Das Wesentliche steht manchmal zwischen den Zeilen. Das wurde einmal mehr deutlich bei einer Verhandlung vor dem Stockacher Amtsgericht deutlich. Körperverletzung war als Anklagepunkt auf dem Aushang zu lesen, der neben der Tür zu Sitzungssaal 4 angebracht war. Angeklagt war ein 36-jähriger Mann aus dem Stockacher Raum, der gegenüber seiner Noch-Ehefrau handgreiflich geworden sein soll. Er wurde am Ende zu 120 Tagessätzen verurteilt. Im Laufe der Zeugenaussagen gab es bedrückende Einblicke in Szenen einer gescheiterten Ehe.

Anklage umfasst mehrere Fälle

Aber von Anfang an: Laut der Staatsanwältin wurde der Angeklagte beschuldigt, seine Frau im Juli 2020 mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Wenige Tage später soll er sie im Streit mit der flachen Seite des Sägeblatts eines Fuchsschwanzes geschlagen haben. Des Weiteren soll der Angeklagte seiner Frau über mehrere Wochen verboten haben, das Haus zu verlassen, bis er sie schließlich mit einem Messer in der Hand bedroht- und sie aufgefordert haben soll, das Haus zu verlassen, so die Schilderung der Staatsanwaltschaft. Seit dem letzten Vorfall leben die Ehepartner getrennt, die Scheidung laufe derzeit.

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Doch wie soll es überhaupt soweit gekommen sein? „Am Anfang war alles gut“, erklärte der Angeklagte. 2007 habe das Paar geheiratet und im Laufe der folgenden Jahre drei Kinder bekommen. Das Zerwürfnis begann ihm zufolge im Jahr 2016. Seine Frau soll über Jahre hinweg Rechnungen versteckt und das Geld für andere Dinge ausgegeben haben, wodurch sich für ihn unbemerkt ein großer Schuldenberg angehäuft habe. Inzwischen laufe ein Privatinsolvenzverfahren, weil der 36-Jährige derzeit nicht arbeiten könne. „Nach der Trennung bin ich in eine tiefe Depression verfallen, wegen der ich mich in Behandlung befinde“, erklärte der Mann und fügte an: „Ich war von allem so enttäuscht, dass ich nichts mehr hin bekommen habe.“ Aus diesem Grund sei er momentan arbeitsunfähig. Zu den drei Kindern, die bei der Frau leben, habe er keinen Kontakt.

Drogenkonsum spielte eine Rolle

Richterin Julia Elsner hakte an dieser Stelle zu einem Eintrag bezüglich Drogenkonsum nach, der sich in den Akten des Angeklagten findet. Wie daraus hervorgehe, habe er Amphetamin konsumiert. Das habe 2017 angefangen, „ich habe das gebraucht, um stark zu sein, wenn es körperlich gar nicht mehr ging“, erklärte er mit einem Verweis darauf, wie sehr ihm die Streitigkeiten mit seiner Frau, der Stress auf der Arbeit und die schwere Krankheit seiner Mutter zu schaffen gemacht hätten. „Ich habe aber einen Entzug gemacht“, fügte er an.

Laut den Schilderungen des 36-Jährigen habe ihn seine Frau regelmäßig bewusst provoziert. Auch soll sie ihn betrogen haben. „Die schmutzige Unterwäsche hat sie immer extra oben auf den Wäschekorb gelegt, damit ich sie auch sehe, wenn ich meine Kleidung nach der Arbeit gewechselt habe“, so der Angeklagte. Gewalttätig sei er trotzdem nicht geworden. „Dafür bin ich nicht der Typ“, beteuerte er vor Gericht. Mehrfach habe seine Frau die Polizei gerufen, um ihn einzuschüchtern. Einmal soll sie sich die Treppe herunterfallen lassen haben, um vorzutäuschen, er würde sie misshandeln. „Die Schwestern meiner Frau spielen genau das gleiche Spiel mit ihren Männern. Ich habe mittlerweile Angst vor dieser Frau“, betonte er.

Seit Juli 2020 habe er aus diesem Grund auch nicht mehr zuhause geschlafen, sondern bei einer Kollegin. Die Beschuldigungen, die seine Frau gegen ihn vorbringe, seien haltlos, versuchte er deutlich zu machen, indem er beteuerte, dass sich im heimischen Werkzeugkasten gar keine Fuchsschwanz-Säge befunden habe. Auch die Behauptung seiner Frau, sie habe das Haus nicht mehr verlassen dürfen sei unwahr. „Zu diesem Zeitpunkt war ich selber kaum noch zuhause. Wie hätte ich das kontrollieren sollen?“

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Geschädigte war im Frauenhaus

Anders sah das Bild aus, dass die 36-jährige Ehefrau, die als Zeugin anwesend war, zeichnete. „Zwölf Jahre lang hatte ich richtiges Theater mit ihm. Ich bin nicht umsonst jetzt weit weg gezogen“, betonte sie. Bereits bevor die Lage endgültig eskaliert sei, sei sie zwischenzeitlich eine Zeit lang im Frauenhaus gewesen, jedoch habe sie die Ehe nicht einfach aufgeben wollen und sei deshalb zunächst zurückgekehrt. Sie beteuerte auch, nicht fremdgegangen zu sein, warf dies hingegen ihrerseits dem Angeklagten vor. Eindringlich schilderte sie den Streit, der zum Schlag mit der Säge geführt haben soll, und dessen Auslöser ein verlorener Schlüssel gewesen sein soll. Mehrfach habe er sie zudem mit einem Messer bedroht. „Und als das mit den Drogen kam, habe ich ihm nicht mehr getraut. Das war nicht mehr er. Da hatte ich das Gefühl, jetzt passiert was“, erklärte sie. Überhaupt wirkten die Schilderungen der Zeugin sehr plastisch.

Das überzeugte am Ende auch die Richterin. „Die Aussagen der Zeugin waren aus meiner Sicht schlüssig, nachvollziehbar und in ein Großes und Ganzes eingepasst“, betonte sie. Auch die vorgelegten Fotos vom Abdruck des Schlags mit der Säge trugen dazu bei, dass sie zur Überzeugung kam, die Zeugin sei glaubhaft. Den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“, den der Verteidiger in seinem Plädoyer vorgebracht hatte, wollte sie dementsprechend nicht gelten lassen. Dazu schienen ihr die Aussagen der Zeugin zu schlüssig, sodass für sie am Ende keine hinreichenden Zweifel blieben. Auch gab es aus ihrer Sicht keine Hinweise darauf, dass die Zeugin den Angeklagten einfach nur fertig machen wolle, wie er es geschildert hatte. Trotzdem hielt sie am Ende fest: „Das war offensichtlich für beide Seiten keine gute Beziehung.“

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