
Zu wenig Alkohol
Dass Alkohol in Gerichtsfällen eine Rolle spielt, kommt nicht selten vor – meistens sorgt dann allerdings zu viel davon für Ausfälle verschiedenster Art. Genau das Gegenteil war im Jahr 2016 Gegenstand einer Verhandlung vor dem Amtsgericht Radolfzell: Weil die Firma Schlör Bodensee Fruchtsaft AG im Jahr 2014 Glühwein verkauft hatte, der weniger Alkohol enthielt, als angegeben, musste sich ein ehemaliger Geschäftsführer vor Gericht verantworten. Statt der deklarierten zehn Prozent hatten zwei Glühwein-Varianten nur 7,2 und 9,11 Prozent Alkoholgehalt aufgewiesen.
Der Angeklagte gab in der Verhandlung an, sich nicht erinnern zu können, ein solches Vorgehen angeordnet zu haben, räumte aber die theoretische Möglichkeit ein. Auch davon, von einem Mitarbeiter auf den zu geringen Alkoholgehalt hingewiesen worden zu sein, wie dieser aussagte, wollte er nichts mehr wissen. Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass Schlör in einer Zeit, in der das Unternehmen sich bereits in Zahlungsschwierigkeiten befand, aufgrund von Liquiditätsproblemen Ware zu spät eingekauft hatte. Unter Zeitdruck habe man dann Glühwein auf den Markt gebracht, dessen Gärungsprozess noch nicht abgeschlossen war. Den ehemaligen Geschäftsführer kam das teuer zu stehen: Er wurde zu einer Geldstrafe von 7800 Euro à 60 Tagessätzen verurteilt.
Mit Fliegenklatsche gegen Polizisten
Dass Polizisten bei ihrer Arbeit hin und wieder mit gewalttätigen Personen zu tun haben, ist leider nicht ungewöhnlich. Alles andere als alltäglich war aber die Waffe, die ein im April 2016 wegen Körperverletzung und Beleidigung angeklagter Täter wählte. Nachdem er zunächst in einer Bar in Radolfzell aggressiv wurde und zwei Personen so stark verletzte, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, randalierte er Wochen später auch vor dem Seerhein-Center in Konstanz, als ein Bekannter sich mit Geld von ihm aus dem Staub machte. Er bespuckte Passanten und Autos, stellte sich Fahrzeugen in den Weg und schlug mit einer Fliegenklatsche auf Polizeibeamte ein, als diese ihn beruhigen wollten. Warum er die Klatsche dabei hatte, wusste er selbst nicht mehr so genau. Laut einer Polizistin schlug er später auch mit den Fäusten auf die Beamten ein.
Weniger kurios, dafür gefährlich war dagegen die Waffe, mit der er bei einem dritten vor Gericht thematisierten Tat unterwegs war: Mit einem Beil pöbelte er im Krankenhaus herum, weil er mit einer Handverletzung in die Ambulanz marschiert war, jedoch mit der Bitte, sich zunächst anzumelden, hinausgeschickt worden war. Alle drei Fälle geschahen unter starkem Alkohol- und Drogeneinfluss. Das Gericht zeigte sich milde und verhängte eine Bewährungsstrafe, da der Mann nüchtern „ein ordentlicher junger Mensch“ sei.
Dreiste Erklärung für Belästigung
Für Fassungslosigkeit sorgte im Jahr 2018 ein damals 43-jähriger Mann aus Radolfzell, als er vor dem Amtsgericht Konstanz durch ihn vorgenommene sexuelle Übergriffe schön redete. Viermal hatte der Mann an einer 21-jährigen, geistig behinderten Frau gegen deren Willen sexuelle Handlungen vorgenommen und sie dabei auch verletzt. Er selbst gab an, zunächst den ebenfalls geistig behinderten Freund der Frau kennengelernt zu haben. Als er eines Nachts mit ihm und der 21-Jährigen im Auto unterwegs war, fasste er ihr schließlich ausgiebig an die Brust, obwohl sie sich zur Wehr setzte. Und auch bei folgenden Besuchen bei dem Pärchen kam es zu mehreren massiven sexuellen Übergriffen durch den Angeklagten.
Vor Gericht erklärte der Mann, er habe die junge Frau nur einmal kurz angefasst, und sich vielleicht ein bisschen gehen lassen und die Hand nicht gleich zurückgezogen, obwohl sie protestierte. Sein angeblicher Antrieb: Er habe dem Partner der Geschädigten nur zeigen wollen, wie Sex funktioniere, denn zuvor habe dieser sich ihm anvertraut und gesagt, er sei auf diesem Gebiet ahnungslos. Erst, nachdem sogar sein Verteidiger sehr verärgert reagierte, räumte er die sexuellen Übergriffe ein. Büßen musste er dafür mit einer Verurteilung zu zwei Jahren Haft, die allerdings auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zudem musste er 1500 Euro an den Verein „Frauen helfen Frauen“ zahlen.

Freispruch nach Höri-Brand
Der wohl größte und aufsehenserregendste Gerichtsfall der vergangenen fünf Jahre zog sich über mehrere Monate hin: Nachdem im August 2018 der Hof Balisheim in Gaienhofen niedergebrannt war, erhob die Staatsanwaltschaft im Dezember des gleichen Jahres Anklage. Ende Juli 2019 fiel schließlich das Urteil.
Vor Gericht verantworten musste sich ein Mann aus Paraguay, der einige Jahre bei der Familie Burkart, die den Hof besitzt, angestellt war. Ihm wurde vorgeworfen, bewusst unter den Wohnräumen von Kerstin Burkart Feuer gelegt zu haben – aus Rache, weil er erst kurz zuvor entlassen worden war. Kerstin Burkart berichtete vor Gericht von Alkoholexzessen, Diebstählen und Lügen als Grund. Auch am Abend des Brandes war der Mann laut medizinischem Gutachten stark betrunken.
Die sich zum Tatzeitpunkt im Haus befindliche Familie sowie 32 Feriengäste konnten sich in Sicherheit bringen, auch die meisten Stalltiere wurden gerettet. Die Anklage lautete auf versuchten Mord und Brandstiftung. Dabei war zunächst nicht klar, dass es überhaupt zu einer Verhandlung kommen würde: Ende 2018 hatte das Landgericht wegen eines fehlenden hinreichenden Tatverdachts die Eröffnung des Hauptverfahrens zunächst abgelehnt. Erst Monate später entschied das Oberlandesgericht, dass der Tatverdacht ausreichte, um ein Verfahren zu eröffnen.
Schlussendlich endete der Fall dennoch mit einem Freispruch: Zwar forderte die Staatsanwaltschaft Lebenslänglich, weil aber Belege fehlten, die die Schuld des Angeklagten eindeutig hätten beweisen können, kam es zu keiner Verurteilung. Und auch die Ursache für den Brand konnte nicht eindeutig geklärt werden – ein Gutachter konnte ein Versehen, einen Zufall oder einen technischen Defekt nicht ausschließen. Es galt: Im Zweifel für den Angeklagten.
Beamter mit Kot beschmiert
Mit einem äußerst ungewöhnlichen und in erster Linie sehr ekelhaften Vergehen musste sich das Amtsgericht Radolfzell im Jahr 2019 auseinandersetzen. Verantworten musste sich dafür ein damals 50-Jähriger, der zunächst seine Partnerin und seinen Sohn ins Gesicht schlug und anschließend mit zwei Promille Blutalkohol Fahrrad fuhr. Bei seiner Festnahme durch die Polizei fanden die Beamten zudem 2,5 Gramm Marihuana in seiner Hosentasche.
Soweit schon schlimm genug – doch die schwerwiegendste Tat sollte noch folgen: Als Beamten ihn in die Gewahrsamszelle bringen wollten, mussten sie ihm vorschriftsmäßig Gürtel und Schnürsenkel abnehmen. Dabei rutschte die Hose des Angeklagten herunter. Als die Beamten sahen, dass er darunter keine Unterwäsche trug, wollte sie ihn seine Hose anbehalten lassen, doch der Angeklagte hatte andere Pläne. Wie Zeugen vor Gericht schilderten, schüttelte der Mann die Hose ab, bückte sich nach vorne und entleerte seinen Darm so heftig, dass er die Hose und Schuhe eines Polizisten vollständig beschmutzte.
Als wäre das nicht genug, hatte der Mann auch noch Hepatitis C, weshalb die Gefahr einer Ansteckung für den Beamten bestand. Der Täter, der zum Zeitpunkt der Verhandlung bereits 21 Einträge im Strafregister hatte, wurde zu sieben Monaten Haft verurteilt, die aber auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden. Zusätzlich musste er 2000 Euro an die Bezirkspflege Konstanz zahlen. Die Richterin machte deutlich, nur auf eine Haftstrafe verzichtet zu haben, weil der Mann sich durch eine Therapie gegen Alkoholsucht in Ansätzen auf einem guten Weg befinde.