Schlimmer hätte es für das Cano kaum kommen können: In der heißen Phase vor der Eröffnung des neuen Einkaufszentrums legt das Corona-Virus die gesamte Baustelle in Singen lahm. Für eine Woche geht hier nichts mehr. Damit verschiebt sich die Eröffnung. „Nachdem in der vergangenen Woche bei Massentests von rund 700 getesteten Personen mehr als 100 infiziert waren, mussten wir die Baustelle für eine Woche schließen“, erklärte Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler am Dienstagnachmittag. „Eine entsprechende schriftliche Verfügung geht von unserer Seite heute raus, nachdem wir das gestern mündlich mitgeteilt haben.“

Bis Sonntag ist Stillstand beim Cano angeordnet – doch die Kultur muss mehr leiden, sagt der OB

Das Infektionsgeschehen in der Republik und nun auch vor Ort lasse keine andere Wahl. „Der Schutz von Leib und Gesundheit hat Priorität“, sagt Häusler. Deshalb sei der Baustellenstopp in Absprache mit dem Gesundheitsamt bis Sonntag verhängt worden. Danach könnten die Arbeiten mit einem weiter angepassten Hygienekonzept wieder hochgefahren werden. „Wenn nicht weitere Beschränkungen von der Bundesebene kommen, kann die Cano-Eröffnung noch im Laufe des Jahres stattfinden.“ Verglichen mit den Folgen des Teil-Lockdowns für die gesamte Kulturbranche sei eine um drei bis vier Wochen verzögerte Eröffnung des Cano verhältnismäßig milde.

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Ob das Virus von der Baustelle oder den Wohnheimen in die Stadt oder in die Region getragen wurde, lasse sich nicht nachvollziehen, so Häusler. Viele der Arbeiter stammen aus osteuropäischen Ländern und seien in Ferienwohnungen oder sogenannten Handwerkerunterkünften im Hegau untergebracht.

Edeka hat zum Glück noch keine Frischwaren bestellt. Der Schaden ist auch so groß

Höchst alarmiert zeigte sich Nadine Schulze vom Edeka-Markt Münchow auch einen Tag nach dem ersten Schock. „Wir waren mit unserem Ladenbau im Untergeschoss mit eigenen Toiletten und Hygienekonzept vollkommen autark. In den Reihen unserer Handwerker gibt es keine Ansteckungen“, sagt die Chefin. Der zeitliche Verzug verlängere das Vakuum der Nahversorgung in der Innenstadt. Bereits vor einer Woche hatte der Citymarkt nach einem rasanten Abverkauf geschlossen.

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„Den wirtschaftlichen Schaden können wir noch nicht beziffern“, sagt Nadine Schulze. „Zum Glück haben wir noch keine Frischwaren bestellt.“ Problematisch werde es für die Handwerker, deren Zeitplan jetzt völlig durcheinander gewirbelt wurde. „Die sind bis unters Dach voll mit Folgeaufträgen.“

Andreas Richter spricht für einige dieser Handwerker, er betreut mit der Firma Knoblauch aus Markdorf den Ladenbau von vier Flächen im Cano, zum Beispiel auch für Comix. Für jedes Projekt ist Andreas Richter mit fünf, sechs Leuten vor Ort. „In erster Linie ist das eine extreme Einschränkung für den Kunden, weil er nicht vorankommt und seinen Businessplan nicht bedienen kann“, sagt Richter. Er reagiert gelassen auf den Baustopp: „Verschiebungen sind nichts Ungewöhnliches, deshalb können wir damit umgehen.“ Im Zuge der Corona-Pandemie habe er auch bei anderen Baustellen in den vergangenen Monaten Verzögerungen erlebt. In der außergewöhnlichen Situation sei er nun im Standby-Modus, bis die nächsten Informationen eingehen. Das könne sich ja von einer Stunde zur nächsten ändern.

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„Das ist unternehmerisches Risiko“, sagt der Norma-Sprecher

Etwas ruhiger reagiert auch Maik Schönborn, der für den Discounter Norma spricht: „Es ist schade. Wir hatten uns schon auf das neue Konzept in der neuen Filiale gefreut.“ Der Baustellenstopp habe alle Planungen für die 850 Quadratmeter ins Schwanken gebracht. 15 Mitarbeiter, darunter auch neue, beziehen Lohn. „Die Mieten müssen seit der Übergabe der Fläche bezahlt werden. Dazu kommen Umsatzausfälle“, schildert Schönborn die Situation. „Das ist unternehmerisches Risiko. Etwas Positives kann er einer späteren Eröffnung aber doch abgewinnen: „Wir haben die Hoffnung, dass die Gastronomie dann auch öffnen kann. Das würde die Attraktivität zum Start des Cano auf jeden Fall steigern.“

Die Cano-Baustelle von innen.
Die Cano-Baustelle von innen. | Bild: Tesche, Sabine

Bei einer späteren Eröffnung könnte auch die Gastronomie dabei sein

Das sieht Sebastian Raetz von der Parfümerie Gradmann ähnlich. Er reagiert mit großer Gefasstheit auf die Schließung, weil er einen Corona-Ausbruch auf der Baustelle nie ausgeschlossen habe. Er findet die Entscheidung, die Baustelle für eine Woche komplett zu schließen, richtig. „Wenn so viele Menschen positiv getestet wurden, kann man nicht alle weiterarbeiten lassen“, sagt er. Außerdem ist er der Meinung, dass „eine Eröffnung ohne Gastronomie keinen Sinn machen würde. Wir wären mit unserem Laden rechtzeitig zur Eröffnung am 19. November fertig gewesen“.

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Die wirtschaftlichen Folgen müssten aus den Rücklagen getragen werden. Schon der Teil-Lockdown werde zu Umsatzrückgängen führen, da sich weniger Menschen in der Stadt aufhalten. Was die Ladenmiete angeht, so hofft er auf ein Entgegenkommen des Vermieters ECE. Der Drogeriemarkt Müller, der den Abverkauf für den Umzug ins Cano schon mit einer Rabattaktion gestartet hatte, hat seine Plakate wieder zurückgezogen.

Die Gesundheit aller hat Vorrang: Das sagen Singen aktiv und die Center-Leiterin

Auf die Frage an Singen aktiv, welche Auswirkungen die spätere Cano-Eröffnung auf den Singener Handel habe, antworten Gerd Springe und Claudia Kessler-Franzen gemeinsam: Es sei eine tragische Verkettung von Endausbauphase im Cano und Infektionen in der zweiten Coronawelle. „Es ist sehr schade um die enormen geleisteten Anstrengungen der ECE und der Cano-Mieter, die auf gutem Wege waren, pünktlich am 19. November an den Start zu gehen.“ Bei allen wirtschaftlich anspruchsvollen Themen stehe die Gesundheit jedes Einzelnen im Vordergrund.

Das betont auch Center-Leiterin Carolin Faustmann: „Natürlich hätten die Mieter genauso wie wir gern am 19. November eröffnet, aber die Gesundheit aller hat hier natürlich Vorrang.“ Deshalb sei die am Sonntagabend getroffene Entscheidung alternativlos gewesen.

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