Müssen die Radolfzeller nach dem Verlust ihres Krankenhauses auch den zweier Arztpraxen fürchten? Denn neben den zahlreichen Patienten und dem Klinikpersonal sind von der Schließung auch die HNO-Ärzte Markus Steinwaller und John Thiericke sowie die Gynäkologinnen um Julia Minner betroffen, die dort noch immer ihre Praxen betreiben.
Zwar hat der GLKN laut Julia Minner und John Thiericke zugesagt, den Mietvertrag nicht außerordentlich zu kündigen. Sie könnten ihre Praxen in dem ansonsten leeren Gebäude also bis Ende 2024 weiter betreiben, was auch GLKN-Geschäftsführer Bernd Sieber auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt und laut Thiericke „eine große Erleichterung“ ist.
Patienten empfinden Situation als seltsam
Doch die Situation im leeren Krankenhaus sei komisch. „Viele Patienten finden es etwas seltsam, dabei sollten sie sich eigentlich wohlfühlen, wenn sie zu ihrer Frauenärztin müssen“, berichtet die Gynäkologin. Zumindest die Pforte sei während der Öffnungszeiten der Praxen besetzt. Und die medizinische Versorgung sei weiterhin zu 100 Prozent möglich, so Thiericke.

Eine langfristige Perspektive sei das jedoch nicht, so Minner. Denn es dauere sechs bis zwölf Monate, eine neue Räumlichkeit praxistauglich zu sanieren. Um fristgerecht umziehen zu können, müssten die beiden Praxen also bis Ende des Jahres eine fixe Zusage für eine neue Immobilie haben.
Ärzte wollen bis Ende des Jahres eine Zusage
Nach der Ankündigung der Schließung im Frühjahr war bei ihnen die Aufregung groß – der Optimismus, eine Alternative in Radolfzell zu finden, aber auch. Doch noch haben sie keine Lösung gefunden. Wie geht es mit den beiden Praxen also weiter?
„Ich habe mir nun vorgenommen, bis zum Winter etwas zu finden“, so Minner, die nach dem Umzug als alleinige Praxisinhaberin mit angestellter Ärztin in Radolfzell arbeiten möchte. Denn im Zuge der großen Veränderungen durch die Schließung des Krankenhauses und „aus persönlichen Gründen“ haben sich die drei Ärztinnen entschieden, in Zukunft an unterschiedlichen Standorten in Einzelpraxen weiterzuarbeiten.
Minner ist daher ebenso wie die benachbarten HNO-Ärzte „auf allen Kanälen“ auf der Suche nach neuen Räumen – am liebsten in Radolfzell. Unterstützung erhalten die Mediziner von der Stadt, die Angebote vermittle und Kontakte zu Vermietern herstelle. Finanzielle Hilfen gebe es allerdings nicht, so Minner. „Ich hatte darauf gehofft, weil ich von anderen Gemeinden gehört, die Ärzte unterstützen, um sie zu halten“, erklärt sie.
Der Kontakt zur Stadt sei dennoch gut und eng. John Thiericke sagt: „Die Stadt bemüht sich sehr, wenn auch bislang erfolglos. Aber der Immobilienmarkt ist schwierig. Dennoch bin ich optimistisch, dass wir geeignete Räume in naher Zukunft finden werden.“
Gibt es eine Lösung in der Höllturm-Passage?
Zwischenzeitlich schien es schon eine Lösung zu geben – und zwar für beide Praxen zusammen. Durch Vermittlung durch die Stadt fanden die Ärzte eine Fläche in der Höllturm-Passage. „Das klang sehr gut, wir haben da fünf Monate Zeit reininvestiert. Auch ein Architekt war schon dort“, berichtet Minner. Doch Anfang August seien beim finalen Angebot des Vermieters die Mietkosten unerwartet hoch gewesen. Zusätzlich hätten die beiden Praxen sich mit einem hohen Betrag an der Sanierung beteiligen müssen.
Die Option schien zu platzen, sie hätten die Kosten nicht tragen können. „Das war natürlich ein Schlag, wir haben uns in dieser Zeit nicht mehr mit Alternativen beschäftigt, weil es sehr sicher schien“, so Thiericke. Auch Minner sagt, es sei bitter gewesen, wieder am Anfang der Suche zu stehen.
Doch am vergangenen Freitag habe der Vermieter ein neues Angebot mit besseren Konditionen unterbreitet. „Wir werden nun alles prüfen“, sagt Minner. Zudem sei das Gespräch der Ärzte mit Oberbürgermeister Simon Gröger am selben Tag „sehr positiv“ verlaufen. „Er hat ein weiteres, vielversprechendes Gebäude in der Radolfzeller Stadtmitte ins Rennen gebracht. Wir prüfen nun gemeinsam mit der Stadt, ob Praxisräume dort zu verwirklichen wären“, erklärt John Thiericke.
Ärzte schauen sich auch außerhalb um
Sollte sich bis Ende des Jahres aber doch nichts ergeben, müsste Minner sich ebenso wie ihre HNO-Kollegen nach Alternativen außerhalb von Radolfzell umsehen. „Es wäre traurig, wenn es an der Räumlichkeit scheitern würde und deshalb weitere Ärzte aus Radolfzell abwandern müssten. Aber ich weigere mich, zu glauben, dass es in Radolfzell keine passende Immobilie für mich gibt“, so Minner.
Thiericke bestätigt, dass er und sein Kollege Markus Steinwaller sich auch in anderen Gemeinden umschauen würden, sollten sich die aktuell diskutierten Optionen zerschlagen.
Klar ist für alle drei Ärzte: Die neue Immobilie muss langfristig passen, also etwa 170 bis 200 Quadratmeter pro Praxis groß, barrierefrei zugänglich und bezahlbar sein – und Parkmöglichkeiten bieten. „Der jetzige Umzug soll auf jeden Fall der letzte sein“, wünscht sich John Thiericke, der erst vor einem Jahr an den Bodensee gezogen ist.