Der Narrenspiegel der Narrizella Ratoldi geht – auch zwangsweise – neue Wege. Nachdem im vergangenen Jahr schon die neue Seegrasgruppe die Seefunkgruppe mit musikalischer Unterhaltung abgelöst hatte, stand auch in diesem Jahr so manche Veränderung an. Nicht nur wurde der Narrenspiegel entgegen der Tradition nicht durch den Einmarsch der Narren, sondern durch Elsa Santinho-Reiser eröffnet, die anlässlich des 75. Geburtstags der Hansele die neue Hansele-Hymne präsentierte. Auch galt es nach 39 Jahren, die Narrenschelte durch den Kappedeschle – bislang dargestellt vom nur kurz nach der Fasnacht 2024 überraschend verstorbenen Lothar Rapp – in neue Hände zu legen.
Wer übernimmt die Narrenschelte?
So ganz in die überaus großen Fußstapfen Rapps zu treten, das wollte dann schlussendlich keiner so richtig. Stattdessen wagten Christian Uhl, Christoph Zeiser, Benni Bromma und Tobias Bauer einen anderen Ansatz. Sie ließen sich durch Aufsetzen der Kappedeschle-Kappe vom Geist der Figur erfüllen und teilten sich dadurch die Aufgabe, als Kappedeschle so manch politische Entwicklung zu kommentieren. Angefangen bei der vergangenen Kommunalwahl, bei der sie sich in Zukunft gerne mehr junge Menschen auf den Kandidatenlisten wünschten, bis hin zum Ampel-Aus und der Trump-Wiederwahl in den USA.

Auch die kommende Bundestagswahl durfte nicht fehlen. Jeder solle zur Wahl gehen, so der Appell – und sich für die Demokratie einsetzen: „Wählet it einfach so ins Blaue“, lautete die Aufforderung. Die ungewöhnliche Form der Narrenschelte kam an, der herausfordernde Neuanfang der Kappedeschle-Nummer gelang mit Bravour.
Aufstand der Senioren
Trotz des Umbruchs setzten die Verantwortlichen aber auch auf Bewährtes und so nahmen die Narren wie gewohnt das Stadtgeschehen und die Lokalpolitik aufs Korn. Dass die Bewohner des Pflegeheims Heilig Geist in den abgelegenen Neubau auf der Mettnau umziehen mussten, startete als ein Höhepunkt des Abends auf der Bühne eine Revolution der Senioren. Die Wogen glätten konnte erst das Versprechen von Bürgermeisterin Monika Laule, dargestellt von Stefan Brandtke, Pflegeheim und Altstadt mit einer Seilbahn zu verbinden.

Obwohl schon lange nicht mehr in der Radolfzeller Stadtverwaltung vertreten, durfte auch Ex-OB Martin Staab, gespielt von Axel Heinzelmann, noch einmal auf der Bühne auftauchen, um seine neue Bürgermeistereiche auf dem Herzenbadgelände zu bewundern. Und auch die närrischen Ebenbilder der längst verstorbenen Unternehmer Werner Messmer, Jacques Schiesser und Gotthard Allweiler, als „Elon Musk und Mark Zuckerberg von Radolfzell“ bezeichnet, durften das Geschehen in der Stadt aus dem Himmel kommentieren.

Vom ersten klimaneutralen Gewerbegebiet Blurado oder dem geplanten Ärztehaus auf dem Wein-Mayer-Areal zeigten sie sich allerdings nicht allzu beeindruckt. Ohne himmlische Eingebung werde es auch in den nächsten 1200 Jahren keine großen Entwicklungen in Radolfzell geben, so ihr Urteil.
Würdevoller Nachfolger für die Seefunkgruppe
Dem Regie-Team des Narrenspiegels, Tim Schwenke, Ralf Welschinger und Sebastian Möhrle, gelang es mit den Akteuren und Beteiligten hinter den Kulissen auch in diesem Jahr, einen kurzweiligen und humorvollen Narrenspiegel auf die Bühne zu bringen. Für Unterhaltung zwischen den Szenen sorgte erneut die Narrenmusik und auch der Fanfarenzug und die Klepperlehoheiten konnten das Publikum gewohnt begeistern.

Außerdem brachte die Seegrasgruppe, bestehend aus Tommi Reiser, Lutz Endres, Felix Bromma und Frederik Krekosch, mehrere Nummern auf die Bühne. Als würdevoller Nachfolger der beliebten Seefunkgruppe gab sie unter Einsatz von Gitarre, Akkordeon und Mundharmonika zur Begeisterung des Publikums alles.
OB macht als Influencer Karriere
Einstecken musste vor allem die Stadtverwaltung, die bei klammer Kasse kein Geld übrig hatte, um die lokalen Vereine zu unterstützen. Einspringen musste die Pippi Langstrumpf-Stiftung von Philipp Weidele, der auch gleich einen Tipp für die Stadt parat hatte, um die Lage zu verbessern: Die Kaufhausstraße 1 solle an die Narrizella verkauft werden, die dort ein Multifunktions- und Mehrgenerationenhaus mit Kindergarten und Weinstube einrichten werde.

Stiftungsgeld gab es als Unterstützung für die finanziell notleidende Stadt jedenfalls nicht, Influencer- Oberbürgermeister Simon Gröger erhielt von Pippi Langstrumpf lediglich einen Styling-Gutschein für das nächste Fotoshooting.