Seit einigen Wochen hat das Stadtarchiv Stockach eine neue Archivarin: Elena Williams ist 24 Jahre alt, hat das Fach Archiv an der Fachhochschule Potsdam studiert und im März ihr Studium mit der Verteidigung ihrer Bachelorarbeit abgeschlossen. Im SÜDKURIER-Gespräch erzählt sie, wie sie nach Stockach kam, was ihr an ihrem Beruf gefällt und welche Aufgaben ein Stadtarchiv hat.

Elena Williams kam in Luxemburg zur Welt und wuchs in Trier auf, erzählt sie von ihrer Kindheit. Ihr Vater ist Engländer, das erkläre den ungewohnten Nachnamen. Sie habe sich schon immer für Geschichte interessiert und ursprünglich Historikerin werden wollen, berichtet sie.

Hinter diesen Rollregal verbergen sich unzählige Akten und Bücher.
Hinter diesen Rollregal verbergen sich unzählige Akten und Bücher. | Bild: Claudia Ladwig

Bei einem Praktikum im Bistumsarchiv Trier sei sie dann von der Arbeit und den Aufgaben direkt begeistert gewesen. „Als Bestätigung, dass ich das wirklich machen will, habe ich noch ein Jahr Bundesfreiwilligendienst im Generallandesarchiv in Karlsruhe absolviert. Diese Zeit hat meinen Wunsch bestätigt“, führt sie aus.

Das macht das Stockacher Archiv so besonders

Nach ihrem Studium wollte sie gerne wieder näher bei ihrer Familie leben. Dass sie nun in Stockach gelandet ist, habe sie auch ihrer Schwester zu verdanken, die schon seit einigen Jahren in Konstanz wohnt. Elena Williams erzählt: „Sie hat die Stellenanzeige gefunden und mir geschickt. Die Ausschreibung hat mich sofort angesprochen. Ich wollte in einem kommunalen Archiv arbeiten, weil man da alle Aufgaben übernehmen kann und nicht nur einen Bereich abdeckt.“

Außerdem finde sie die Bodenseeregion und auch Stockach sehr schön. „Die Stadt ist klein und es ist ruhiger als in einer Großstadt, das mag ich gerne“, schwärmt die 24-Jährige.

Fenster in die Vergangenheit – aber wichtig für die Zukunft

Doch was begeistert sie an der Archivarbeit? Lachend bestätigt sie, dass ihr diese Frage tatsächlich häufig gestellt wird, weil sich viele Menschen eine langweilige Tätigkeit in einem staubigen Keller voller Spinnenweben vorstellen. „Das ist aber gar nicht so. Meine Arbeit ist sehr interessant. Archive stellen Fenster in die Vergangenheit dar. In Archiven kann man sehen und lesen, woher wir kommen und welche Geschichte wir haben. Unsere Geschichte beeinflusst und prägt wiederum, wer wir heute sind, wie unsere Gesellschaft heute ist“, erklärt sie.

Ein Archiv sei aus ihrer Sicht identitätsstiftend – und sehr wichtig für die Zukunft. „Dadurch, dass man die Geschichte kennt, kann man auch die Zukunft mitbestimmen, gute und informierte Entscheidungen treffen und bestenfalls Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen“, findet Williams.

Geschichte sei im Archiv nichts Abstraktes mehr, sondern nehme Formen an, so Williams. Dabei beinhaltet das Berufsbild der Archivarin auch eine große Verantwortung, denn man entscheide, was übernommen und für die Nachwelt bewahrt wird. Die 24-Jährige ergänzt: „Natürlich gibt es dafür auch Richtlinien, aber eigene Entscheidungen sind immer noch dabei. Wir beeinflussen damit auch, wie die Nachwelt uns einmal sehen wird.“

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Welche Aufgaben hat eine Archivarin?

Ihr Arbeitsgebiet umfasst die klassischen Aufgaben einer Archivarin. Sie übernimmt, bewertet und erschließt Unterlagen, betreut Nutzer im Archiv und beantwortet Nutzer-Anfragen. Sie ist auch dafür verantwortlich, dass die Archivalien gut erhalten bleiben.

Dafür muss das Klima in den Magazinen stimmen, die Archivalien müssen richtig verpackt sein und gelegentlich auftretende Papierfischchen – sie sehen den Silberfischchen ähnlich und fühlen sich in Museen, Bibliotheken und Magazinen bei rund 50 Prozent Luftfeuchte wohl – müssen in Schach gehalten werden.

Dieses Urbarium stammt aus dem Jahr 1774. Elena Williams erklärt, wie mit Hilfe künstlicher Intelligenz solche alten Texte gelesen und ...
Dieses Urbarium stammt aus dem Jahr 1774. Elena Williams erklärt, wie mit Hilfe künstlicher Intelligenz solche alten Texte gelesen und in heutige Schrift übertragen werden. | Bild: Claudia Ladwig

Auch das Digitalisieren von Archivalien und der Aufbau des digitalen Magazins gehört zu ihren Tätigkeiten. Außerdem beschäftigt sie sich mit einem Projekt, das schon vor ihrem Amtsantritt begonnen wurde. Dabei werden Ratsprotokolle und Urbare, also Stadtbücher, digitalisiert und mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz (KI)-Software Transkribus gelesen und in unsere heutige Schrift übersetzt. Das passt wunderbar zu Elena Williams. „Das Thema meiner Bachelorarbeit war nämlich der Einsatz von KI in Archiven. Schön, dass ich da weiterarbeiten kann“, freut sie sich.

Das Forschen steht dagegen nicht explizit in ihrer Arbeitsplatzbeschreibung. Wenn sich aber in der Freizeit die Möglichkeit ergäbe und sie ein interessantes Thema fände, würde sie es sicherlich machen. Schließlich sitze sie ja direkt an der Quelle, sagt die junge Frau.

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Bürger können im Archiv selbst recherchieren

Und Williams Arbeitsplatz bietet auch den Stockacher einige Möglichkeiten. Denn im Archiv haben Bürgern die Möglichkeit, Familien-, Ahnen- oder Heimatforschung zu betreiben und für Jubiläen oder Festlichkeiten zu recherchieren. Anfragen kommen auch zu Vereinen, Gebäuden oder Kirchen, so Williams. Ein paar Mal sei das in den vergangenen Wochen schon der Fall gewesen, berichtet sie. Eine Frau sei sogar aus Kalifornien zur Familienforschung hergekommen.

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Die Archivarin guckt dann im Findbuch nach, welche Archivalien zum Thema vorhanden sind. „Wenn ich etwas gefunden habe, schreibe ich den Leuten. Dann kommen sie entweder zu einem Termin her und schauen die Sachen an oder ich scanne das Material ein und schicke es ihnen zu“, beschreibt sie.

Einschränkungen gibt es aber bei neueren Dokumenten. Denn da dürfen aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte nicht alle Unterlagen öffentlich eingesehen werden.