Einzelheiten fremder Ehen bleiben häufig verborgen. Doch spätestens wenn ein Beziehungsstreit vor dem Gericht endet, werden zumindest die Zuhörer einer öffentlichen Verhandlung zu Zeugen der durchaus privaten Auseinandersetzung. So auch im jüngsten Fall einer Verhandlung, die kürzlich vor dem Amtsgericht Radolfzell stattgefunden hat – und ein Ehepaar zum wiederholten Male im Gerichtssaal zusammenführte.

Der Mann wurde gleich mehrerer Vergehen bezichtigt. Sie reichten von mehrfacher Bedrohung und Körperverletzung bis hin zur Missachtung von Auflagen des Gewaltschutzgesetzes. Der letzte Anklagepunkt verweist bereits darauf, dass die Eheleute keine Unbekannten vor dem Gericht sind. Denn in einem früheren Verfahren war dem 56-Jährigen untersagt worden, sich seiner Ehefrau auf näher als 50 Meter zu nähern.

Annäherungsverbot – aber wohnhaft im Nachbarhaus

So richtig praxisnah scheint die Auflage nicht zu sein, denn der Mann lebt mittlerweile im Nachbarhaus seines eigenen Hauses, das er jahrelang mit seiner Frau geteilt hat. Da sind Konflikte mit den Auflagen praktisch vorprogrammiert.

Das könnte Sie auch interessieren

Und so kam es wohl, wie es kommen musste: Nach Aussage der Ehefrau hat sich ihr Noch-Ehemann, von dem sie sich getrennt hat, gleich mehrfach in unerlaubter Nähe zu ihr befunden. Zeitgleich soll er die Nähe genutzt haben, um sie wiederholt zu beschimpfen.

Aussage gegen Aussage

Deutlich konkreter soll eine Handgreiflichkeit gewesen sein, bei der der Mann die Frau mit der flachen Hand gegen den Kopf geschlagen und sie am Bein vom Bett gezogen haben soll. In einer WhatsApp-Nachricht habe er seiner Frau zudem offen mit Mord gedroht. Wie sich sich in der Verhandlung herausstellte, hatte er diese Drohung jedoch sogleich als metaphorische Handlung bezeichnet.

Das könnte Sie auch interessieren

Ganz abgesehen davon, dass die Nachricht bereits als solche eine unerlaubte Kontaktaufnahme im Sinne des Gewaltschutzgesetzes darstellt, fühlte sich die Frau außerdem von ihrem Mann bedroht. Der wiederum erklärte vor Gericht wortreich, dass er die Vorwürfe in der Mehrzahl für „eine Verkehrung der Tatsachen und Ereignisse“ hält, wie er sagte.

Ist das Gericht der richtige Ort für die Auseinandersetzung?

Für das Gericht, die anklagende Staatsanwaltschaft, die Frau als Nebenklägerin und den verteidigenden Rechtsanwalt des Angeklagten stellten sämtliche Vorwürfe ein schwieriges Gemisch aus langjährigen seelischen Verletzungen einer drei Jahrzehnte währenden Beziehung dar, die am Ende zwei Menschen zurücklässt, denen eine echte Trennung voneinander offenbar trotz aller Vorkommnisse schwerfällt.

Das könnte Sie auch interessieren

So zweifelte die zuständige Richterin Ulrike Steiner an der eigenen Zuständigkeit für den Fall: „Es ist die Frage, ob das Strafgericht der richtige Ort für ihre Auseinandersetzung ist. Wenn Sie wirklich etwas ändern wollen, dann muss einer von Ihnen wegziehen“, riet sie in der vierstündigen Verhandlung den Beteiligten.

Zum Teil schuldig, zum Teil freigesprochen

Trotz dieser Skepsis fiel am Ende ein Urteil. Nach der Beweisaufnahme und Zeugenaussagen der Ehefrau und einer befreundeten Nachbarin wurde der Mann teilweise von Vorwürfen freigesprochen. Während Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerin für den Angeklagten zehn Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung einforderten, folgte die Richterin in Teilen der Verteidigung.

Der Anwalt des Angeklagten hatte in seinem Plädoyer zumindest Teile der Vorwürfe in Zweifel gezogen, da sich die Schilderungen der Ehefrau im Zeugenstand nicht mit ihren Aussagen bei der Polizei deckten. Das sah auch Richterin Ulrike Steiner so: Sie verwies in ihrer Urteilsverkündung auf viele Ungereimtheiten und die zahlreichen Provokationen, die von beiden Ehepartnern begangen worden seien.

Das könnte Sie auch interessieren

Vom Vorwurf der Körperverletzung sprach sie den Mann deshalb frei. Für schuldig befunden wurde er er indes hinsichtlich der schriftlich übermittelten Bedrohung und einer unerlaubten Kontaktaufnahme per E-Mail. Weil bereits ein anderes Verfahren anhängig ist, in dem der Angeklagte eine Geldstrafe erhalten hat, wurde diese nun mit dem aktuellen Urteil zusammengefasst. Demnach muss der 56-Jährige 80 Tagessätze zu je 15 Euro zahlen. Ob die Strafe geeignet ist, die eheliche Auseinandersetzung zu befrieden oder gar zu beenden, wird die Zukunft zeigen.