Ich habe 26 Jahre in Köln gelebt, bin danach zigmal umgezogen und hatte immer Heimweh nach der Domstadt. Irgendwann wurde unsere Familie sesshaft, und ich bezeichnete mich als „Kölnerin im badischen Exil“. So begann die Zeit, in der ich Heimweh nach dem Hegau bekam, wenn ich im Rheinland unterwegs war. Was ist eigentlich Heimat? Der Ort, an dem meine Lieben wohnen? Bei einer weit verteilten Familie stimmt das nur bedingt.
Desorientiert in der eigenen Stadt
Heimat ist dort, wo ich jeden Winkel kenne. Aber der Hubbel im Asphalt, der mir beim Rollerfahren als Sprungschanze diente, ist seit Jahren eingeebnet. Dort, wo ich in den verlassenen Gärten einen Tunnel bis nach Australien graben wollte, stehen Wohnhäuser. Und manchmal fühle ich mich mitten in meiner geliebten Stadt merkwürdig desorientiert – aber es ist keine Frühform der Demenz. Es sind geänderte Straßenführungen und verschwundene Bushaltestellen, die mich verwirren. Was ist geblieben? Der Amselgesang. Bitte lachen Sie mich nicht aus: Ich habe mittlerweile eine Studie gefunden, die beweist, dass es auch beim Vogelgesang unterschiedliche Dialekte gibt. Wobei die Amseln in Städten offenbar melodiöser und variantenreicher singen als die auf dem Land. Sie müssen ja auch gegen eine stärkere Geräuschkulisse ankommen. Also bitte nicht böse sein: beim Amselgesang steht es im Wettbewerb Köln gegen den Hegau eins zu null für die Stadt.
Da scheppern alle 15 Minuten die Fensterscheiben
Und sonst? Fluglärm. Ach ja, die Einflugschneise des Zürcher Flughafens. War es jetzt die Nord- oder die Ostvariante, die uns solches Kopfzerbrechen bereitete? Ich sah das gelassen: Bei meinen Eltern scheppern viertelstündlich die Fensterscheiben, wenn wieder eine Frachtmaschine im Landeanflug über die Dächer donnert. Als ich im Hegau ankam, ging mir ehrlich gesagt manchmal die Stille abends auf die Nerven. Aber auch hier habe ich mich inzwischen integriert: Die Stille ist mir sehr kostbar geworden. Je nach Windverhältnissen hört man die Autobahn oder den Zug – dass ich das mittlerweile wahrnehme, zeigt mir, dass ich doch allmählich von der Stadtpflanze zum Landei mutiert bin. Um die Frage nach Heimatgefühlen zu beantworten: In meinem Fall hat es viel mit Sinneseindrücken zu tun – vor allem akustischen. Der Dialekt gehört mittlerweile dazu. Aber das ist ein anderes Thema.