Von außen macht der Neubau in der Güttinger Straße durchaus etwas her. Die Holzverkleidung und die vielen Fenster lassen das Gebäude in der zweiten Reihe hochwertiger erscheinen, als es im Inneren der Fall ist. Denn hier ist in Rekordzeit nicht hochwertiger Wohnraum, sondern eine Anschlussunterbringung für bis zu 60 Personen entstanden.

Bei der offiziellen Eröffnung der Unterbringung konnten sich Radolfzeller Stadträte ein Bild über die Wohnräume machen. Die Wände sind weder verputzt noch gestrichen, sondern haben die rohe Holzoptik der fertigen Module, mit denen die gemeinnützige Stiftung Hoffnungsträger Projektentwickler GmbH aus Leonberg den Bau realisiert hatte. Dank dieser Fertigbauweise und der einfachen Ausstattung war die Anschlussunterbringung in knapp einem halben Jahr fertiggestellt worden.

Bau war in zirka sechs Monaten fertig

Die Vergabe fand im November 2023 statt, Baubeginn war im Februar und Anfang August können die ersten Bewohner einziehen. Gekostet hat die Anschlussunterbringung etwa 2,6 Millionen Euro, davon waren 500.000 Euro aus Fördermitteln. Kostenrahmen und Zeitplan seien bei diesem Projekt eingehalten worden, so Oberbürgermeister Simon Gröger.

Architektin Christiane Hirling (von links), OB Simon Gröger, Petra Ott und Jessica Schmid vom Fachbereich Partizipation und Integration ...
Architektin Christiane Hirling (von links), OB Simon Gröger, Petra Ott und Jessica Schmid vom Fachbereich Partizipation und Integration im Gespräch in der Gemeinschaftsküche. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Die Zimmer sollen mit je zwei Personen belegt werden. Pro Wohngruppe, der mal vier oder mal sechs Räume angehören, gibt es eine Gemeinschaftsküche und ein Bad, welches sich ebenfalls alle Bewohner teilen müssen. Über die drei Stockwerke erstrecken sich die Wohngruppen plus eine Waschküche und ein Gemeinschaftsraum. „Von außen mag es ganz schick aussehen, aber im Inneren ist es funktionaler Standard“, erklärt OB Gröger.

Menschen mit Kriegsverletzung finden Platz

Eine weitere Besonderheit dieser Unterbringung ist die Barrierefreiheit im Erdgeschoss. „Da gibt es einen ganz großen Bedarf an Plätzen für Menschen mit Beeinträchtigungen, seien es nun ältere Geflüchtete oder Menschen mit Kriegsverletzungen“, erklärt Petra Ott vom Fachbereich Partizipation und Integration. Man werde bei der Belegung der Plätze für eine gute Durchmischung sorgen.

Einblick in eine der Gemeinschaftsküchen in der Anschlussunterbringung für Geflüchtete.
Einblick in eine der Gemeinschaftsküchen in der Anschlussunterbringung für Geflüchtete. | Bild: Schneider, Anna-Maria

Weil die einzelnen Zimmer abschließbar sind, werde es für das Betreiben dieser Unterkunft keinen Wachdienst benötigen. Bei der Anschlussunterbringung im ehemaligen Fitness-Studio in Neubohlingen stellt der Sicherheitsdienst, der rund um die Uhr anwesend sein soll, einen großen Kostenfaktor dar. Dort geht es um Kosten von fast 466.000 Euro. Dies sei in der Güttinger Straße nicht vorgesehen und nicht notwendig, betont Petra Ott.

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Andere Unterkünfte werden weiterhin gebraucht

Ganz auf die Unterbringung in Neubohlingen verzichten, kann die Stadt Radolfzell allerdings auch nicht. Zwar bekommt sie mit der Belegung des Hauses in der Güttinger Straße 60 neue Plätze, doch gibt es noch keine signifikante Entspannung. „Außerdem ist es gut, dass wir unterschiedliche Wohnstandards anbieten können“, sagt der OB. Neben der Unterkunft in der Güttinger Straße und in Neubohlingen gibt es noch Unterbringungsmöglichkeiten im ehemaligen Hotel Krone und im alten Veterinäramt am Bahnhof.

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OB Gröger rechnete vor, man brauche im Schnitt 15 Plätze pro Monat. Die Situation habe sich aber sehr dynamisch entwickelt und man habe nie wissen können, wie sich die Lage weiter verändert. Zu Beginn des Ukraine-Krieges habe man 300 bis 400 Personen privat unterbringen können, teils nur dank des großen Entgegenkommens der Radolfzeller Bevölkerung, lobte der OB. Doch um die Schließung von Turnhallen zu verhindern, habe die Stadt einen großen Aufwand betreiben müssen.

Dennoch sei dieses Gebäude sehr auf Nachhaltigkeit ausgelegt, so Gröger. Sollten weniger Geflüchtete nach Deutschland kommen, ließe sich das Gebäude mit wenig Mitteln so umbauen, dass daraus Sozialwohnungen entstehen könnten. Bei einem Auszug ist eine Komplettrenovierung für 10.000 Euro pro Wohnung möglich, hat der Bauträger Nathanael Over, Geschäftsführer bei der Hoffnungsträger-Stiftung, bei einem früheren Gespräch vorgerechnet.