Anina Kemmerling

Der Unterhalt sichert den Lebensbedarf eines Kindes. Grundsätzlich sind Ehegatten sowie ein getrennt lebender Partner dazu verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Leben beide Elternteile zusammen, gibt es im Normalfall keine Konflikte. Doch wie sehr ein Streit um den Unterhalt des gemeinsamen Kindes ausarten kann, zeigt der Prozess eines Ex-Ehepaares vor dem Singener Amtsgericht.

2012 wird das Kind geboren

Das Paar lebte seit mehreren Jahren in einer gemeinsamen Wohnung, als 2012 der Sohn geboren wurde. Die Eheleute dachten daran, eine größere Wohnung zu suchen, der frischgebackene Vater lieh sich dafür knapp 10.000 Euro von seinen Eltern. Doch zu einem Umzug und einem Familienleben zu dritt kam es nie.

Dann kommt es zum Bruch

„Im Jahr 2013 zog meine Ex-Frau mit meinem Sohn aus. Dann waren unsere gemeinsamen Pläne auf einmal kaputt“, schildert der beschuldigte Mann vor Gericht. Nach der Scheidung entschied ein Gericht auf Grundlage eines psychologischen Gutachtens, dem Vater das Sorgerecht für drei Jahre zu entziehen. Das habe ihm den Boden unter den Füßen weggezogen, sagt er.

„Mir tut das so weh. Ich muss jeden Tag daran denken. Ich kann deshalb nicht mehr als drei Stunden am Stück arbeiten“, erläutert der Vater. Wegen der psychischen Folgen, die das Urteil mit sich brachte, könne er kaum noch Geld verdienen. Seine Ersparnisse, die geliehenen 10.000 Euro seiner Eltern, hätte er Anfang 2020 zurückzahlen müssen. Außerdem ließ er drei Bausparverträge im selben Jahr auflösen und übertrug seine Lebensversicherung in Höhe von knapp 23.000 Euro auf seine Mutter.

Vater zahlt nur 220 statt der festgelegten 545 Euro

Im Juli 2020 bezahlte der Mann ein letztes Mal einen Teil des Unterhalts für seinen Sohn. Es waren 220 der eigentlich festgelegten 545 Euro. Danach zahlte er nie wieder. „Für mich war es keine Überraschung, dass kein Geld mehr von meinem Ex-Mann kam“, sagt seine ehemalige Frau vor Gericht aus. Kurze Zeit zuvor hätten ihre Eltern einen dubiosen Anruf erhalten, bei dem ein Unbekannter stellvertretend für den Angeklagten drohte, den Unterhalt zu entziehen, sofern die Sorgerechtsklage nicht zurückgezogen werde. Davon ließ sich die Mutter allerdings nicht beeinflussen und die Drohung wurde direkt nach dem verlorenen Sorgerechtsstreit in die Tat umgesetzt.

Vater gibt sich zahlungsunfähig

Nun gibt sich der Mann zahlungsunfähig. Dass er etwas mit dem anonymen Anrufer zu tun habe, bestreitet er. Allerdings möchte der Beschuldigte keine genauen Angaben zu beruflichen Verhältnissen und seinem Verdienst machen. Er sagt, er habe ein geringes Einkommen. Das Gericht verordnete einen Durchsuchungsbeschluss, um die Zahlungsunfähigkeit zu prüfen.

Angeklagter ist in zwei Firmen tätig

Wie der ermittelnde Polizeibeamte beschreibt, habe die Durchsuchung ergeben, dass der Beschuldigte als Ingenieur in zwei Firmen angestellt ist. Bei einer der beiden soll er eine Teilinhaberschaft besitzen, was der Mann allerdings abstreitet. „Die Höhe seiner Privatversicherungskosten deutet auf einen guten Verdienst. Der Angeklagte könnte sich den Unterhalt für seinen Sohn mit Sicherheit leisten“, sagt der Polizist. Außerdem vermutet er, dass der Beschuldigte Geld ins Ausland überweise, um sein tatsächliches Gehalt zu verschleiern.

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Für die Staatsanwaltschaft ist der Tatbestand bewiesen. Der Beschuldigte könne den Unterhalt für seinen Sohn zahlen, wolle das aber wegen des entzogenen Sorgerechts nicht mehr tun. Seine Ersparnisse habe er Anfang 2020 dann kurzfristig loswerden müssen, um offiziell kein Vermögen mehr zu besitzen. „Ich bin einfach nicht schuldig. Es stimmt, es war mal Vermögen da, aber das ist alles weg“, entgegnet der beschuldigte Vater in seinem Schlussplädoyer. Erneut wird der Verlust deutlich, der ihm psychisch so zu schaffen macht. „Die Polizei kann mehrmals kommen, um meine Wohnung zu durchsuchen, doch meinen Sohn bringen sie nie mit. Ich hätte mich so gerne um ihn gekümmert“, sagt er.

Bei der Urteilsverkündung macht die leitende Amtsrichterin klar, dass es in diesem Prozess nicht um das Sorgerecht, sondern den Unterhaltsentzug gehe. Die Unterhaltspflicht sei vorrangig, da diese die Überlebensfähigkeit des Kindes gewährleistet. „Es geht um das Kind. Der Tatbestand ist schon erfüllt, wenn sie nur 50 Euro haben und diese nicht für den Unterhalt verwenden“, erklärt die Richterin.

Verurteilt wurde der Mann schließlich zu einer sechsmonatigen Haftstraße, auf Bewährung ausgesetzt für vier Jahre. In dieser Zeit muss der Unterhalt pünktlich zum ersten des Monats überwiesen und alle Rückstände ausgeglichen werden. Auch nach der Verurteilung zeigt sich der Vater uneinsichtig. Er werde das Urteil nicht akzeptieren und in Berufung gehen. Dann wird das Verfahren erneut vor dem Landgericht vorgetragen.