40 Ladepunkten.

Zuletzt wurden drei Lademöglichkeiten im neuen Parkhaus am Gleis in Singen in Betrieb genommen. Diese werden mit Solarenergie vom Dach gespeist. Auch die Stadtwerke der Landkreiskommunen sind in das Ladegeschäft eingestiegen.

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Landkarte mit Ladesäulen der Stadtwerke Konstanz

Svea Weinhold hat eine Ladekarte von den Stadtwerken Konstanz, mit der sie aber auch Strom an anderen Ladesäulen zapfen kann. „Ich habe mich gegen eine eigene Ladestation zu Hause entschieden“, sagt die Lehrerin. „Die brauche ich nicht.“ Allerdings fährt bei ihr auch immer die Sorge mit, dass die Ladesäulen schon belegt oder – wie kürzlich im Parkhaus am Singener Herz-Jesu-Platz – alle drei Ladesäulen defekt sind. „Dann entsteht schon ein gewisser Nervenkitzel“, sagt sie.

Am Ende konnte sie vor dem Kunstmuseum auf einem Parkplatz ihren Akku aufladen. Eine Akkuladung für sechs Euro reicht für dreimal Konstanz – Steißlingen und zurück. Neuere Modelle haben die doppelte Reichweite.

„Man fährt bewusster als mit einem Verbrenner“, erzählt Svea Weinhold nach zwei Jahren Erfahrung. „Und man fährt auch langsamer.“ Als ausschließliches Auto würde sie den kleinen Stromer nicht wählen. Vor allem fragt sie sich, wie es um die Ladeinfrastruktur bestellt ist, wenn noch viel mehr Menschen auf E-Autos umsteigen.

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Auto beim Arbeitgeber laden

Hierzu macht sich der Geschäftsführer der Energieagentur im Kreis Konstanz, Gerd Burkert, keine Sorgen. „In naher Zukunft werden Elektrofahrzeuge überwiegend tagsüber beim Arbeitgeber geladen, wo Photovoltaik-Strom auf den Firmendächern zur Verfügung steht. Abends und nachts versorgen die E-Mobile dann die Wohnung oder das Haus mit Strom aus dem Fahrzeug und es bleibt morgens immer noch genug Strom übrig, um wieder zur Arbeit zu kommen.“

Der Chef der Energieagentur im Landkreis Konstanz, Gerd Burkert, hat getestet, wie sich Strom aus der Autobatterie im privaten Haushalt ...
Der Chef der Energieagentur im Landkreis Konstanz, Gerd Burkert, hat getestet, wie sich Strom aus der Autobatterie im privaten Haushalt nutzen lässt. | Bild: Georg Lange | SK-Archiv

Dass das keine Utopie mehr ist, hat er im Selbstversuch mithilfe eines sogenannten Lastumschalters getestet: „Jetzt ist das vorerst nur über das manuelle Umschalten auf ein ‚Notstromaggregat‘ zulässig.“ In Burkerts Test war das das Elektrofahrzeug. Künftig werde das Umschalten aber automatisch funktionieren. „E-Mobilität hilft also, den Sonnenstrom vom Tag in die Nacht zu verschieben“, erklärt Burkert. „Das sogenannte bidirektionale Laden entlastet dann abends auch die Netze.“