Die Coronazahlen sinken und Optimismus macht sich bei vielen breit. Auch bei Reiner Kusch. Der 70-jährige Reiseveranstalter aus Stockach hat sich zum Gespräch mit dem SÜDKURIER getroffen – und Fotos und Erinnerungen aus 40 Jahren Auf und Ab mit seiner Tourismus-Agentur Events on Tour mit im Gepäck.
Als Paketer stellt er Reisen zusammen und verkauft sie an Busunternehmer, die nur noch das Fahrzeug dazunehmen müssen. Seit Mitte Oktober 2020 konnte der 70-Jährige keine Reisen mehr anbieten – seine Branche gehört zu den am schlimmsten betroffenen. Doch ab 20. Juni geht es wieder los. „Immerhin eine Woche früher als im vergangenen Jahr“, kommentiert Reiner Kusch lachend.
„Große Sprünge waren so nicht möglich“
Auch wenn 2021 bislang ein Jahr ohne Einnahmen gewesen sei, habe er noch Glück im Unglück gehabt. „Wir sind in der glücklichen Lage, keinen Kapitaleinsatz zu haben, weil wir keine Büromiete und keine eigenen Fahrzeuge bezahlen müssen. Alles findet in unserem Haus statt“, so Kusch.
Dadurch habe er zwar keinerlei Einnahmen, aber auch keine laufenden Fixkosten, wie beispielsweise Busunternehmer. „Die hat das Ganze natürlich härter getroffen“, sagt der gebürtige Sachse. Zudem bekomme er eine Rente. „Damit können wir leben und Essen, Strom und Wasser zahlen. Aber große Sprünge oder Urlaube waren so nicht möglich.“

Ursprünge in der Autobranche
In der 40-jährigen Geschichte seines kleinen Unternehmens habe er eine solche Krise noch nicht erlebt, sagt er, während er Fotos aus der Zeit der Anfänge seiner Agentur zeigt. Als er mit seiner Frau Claudia Kusch die Agentur im Januar 1981 als Public Relation Service gegründet hat, konnten viele mit diesem Begriff noch nichts anfangen, erinnert sich Reiner Kusch.
1984 erweiterte er seine Angebote um Incentive Reisen, also Reisen, die von Unternehmen für Kunden angeboten werden. Zudem vermarktete und organisierte er als Incoming Agentur die Fahrten. Dabei habe er anfangs vor allem bei Autohaus-Eröffnungen Reisen per Bingo an Kunden verlost.
„Den Kontakt dahin hatte ich, weil ich eigentlich gelernter Kraftfahrzeugmechaniker bin“, erklärt Kusch. Zu dieser Zeit hätten viele Busunternehmen die Gäste meist nur irgendwo hingefahren, abgeladen und wieder abgeholt – ohne die Betreuung vor Ort anzubieten.
Erste Schritte in die Tourismusbranche
„Da haben meine Frau und ich gesagt: Das ist nicht unser Stil. Wir wollten sozusagen VIP-Reisen für normale Autokäufer organisieren, indem wir die Reisen persönlich begleitet und Führungen moderiert haben“, berichtet Kusch von den ersten Schritten in die Tourismusbranche. Später hätten ihn die Leute darauf angesprochen, ob er nicht mehr solcher Busreisen selbstständig organisieren wolle – was er dann gemacht habe.
Zudem sei er früher für die Bodensee-Hegau-Partnerhotels auf Messen gewesen. Dort habe er Busunternehmer für die Reisen gewonnen und die Veranstalter an die Hotels in der Region vermittelt. Der 70-Jährige erklärt: „So sind wir an die Reiseveranstalter herangekommen und haben uns weiterentwickelt, bis wir das selbst anbieten konnten und groß geworden sind.“
Kusch erwartet keine langfristigen Folgen von Corona
Heute sei die Klientel seiner Busreisen etwa 70 oder 80 Jahre alt. „Die waren schon überall auf der Welt, aber wollen manche Dinge noch einmal sehen, ohne dafür einen 14-Stunden-Flug auf sich nehmen zu müssen“, sagt er.
Dass diese Kunden sich durch Corona nachhaltig von Busreisen abschrecken lassen und Angst vor der Nähe im Bus haben, erwartet Reiner Kusch nicht. „Nein, die Menschen wollen ja endlich wieder weg. Und je länger die Pandemie her ist, umso mehr wird sich alles wieder liberalisieren und in den Köpfen weniger bewusst sein“, so der Paketer.
Nachrückende Generation könnte zum Problem werden
Lediglich die nachrückende Generation, die jetzt 60 Jahre alt sei, könne zum Problem werden. „Man muss sehen, ob die auch noch Busreisen buchen werden. Aber das ist eine Entwicklung für in sieben in zehn Jahren. Bis dahin ist die Bustouristik sicher“, gibt er sich positiv gestimmt.

Und auch seine eigene Auftragslage für die nächsten Wochen sieht gut aus. Reiner Kusch erklärt: „Für den Sommer sind einige Reisen gebucht und für 2022 sind wir zu 80 Prozent ausgebucht. Und ich bin mir sicher, dass noch weitere Aufträge kommen jetzt nach Corona.“
„Man sollten aufhören, wenn es am besten ist“
Er hofft sogar darauf, dass die Nachfrage steigen könnte: „Landläufig heißt es ja oft, dass Deutschland wieder attraktiv wird – gerade auch der Bodensee. Ich denke, dass dieser Trend durch Corona noch verstärkt wird.“ Und diesen Aufschwung nach der Pandemie möchte der 70-Jährige auf jeden Fall noch mitnehmen: „So lange es die Gesundheit zulässt, möchte ich noch ein paar Euro verdienen, um etwas für später zu haben.“
Drei oder vier Jahre sollen es noch sein. „Mit 75 Jahren sollte man dann aber doch aufhören“, sagt er. In seiner Branche sei es wie bei einem Sänger oder Fußballer. Kusch stellt klar: „Man sollte aufhören, wenn es am Besten ist – und nicht, wenn man nicht mehr gefragt ist.“