Singen und seine Industrie, das gehört einfach zusammen. Einen anderen Eindruck konnte man nicht bekommen, wenn man bei der Verleihung der Bürgermedaille an Alfred Gruber dabei war. Oberbürgermeister Bernd Häusler, der die Auszeichnung nach einem Gemeinderatsbeschluss vornahm, hob die Bedeutung der Industriebetriebe für die Entwicklung der Stadt Singen hervor. Der Pionier darunter: Maggi. Schon 1887 habe Maggi in Singen eine Abfüllanlage errichtet, so Häusler. Damals sei die heute zweitgrößte Stadt des Landkreises ein „Kuhkaff“ gewesen, so der OB wörtlich.
Nach Maggi kam die Eisengießerei von Georg Fischer, auch heute noch unter dem Namen Fondium in direkter Nachbarschaft zum Maggi-Werk, und 1912 dann die Alu. „Den dreien ist zu verdanken, dass Singen so gewachsen ist“, strich Häusler heraus. Dadurch habe man Städte wie Radolfzell oder Stockach überholt, die damals größer und wichtiger gewesen seien.
Entsprechend eng ist die Verbindung zwischen Stadt und Großbetrieben. Da fügt es sich ins Bild, dass der Maggianer Alfred Gruber nun die dritthöchste Ehrung bekam, die die Stadt zu vergeben hat. Und das als erster Betriebsrat überhaupt, wie Gruber bei dem Termin sagte und Häusler bestätigte.
Er ist auch international für Maggi aktiv
Betriebsratschef bei der Maggi war Gruber seit 2012, nachdem er 1999 ins Gremium kam. Außerdem hatte er auch bundesweit und international Ämter im Betriebsrat des Maggi-Mutterkonzerns Nestlé inne – neben zahlreichen weiteren Aufgaben und Funktionen. Dominik Paintner, der seit August 2023 Werkleiter in Singen ist, schilderte in seiner Begrüßung weitere Punkte in Grubers Karriere bei der Maggi.
1980 habe der Geehrte in der Abteilung Verpackung angefangen, sei dann aber recht rasch zur Technik gewechselt und dort bis 2002 geblieben – bis zu Grubers Laufbahn als freigestellter Betriebsrat.
Dass Gruber als erster Betriebsrat die Bürgermedaille bekomme, begründete Häusler auch damit, dass die Ehrung nur selten vergeben werde. Meist gebe es nur eine dieser Ehrungen im Jahr. Gleichzeitig mit der Ehrung für Gruber habe der Gemeinderat zuletzt aber auch beschlossen, dem früheren Constellium-Betriebsratschef Heinrich Holl die Bürgermedaille zu verleihen, sagte Häusler. Der Termin dafür sei zu einem späteren Zeitpunkt.
Gute Zusammenarbeit für beide Seiten
Nun also die Ehrung für Gruber, der in seiner Dankesrede die eigene Auszeichnung auch als Würdigung für alle Menschen bezeichnete, die sich ehrenamtlich engagieren. Einen Teil der Ehre reichte er auch an Vorgänger im Betriebsratsamt und an das Netzwerk weiter, das rund um einen Betriebsrat für erfolgreiche Arbeit notwendig sei. Darunter sei die SPD-Fraktion des Gemeinderats, von der neben Vertretern anderer Fraktionen mehrere Mitglieder bei der Verleihung im Gästecasino der Maggi dabei waren.
Aber auch die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung hob Gruber hervor. Dass OB Häusler immer bei der Feier zum Tag der Arbeit am 1. Mai dabei sei, sei nicht selbstverständlich für ein Stadtoberhaupt, so Gruber. Und er hob das Engagement des Oberbürgermeisters hervor in Zeiten, in denen Arbeitsplätze und Sozialstandards bei Maggi gefährdet gewesen seien: „Hut ab, Sie sind selbst nach Frankfurt zur deutschen Konzernzentrale gefahren“, so Gruber an den OB. Der Besuch fand demnach im Zuge eines Arbeitskampfes im Sommer 2018 statt, als der Mutterkonzern Nestlé viele Arbeitsplätze in Deutschland abbauen wollte.
Er hat auch ans große Ganze gedacht
Eine ähnliche Wertschätzung signalisierte auch Häusler. Er habe ein CDU-Parteibuch und sei nicht grundsätzlich der größte Fan von Gewerkschaften, gab er in seiner Rede zu. Aber seine Meinung sei auch: „Gewerkschaften sind unglaublich wichtig. Es muss ein vernünftiges Gleichgewicht geben.“ Und auch Betriebsräte seien sehr wichtig, die eine Gewerkschaft mitunter bremsen können, damit ein Unternehmen am Leben bleibt.
Im Dreiklang aus Gewerkschaft, Geschäftsführung und Betriebsräten sei Gruber eine wichtige Persönlichkeit gewesen: „Sie haben sich für die eigenen Leute eingesetzt, aber auch an das große Ganze gedacht.“
Neuer Chef lobt altgedienten Mitarbeiter
Dieser Würdigung des Betriebsratschefs schloss sich auch Werkleiter Paintner an. Er sprach von einer „sehr vertrauensvollen und guten Zusammenarbeit“. Und er wünschte dem Geehrten: „Viel Spaß mit der vielen Freizeit, Familie und Enkeln.“
Denn nach mehr als 43 Jahren bei der Maggi geht Gruber zum Ende dieses Monats in den Ruhestand. Ohne den Rückhalt von Familie und Ehefrau gehe es nicht mit solchen Ämtern, sagte er. Und am Rande der Veranstaltung gab Gruber auch zu, froh zu sein, dass der Anlass ohne Tränen ablief: „Ich habe ganz klein hier angefangen und wurde kürzlich vom europäischen Vorstandschef in Genf mit Handschlag verabschiedet. Da ging bei den bisherigen Verabschiedungen schon manches unter die Haut.“