Für viele Radolfzeller ist der Stadtbus aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch nicht alle Ortsteile sind gleich gut an den Nahverkehr angeschlossen. Und umweltschonende Elektroantriebe gibt es bislang auch nicht. Das soll sich nun ändern. Denn es gibt ein neues Konzept für zehn Jahre ab 2026 auf Basis der Vorgaben, die der Gemeinderat im Sommer beschlossen hatte. Konkret bedeutet es: Elektrisch betriebene Busse und neue Linien – allerdings nur eine so genannte Feinjustierung des bisherigen Angebots anstatt eines massiven Ausbaus.
Verkehrsexperte Mathias Schmechtig von NahverkehrsConsult hat ein Konzept erstellt, das jüngst im Planungsausschuss überwiegend Zustimmung fand. Darin möchte die Stadt das Liniennetz neu ordnen lassen, weil die Nachfrage je nach Stadtgebiet stark unterschiedlich sei. So hätten Fahrgasterhebungen in den vergangenen Jahren ergeben, dass sich die Nachfrage in der Nordstadt mit den Linien 1 und 2 gegenüber den 2000er-Jahren signifikant erhöht hat. Zudem gebe es in den Ortsteilen den Wunsch nach einer besseren Anbindung.
Wohin führen die neuen Buslinien?
Die Linien 1 und 2 bleiben in ihrer Linienführung auch in Zukunft weitgehend gleich. Einzige Ausnahme ist das Auslassen des Abstechers zum RIZ. Ansonsten sind aber einige Veränderungen geplant: So soll die neue Linie 4, bislang Linie 6, bis Stahringen verlängert und dorthin neu über Möggingen, Liggeringen und Güttingen geführt werden. Sie soll im Halbstundentakt verkehren. Die Strecke führt von Stahringen über die Friedrich-Werber-Straße, Franz-Anton-Mesmer-Straße und Herrenlandstraße zum ZOB und weiter in das Gewerbegebiet West.
Im Bereich Böhringen verkehrt laut dem Konzept ab 2026 die Linie 3 (bisher Linie 7) über die Haltestellen Steißlinger Straße und Fritz-von-Engelberg-Straße, mit einer Anbindung von Blurado an den Stadtbusverkehr. In der Kernstadt geht die neue Linienführung vom ZOB über Luisenplatz, Tegginger Straße, Bismarckstraße, Böhringer Straße, Friedhofstraße und Haselbrunnstraße tagsüber im Stundentakt.
In Richtung Markelfingen fährt künftig die Linie 5 (bisher 8). In der Kernstadt führt sie dann anstelle der Konstanzer Straße über Radolfzeller Straße, Schützenstraße und Tegginger Straße. Da die neue Linie 4 zukünftig im Halbstundentakt fährt, seien in der Konstanzer Straße keine zwei Linien erforderlich. Die Linie 5 soll tagsüber einmal pro Stunde fahren.
Auf die Mettnau fahren künftig die Linien 3 und 5. Die neue Linie 3 führt dabei von Böhringen kommend über den ZOB zur Mettnau. Die neue Linie 5 kommt von Markelfingen bis zum Strandbad auf der Mettnau. Sie ersetzt die bisherige Linie 5. Die beiden Linien überlagern sich zum Halbstundentakt.
Linienbedarfsverkehr nach Voranmeldung
Zudem soll es ab 2026 einen Linienbedarfsverkehr als Nachfolger für die Anrufsammeltaxis geben. Die Fahrten müssen Gäste hier im Voraus telefonisch anmelden – entweder einmalig oder als Dauerauftrag. Sie fahren in die Gebiete Weinburg, Waldfriedhof, Altbohl-Siedlung, Otto-Blesch-Straße, Gewerbegebiet „Im Wiesengrund“, Ziegelei und zum Naturfreundehaus sowie auf den regulären Linien abends nach Fahrtschluss unter der Woche bis 24 Uhr, am Wochenende bis 1 Uhr.
Weitere gewünschte Verbesserungen, wie die Erschließung Liggeringen-Süd oder in Markelfingen, können zu einem späteren Zeitpunkt geprüft und realisiert werden, heißt es in der Vorlage. Das Konzept sei nicht starr, so Experte Schmechtig, es könne in den Folgejahren an den Bedarf angepasst werden.
Auf den Linien 1, 2, 3 und 5 sollen künftig emissionsfreie Batteriebusse verkehren. Auf der Linie 4 fährt dann ein Hybridbus, für Einzelfahrten im Schülerverkehr werde man allerdings weiterhin Dieselbusse einsetzen müssen, schreibt die Stadt in der Vorlage.
Außerdem werden die Fahrzeiten der Linien ab 2026 vereinheitlicht, sodass alle Linien unter der Woche um 5.30 Uhr beginnen und bis etwa 20 Uhr fahren. Linie 1 und 4 verkehren bis 22 Uhr, am Freitag sogar bis 23 Uhr beziehungsweise 0 Uhr. Am Samstag starten die Busse erst um 7 Uhr, dafür fahren die Linien 1 und 4 bis nach 0 Uhr. Am Sonntag beginnt der Verkehr um 9 Uhr und endet regulär um 18 Uhr. Linie 1 und 4 fahren bis 22.30 Uhr beziehungsweise 23 Uhr.
Kosten von 3,5 Millionen Euro jährlich sorgen für Kritik
Doch günstig wird das Ganze nicht. So ergeben sich laut Schätzung Betriebskosten von insgesamt 3,3 Millionen Euro jährlich. Momentan liegen die Kosten bei 2,4 Millionen. Hinzu kämen für die Ladetechnik der E-Busse, die eine neue städtische Gesellschaft errichten soll, voraussichtlich weitere Ausgaben von 5 Millionen Euro. Da diese 20 Jahre halten sollen, würden sie mit 250.000 Euro jährlich im Haushalt abgeschrieben.
Besonders die hohen Kosten sorgten im Ausschuss für Kritik an dem Konzept, das ansonsten viel Zustimmung fand. So wies sogar Kämmerin Petra Ohmer auf die Folgen der Kosten für die Stadtverwaltung hin – auch im Hinblick auf das 1-Euro-Ticket. „Ich weiß nicht, wie wir das alles finanzieren sollen. Das Konzept ist gut und richtig, aber es hat erhebliche Auswirkungen auf den städtischen Haushalt“, sagte sie. Es brauche hierfür mehr Förderungen durch Bund und Länder.
Gegenfinanzierung wird schwierig
Eine Erhöhung des 1-Euro-Tickets sei laut Gutachter Schmechtig aber riskant, da dann viele Nutzer abspringen oder auf das 49-Euro-Ticket umsteigen könnten, wovon die Stadt keine Einnahmen bekommt. Siegfried Lehmann (FGL) schlug eine Erhöhung der Parkgebühren zur Finanzierung vor. Auch Walter Hiller (Freie Wähler) sorgte sich um die finanziellen Folgen des Konzepts und stimmte daher ebenso wie Richard Atkinson (FDP) gegen das Konzept. Die übrigen Ausschussmitglieder stimmten dafür.
Anja Matuszak (FGL) regte zudem an, das 1-Euro-Ticket auf den Seehas auszuweiten, da dieser in einer höheren Taktung Markelfingen oder Stahringen bedient als der Bus. Laut Stadtverwaltung sei man dazu bereits in Gesprächen mit der VHB und wolle 2024 eine Lösung präsentieren.
In der Gemeinderatssitzung am Dienstag, 12. Dezember, wird das Konzept erneut Thema sein und muss dort final beschlossen werden, ehe die Stadt die neue Mobilitätsgesellschaft und das Konzept ausschreiben kann.