Sie ist 13 Seiten lang und enthält Namen von Anatolische Föderation bis World Institute of Scientology Enterprises: die Unvereinbarkeitsliste der AfD. Unvereinbarkeitsliste bedeutet, dass niemand, der in einer dort gelisteten Organisation Mitglied ist, auch in der AfD Mitglied werden darf. Eigentlich. Denn in der Wirklichkeit gibt es immer wieder Überschneidungen, zum Beispiel bei der Identitären Bewegung (IB). Eine personelle Überschneidung zwischen AfD und Identitärer Bewegung macht nun das Netzwerk „Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen rechts in Stadt und Landkreis“ auch für den Kreis Konstanz aus.
Das Netzwerk macht in einer Pressemeldung den Namen eines Mannes öffentlich, der laut den Informationen gleichzeitig bei der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) aktiv und Aktivist bei der Identitären Bewegung sein soll – trotz Unvereinbarkeitsbeschluss. Da es bislang nicht möglich war, ihn direkt zu kontaktieren zu versuchen, wird seine Identität in diesem Bericht nicht genannt. Der junge Mann wird auf der Internetseite der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) als Ansprechperson für den Kreisverband Ravensburg/Bodensee-Region aufgeführt, der die Landkreise Ravensburg, Konstanz und Bodenseekreis umfasst.
Doch die Vorwürfe der Verstrickung gehen noch weiter. Demnach soll die Junge Alternative ihr Südbaden-Büro mit dem Landtagsabgeordneten Bernhard Eisenhut teilen – der übrigens auch als Direktkandidat der AfD bei der Bundestagswahl im Februar antritt. Indirekt würde demnach also auch die AfD mit der IB zusammenarbeiten. Der Bezirksverband Südbaden der JA unterhalte eine Geschäftsstelle in Singen, heißt es auch im baden-württembergischen Verfassungsschutzbericht 2023.
Diese Kritik will Steffen Jahnke, Kreissprecher der AfD im Kreis Konstanz, nicht einfach so stehen lassen. Die genannte Person sei mitnichten der offizielle Ansprechpartner bei der JA für den Landkreis Konstanz, so Jahnke. Bei der JA sei der Landesvorstand neu gewählt worden, seitdem sei jemand anderes für den Kreis Konstanz zuständig. Die Wahl sei aber erst zwei oder drei Wochen her: „Da hat anscheinend die JA ihre Webseite noch nicht aktualisiert“, so Jahnke. Wie glaubwürdig diese Darstellung ist, ist wiederum schwer einzuschätzen.
Ihm sei zudem nicht bekannt, dass der genannte Mann überhaupt AfD-Mitglied sei. Einen Mitgliedsantrag habe er zwar beim Kreisverband Konstanz gestellt, aber da er in der Schweiz wohne, sei dieser an den Bundesvorstand weitergeleitet worden. Dass eine Aufnahme in die Partei erfolgte, sei ihm nicht bekannt, so Jahnke am Telefon.
Viele Aktivitäten für die Identitäre Bewegung
Das Bündnis „Konstanz für Demokratie“ liefert allerdings einige Belege für die Aktivitäten des jungen Mannes bei der Identitären Bewegung. Im Schwäbischen Kulturverein mit Sitz in Konstanz sei er führend aktiv, so das Bündnis – und damit in einem Verein, den der baden-württembergische Verfassungsschutz in seinem Bericht für 2023 als Tarnverein bezeichnet, der von der IB Baden-Württemberg betrieben werde.
Außerdem sei er stellvertretender Vorsitzender des Vereins Bürgernetzwerk Süd, was ein Blick ins Vereinsregister bestätigt. Auch diesen Verein stuft das Bündnis Konstanz für Demokratie als Tarnorganisation der IB ein, die dazu diene, Bürgerprotest zu unterwandern.
Schließlich bringt die in Österreich erscheinende rechte Webseite „Heimatkurier“, Untertitel „Ehrlich, Direkt, Patriotisch“, den Mann selbst in Zusammenhang mit der Gruppe Reconquista 21. In einem Beitrag zu einer Aktion in Karlsruhe wird er als „Leiter der Aktionsgruppe Reconquista 21“ bezeichnet. Auch diese Gruppe hat ihren Auftritt im Verfassungsschutzbericht. Nämlich als der Name, unter dem seit Ende Oktober 2023 die Gruppe agiere, die sich bis dahin „Wackre Schwaben“ nannte. Und das wiederum sei eine Bezeichnung für die Regionalgruppe IB Schwaben gewesen.
Bündnis sieht Anhaltspunkte für Doppelrolle
„Es gibt inzwischen viele Anhaltspunkte für die Doppelrolle“, sagt Jürgen Weber vom Bündnis Konstanz für Demokratie. Die Gruppe beruft sich unter anderem auf Namenslisten und Fotos von Treffen der Identitären Bewegung.
Was es mit dem Wahlkreisbüro auf sich hat, ist schwierig zu verifizieren. Der AfD-Kreisverband hat die Adresse nie offiziell bekannt gemacht. Sucht man das Gebäude auf, in dem es sich nach inoffiziellen Informationen befinden soll, gibt es am Eingang in der Tat einen Briefkasten und ein Klingelschild mit der Aufschrift Eisenhut. Weiter ist allerdings nichts zu sehen. Eine Nachbarin will keine AfD-Aktivitäten im Gebäude bemerkt haben.
AfD-Kreissprecher widerspricht den Vorwürfen
Eisenhut selbst lässt eine kurzfristige E-Mail-Anfrage unbeantwortet – übrigens ebenso wie der Landesvorstand der JA. AfD-Kreissprecher Jahnke widerspricht am Telefon aber auch der Kritik in Sachen Büro. Es habe einmal ein Angebot von Eisenhut an die JA gegeben, das Büro mit zu nutzen. Das sei allerdings vor etwa eineinhalb Jahren gewesen und man habe den Plan nicht weiter verfolgt. Und: „Ich weiß nichts von einem Büro der JA in Singen.“
Und auch ganz allgemein kann Jahnke die Kritik des Bündnisses nicht nachvollziehen. Es gebe den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Identitären Bewegung. Dass es im Kreis Konstanz Kontakte auf offizieller Ebene von Parteifunktionären gibt, sei ihm zumindest nicht bekannt: „Aber wenn sich einzelne Leute mit anderen Leuten treffen, kann man nicht alles kontrollieren.“
Das Aktionsbündnis bewertet die Angelegenheit indes mit drastischen Worten: „Die AfD von Bernhard Eisenhut wurzelt tief im braunen Sumpf“, heißt es zum Ende der Pressemitteilung. Den Unvereinbarkeitsbeschluss zur Identitären Bewegung gebe es nur zum Schein.