Die SPD als traditionelle Arbeiterpartei? Diese Tage sind vorbei. Doch als Partei für die Arbeitnehmer bringt sich die SPD ins Gespräch. Zumindest beim Besuch von Andreas Stoch in Singen, dem Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 14. März. Stoch ist bislang der einzige Spitzenkandidat, der trotz Corona-Pandemie selbst die Wahlkreise besucht: „Man kann die Themen besser aufnehmen, wenn man vor Ort ist“, sagt er vor dem Besuch bei SPD-Kandidat Hans-Peter Storz. Negative Reaktionen habe er noch nie zu hören bekommen, so der Spitzenkandidat. Man achte streng auf die Hygienevorschriften, Gespräche gebe es nur in kleinen Gruppen.

SPD-Spitzenkandidat Andreas Stoch im Landtagswahlkampf in Singen Video: Freißmann, Stephan

Der Auftakt findet bei der Eisengießerei Fondium statt. Zwei der drei Geschäftsführer, Achim Schneider und Matthias Blumentrath, berichteten Stoch über die Lage in dem Unternehmen, das auf die Herstellung von leichten Eisenguss-Teilen, vor allem für die Autoindustrie, spezialisiert ist – mit harter Konkurrenz im In- wie Ausland. Wünsche an die Politik hatten Schneider und Blumentrath auch. Aufgrund der hohen Strompreise betriebe man den Kupolofen im Unternehmen nämlich weiterhin mit Koks, so Schneider. Und wenn man den Kohlendioxid-Ausstoß von Industriebetrieben wirklich senken wolle, müsse mehr Ökostrom her, so die beiden Geschäftsführer. Derzeit verbrauche Fondium so viel Strom wie ganz Singen, so Blumentrath. An der Dekarbonisierung müsse man arbeiten, auch wenn das Unternehmen einen Teil der CO2-Zertifikate derzeit kostenlos bekomme, so Schneider.

Das könnte Sie auch interessieren

Seitenhiebe gegen den früheren grünen Koalitionspartner

Stoch nutzte diese Vorlage zum Seitenhieb gegen den früheren grünen Koalitionspartner. In Bayern würde zehn Mal mehr Fotovoltaik hinzugebaut als in Baden-Württemberg. Und: Man dürfe sich nicht zu sehr auf Dienstleistungen konzentrieren, sondern müsse auch Industriearbeitsplätze erhalten – denn die hätten viele Jahre lang Wohlstand gesichert. Stoch warb für eine aktive Industriepolitik zur Dekarbonisierung. Da waren sie wieder, die Arbeitnehmer.

Auch ein Handelsvertreter kommt zu Wort: Alexander Kupprion, Geschäftsführer von Sport Müller (Mitte), im Gespräch mit Andreas Stoch ...
Auch ein Handelsvertreter kommt zu Wort: Alexander Kupprion, Geschäftsführer von Sport Müller (Mitte), im Gespräch mit Andreas Stoch (links) und Hans-Peter Storz. | Bild: Tesche, Sabine

Beim Sporthaus Müller in der Innenstadt gab es ein Gespräch zu den Sorgen des Handels. Geschäftsführer Alexander Kupprion schimpfte stellvertretend für die Innenstadt-Händler, die Politik könne nicht von großzügigen Hilfen posaunen, wenn die Auszahlung der Gelder so lange dauere. Das sei „grob fahrlässig“. Stoch erwiderte, Bundesfinanzminister Olaf Scholz habe das Geld bereit gestellt. Die langsame Auszahlung sei auch für sie frustrierend. Und er pflichtete Kupprion bei: Das Erlebnis Einkaufen gebe es nur in der Stadt.

Gesprächsrunde mit Betriebsräten im Wahlbüro von SPD-Kandidat Hans-Peter Storz – mit Abstand und Gesichtsmasken (von links): ...
Gesprächsrunde mit Betriebsräten im Wahlbüro von SPD-Kandidat Hans-Peter Storz – mit Abstand und Gesichtsmasken (von links): Wolfgang Müller, Christa Bartuschek (beide Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz), Michael Spannbauer und Thomas Fischer (beide Fondium). | Bild: Freißmann, Stephan

Die klassische Arbeiterpartei schimmerte zum Schluss des Besuchs in Storz‘ Wahlkampfbüro durch, im Gespräch mit Betriebsratsvertretern. Zur Sprache kamen typische Sorgen aus der Arbeitswelt. Durch Werkverträge, Leiharbeiter und regulären Angestellten gebe es in einem Betrieb schon längst drei Klassen von Angestellten, sagte etwa Michael Spannbauer, stellvertretender Betriebsratschef von Fondium. Jede Gruppe habe andere Probleme, manche knabberten am Existenzminimum. Stoch stimmte ihm zu, dass Regelungen für alle Arbeitnehmer gleich gelten müssten, und warb für das Betriebsrätestärkungsgesetz von SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil, das die CDU allerdings blockiere.

Das könnte Sie auch interessieren

Christa Bartuschek, auch für die SPD im Singener Gemeinderat, und Wolfgang Müller, die Chefs des Betriebsrats am Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz, berichteten vom Fachkräftemangel und den Arbeitsbedingungen in der Pflege. Stoch warf dabei die Frage auf, ob das derzeitige Vergütungssystem mit Fallpauschalen noch das richtige sei – denn bei den Sätzen würde die Pflege eher als Kostenfaktor gesehen.

Und Bernhard Widmann, Betriebsratsvorsitzender von Constellium, berichtete ebenfalls von den Energiepreisen, die das Unternehmen umtreiben, das ebenfalls an der CO2-Neutralität arbeite. Und: Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite seien sich in der Tarifrunde überhaupt nicht einig. Erneut warb Stoch für eine gestaltende Industriepolitik und brachte Investitionshilfen ins Spiel. Und der SPD-Ortsvereinsvorsitzende Berthold Jörke, gleichzeitig im Betriebsrat bei Maggi, sagte, dass es immer mehr qualifizierte Arbeitsplätze in einem Unternehmen gebe. Stoch plädierte dabei für starke Weiterbildung: „Man darf nicht zulassen, dass Leute nicht mehr mithalten können.“ Und zum Abschied bemerkte er: „Wir wollen das Ohr da haben, wo das Herz der Arbeit schlägt, bei den Betriebsräten.“

Zu Person, Partei und Wahl

  • Die Person: Andreas Stoch, 51, tritt als Spitzenkandidat für die SPD bei der Landtagswahl am 14. März an. Er wurde in Heidenheim geboren, wo heute sein Wahlkreis liegt, und wuchs in Giengen an der Brenz auf. 1990 trat er der SPD bei. Von 2013 bis 2016 war er Kultusminister, seit 2016 ist er Fraktionschef der SPD im Landtag und seit 2018 auch Landesvorsitzender.
  • Die Partei: Von 2011 bis 2016 war die SPD Juniorpartner in der ersten grün-roten Landesregierung Deutschlands. Seit 2016 ist die Partei wieder in der Opposition des Landtags. Die jüngsten Umfragen zur Landtagswahl 2021 sehen die SPD landesweit bei einem Stimmenanteil von zehn oder elf Prozent (Stand 4. bzw. 5. Februar). Im Wahlkreis Singen-Stockach tritt Hans-Peter Storz für die SPD an.
  • Die Wahl: Am Sonntag, 14. März, entscheiden die Wahlberechtigten über die Zusammensetzung des Landtags. Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit erwartbaren Anzahl an Briefwählern wurde die Zahl der Wahllokale vielerorts reduziert. Man sollte daher darauf achten, in welchem Wahllokal man wählen kann. Die Wahlbenachrichtigung enthält zudem auf der Rückseite den vorgedruckten Briefwahlantrag, der ausgefüllt zurückgesandt werden kann. (eph/sk)