Helmut Richter ist seit gut 50 Jahren bei der Feuerwehr. Erst Jugendfeuerwehr, dann als aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr, dann wurde er Kommandant und wechselte ins Hauptamt. Viel hat er in diesem Jahren erlebt, doch ein Einsatz bleibt ihm in besonderer Erinnerung: der Brand der alten Ziegelei im Jahr 1988. „Teile dieser Nacht sind mir noch sehr gut in Erinnerung geblieben und haben mich nachhaltig geprägt“, sagt Helmut Richter heute.

Der Alarm ging am 28. Dezember 1988 um 0.47 Uhr los. Helmut Richter, seit etwa einem Jahr Kommandant der Radolfzeller Feuerwehr, war als einer der Ersten vor Ort. Ein Reifenlager direkt neben dem Gebäude war in Brand geraten. Die Flammen schlugen bereits ins Gebäude hinein, rankten sich zum Dach hoch.
Dachstuhl wirkt wie eine Zündschnur
Noch während die ersten Einsatzkräfte die Schläuche zum Löschen vorbereiteten, hatte das Feuer den Dachstuhl erreicht. Staub, Spinnweben, seit Jahren ausgetrocknete Insektenreste im Dachstuhl wirkten auf das Feuer wie eine Zündschnur. In sekundenschnelle brannte das komplette Dach. „Wären wir eine Minute schneller gewesen, hätten wir diesen Brandbeschleuniger-Effekt verhindern können“, sagt Helmut Richter. Die Einsatzkräfte sahen sich nun mit einem Vollbrand des etwa 16.000 Quadratmeter großen Gebäudes konfrontiert.

Die alte Ziegelei war bis 1972, bis die Produktion der Lehmziegel eingestellt wurde, einer der größten Arbeitgeber der Region. In dem alten Fabrikgebäude waren unterschiedliche Mieter untergebracht. Motorradclubs, Werkstätte, Lager für Boote und Wohnwagen und Büroräume teilten sich die Fläche.
„Das Gebäude war völlig unübersichtlich, wir wussten nicht wo genau was liegt“, sagt Richter. Es waren rund 100 Feuerwehrmänner im Einsatz, über 20 Strahlrohre löschten mit zum Teil 10.000 Litern Wasser pro Minute, aber ohne viel retten zu können. Die Kriminalpolizei bezifferte den Schaden auf rund 3,5 Millionen DM.

Doch nicht das Ausmaß des Schadens, sondern einzelne Szenen des Einsatzes haben sich Helmut Richter ins Gedächtnis gebrannt. Immer wieder sei er um das brennende Gebäude gelaufen, um sich einen Überblick zu verschaffen, erinnert sich Richter. Dabei habe er gesehen, wie drei Einsatzkräfte mit dem Schlauch viel zu nah am Gebäude standen. Die Mauer wirkte einsturzgefährdet.
Er rief die Feuerwehrmänner zurück, mahnte den Abstand an. Diese seien aber mit der Ansage des Vorgesetzten nicht einverstanden gewesen. „Ich musste etwas deutlicher werden, aber es war eine lebensgefährliche Situation“, sagt Richter. Nur wenige Augenblicke nach diesem Streitgespräch brach die Mauer zusammen, dicke Brocken fielen auf die Stelle, an der eben noch die drei Männer standen.
Feuer bleibt ein prägendes Ereignis
Für den Feuerwehrkommandanten war dies ein einschneidendes Erlebnis. „Das wichtigste war für mich immer, meine Leute sicher wieder nach Hause zu bringen“, sagt Richter. Bis heute sei ihm das gelungen. Wie wichtig dabei die Einhaltung von Regeln und Anweisungen im Falle eines Löscheinsatzes sind, das sei ihm in dieser Nacht klar geworden und habe seine Arbeit als Kommandant bis heute hin geprägt. Helmut Richter wird in zwei Jahren in den Ruhestand gehe. Der Brand in der Ziegelei wird vermutlich sein größter Einsatz bleiben.
Unsere Serie: In der großen SÜDKURIER-Sommerserie „Gedächtnis der Region“ blicken wir in unseren Lokalteilen zurück in die 80er Jahre und zeigen Ihnen anhand von Bildern und Geschichten, wie sich das Leben in unserer Region verändert hat. Der Brand in der alten Ziegelei ist das wohl größte Brandereignis in Radolfzell der Moderne. 100 Feuerwehrmänner mussten das Gebäude mehrere Tage lang löschen.
Alle Folgen der Serie im Internet:http://www.sk.de/gedächtnis-80