Der Lehrermangel ist in aller Munde, das Kulturministerium sucht mit einer umstrittenen Werbekampagne nach Menschen, die von ihrem Beruf in den Lehrerberuf wechseln. Doch sind die Bedingungen für Quereinsteiger tatsächlich gut und werden neue Lehrkräfte unbürokratisch in den Schuldienst aufgenommen? Dem sei nicht so. Ein Schulleiter und ein Quereinsteiger wünschen sich weniger Bürokratie und mehr Flexibilität.

Für Oliver Schmohl, Schulleiter an der Beethoven-Gemeinschaftsschule in Singen, ist Lehrermangel ein Thema. Er hat Bedarf an Lehrkräften und würde sich freuen, wenn er schnell und unbürokratisch Unterstützung bekommen würde. Zumal die Schule Ganztagesschule ist und insgesamt mehr Lehrkräften brauche.

Er hat aber die Erfahrung gemacht, dass Bewerber abspringen, weil sie zum Beispiel keine Auskunft darüber bekämen, was sie verdienten. „Drei Lehrer sind mir deshalb kurz vor knapp wieder abgesprungen“, erklärt er.

Oliver Schmohl, Schulleiter der Beethovenschule
Oliver Schmohl, Schulleiter der Beethovenschule | Bild: Thüga

Eine Lehrerin, die viele Jahre in einem Verlag gearbeitet habe und jetzt wieder als Grundschullehrerin einsteigen und eine erste Klasse übernehmen wollte, habe die Stelle nicht angetreten als sie erfahren habe, was sie verdiene. Insgesamt seien seiner Meinung zu viele Ebenen bei einer Einstellung involviert und es gebe immer mehr Bürokratie.

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Die Probleme lägen nicht beim Schulamt oder beim Regierungspräsidium, dort tue man, was man könne. „Das Problem liegt im System und das fällt uns auf die Füße“, erklärt der Schulleiter. Die Schulleitungen seien relativ machtlos und würden zum Spielball des Systems. In seinem Kollegium seien derzeit zwei Kolleginnen schwanger, wenn sie ausfielen, habe er keinen Ersatz.

Anja Claßen, Schulleiterin an der Waldeck-Schule und geschäftsführende Schulleiterin in Singen, hat derzeit keine befristete Lehrkraft an der Schule und derzeit auch keinen Bedarf. ‚Wir sind ordentlich versorgt ins neue Schuljahr gestartet‘, erklärt sie. Wenn allerdings eine Lehrkraft länger ausfalle, sei der Bedarf sofort da.

Für andere Schulen könne sie nicht sprechen, das sei an jeder Schule individuell verschieden. Bisher habe sie an ihrer Schule noch von niemandem gehört, der Interesse an einem Quereinstieg gezeigt hätte. „Ich weiß auch nicht, ob die Bedingungen so attraktiv sind, um aus einem anderen Beruf in den Lehrerberuf zu wechseln“, sagt Anja Claßen.

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Der Bedarf an Lehrpersonen ohne Lehrbefähigung (POL), wie die Quereinsteiger offiziell heißen, sei regional sehr unterschiedlich, bestätigt Gerhard Schlosser, der als stellvertretender Schulamtsleiter für die Lehrerversorgung im Landkreis zuständig ist. Gerade in Konstanz herrsche ein Überangebot an Lehrer und auch in Städten und Gemeinden am Bodensee könnten alle Stellen mit Lehrer besetzt werden.

In den ländlichen Regionen Richtung Tengen und im Hinterland von Stockach dagegen würden Lehrer gebraucht. Er habe die Erfahrung gemacht, dass Lehrer nicht sehr flexibel und mobil seien, was den Einsatzort angehe und zum Beispiel nur in Konstanz arbeiten wollten.

Schulamt ist froh über Quereinsteiger

„Das Schulamt in Konstanz ist grundsätzlich froh über die Möglichkeit, Personen ohne Lehrbefähigung einsetzen zu können“, sagt Gerhard Schlosser. Das Interesse an einem Quereinstieg sei zu Anfang relativ verhalten gewesen, habe jetzt aber zugenommen. Derzeit gebe es im Landkreis Konstanz laut Regierungspräsidium (RP) 201 befristete Verträge über alle Schularten, im Bereich des Regierungspräsidiums seien es 1435 befristete Verträge.

Gerhard Schlosser, stellvertretender Schulamtsleiter.
Gerhard Schlosser, stellvertretender Schulamtsleiter.

Damit Verträge in unbefristete Verträge umgewandelt werden könnten, müssten laut dem Schulamt drei Bedingungen erfüllt sein, die der Qualitätssicherung des Unterrichts an Schulen dienten: Erstens müsse die Arbeit der Lehrkraft vom Schulleiter und von der Schulaufsicht per Beurteilung für gut befunden worden sein, die Lehrkraft muss seit mindesten 30 Monaten beschäftigt sein und der Bedarf muss dauerhaft gegeben sein und kann nicht durch einen Lehrer mit Studium gedeckt werden.

Ganz neu gebe es die Möglichkeit eines Direkteinstiegs in die Grundschule. Interessenten müssten ein Bacelor-Studium in zwei schulrelevanten Fächern mitbringen, starten direkt mit dem Unterricht und erhalten begleitend eine zweijährige pädagogische Qualifikation.

Heike Spannagel, Pressesprecherin des RP
Heike Spannagel, Pressesprecherin des RP | Bild: Rau, Jörg-Peter

Zum Thema Gehalt erklärt die RP-Pressesprecherin Heike Spannagel: „Die Entgeldgruppe, aus der die ungefähre Höhe des Gehalts abgeleitet werden kann, steht grundsätzlich fest.“ Das Gehalt hänge aber auch davon ab, ob die Berufserfahrung für den Lehrberuf als nützlich anerkannt werden kann.

Dafür brauche es Nachweise, wie zum Beispiel Zeugnisse, die zu Beginn Arbeitsbeginn oftmals beim Land noch nicht vorlägen. „Auf die Vorlage der Nachweise folgt ihre Überprüfung, die manchmal aufwendig und umfangreich ist“, so die Pressesprecherin. Daher stehe zu Beginn des Arbeitsverhältnisses das Gehalt noch nicht genau fest.

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Quereinsteiger wünscht sich mehr Flexibilität

„Ich würde mir insgesamt mehr Transparenz, Flexibilität und schnellere Abläufe wünschen“, erklärt ein Quereinsteiger, dessen Name der Redaktion bekannt ist, der an dieser Stelle aber anonym bleibt, um seine berufliche Zukunft nicht zu gefährden.

Er sei gern in den Lehrerberuf gewechselt, bekomme auch sehr positive Rückmeldungen von den Schülern und dem Kollegium. „Es wäre gut, wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern“, erklärt er und würde sich über weniger Bürokratie und schnellere Abläufe freuen, wenn es zum Beispiel um die Anerkennung von Abschlüssen gehe oder darum, dass Arbeitsverträge pünktlich vor Schuljahresbeginn ankommen.

Er sehe, dass Lehrkräfte gebraucht werden und es würde vielleicht mehr Menschen einsteigen, wenn es zum Beispiel weniger Ebenen am Prozess beteiligt wären und Berufsjahre und Berufserfahrung außerhalb des Lehrberufs stärker honoriert würden.